Rz. 5

Rechtliche Grundlage der betrieblichen Altersversorgung ist das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung.[2] Dieses Gesetz ist als Arbeitnehmerschutzgesetz aus der vorher einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entstanden. Auch in den letzten Jahrzehnten nach dem Erlass des BetrAVG wird die Materie der betrieblichen Altersversorgung weitgehend durch die Rechtsprechung des 3. Senats des BAG bestimmt. Dieses Gesetz bestimmt den Inhalt des Versorgungsverhältnisses und ist weitgehend unabdingbar. Abweichungen sind nur zugunsten des Arbeitnehmers möglich, Ausnahmebestimmungen, die auch Regelungen zu Ungunsten der Arbeitnehmer ermöglichen, ergeben sich bei tarifvertraglichen Regelungen im Rahmen des § 17 Abs. 3 BetrAVG.

 

Rz. 6

Nach seinem sachlichen Geltungsbereich findet das BetrAVG nur auf Leistungen der bAV Anwendung. Bei diesen Leistungen handelt es sich um Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt worden sind (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG). Schwierig sind in der Praxis Abgrenzungen von anderen Arbeitgeberleistungen, weil die zwingenden Schutzvorschriften des BetrAVG (Unverfallbarkeit, Insolvenzsicherung, Anpassung) nur auf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung angewendet werden können. Abgrenzungsschwierigkeiten treten vor allem gegenüber anderen betrieblichen Sozialleistungen auf (Beispiele: Übergangsgelder, Entgeltfortzahlungen, Sterbegelder, Vermögensbildung, Abfindungen, Jubiläums- und Treuegelder). Aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungspraxis können die meisten Fragen nach dem folgenden Schema gelöst werden:[3]

[2] Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vom 19.12.1974 (BGBl I, 3610), zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes vom 20.12.2022 (BGBl I, 2759).
[3] BAG v. 8.5.1990, EzA § 7 BetrAVG Nr. 35.

I. Abgrenzung entsprechend einem biologischen Ereignis

 

Rz. 7

Leistungen der betrieblichen Altersversorgung müssen durch ein biologisches Ereignis ausgelöst worden sein. Biologische Ereignisse sind dabei Alter, Invalidität oder Tod. Abgrenzungsprobleme können sich dabei ergeben, wenn Leistungen des Arbeitgebers vom vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers vor Erreichen der üblichen Pensionierungsaltersgrenzen,[4] von einer Reduzierung der Lebensarbeitszeitkonten oder von einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden. Eine weitere denkbare Möglichkeit ist das Erreichen von bestimmten Dienstaltern oder Firmenjubiläen, bei denen entsprechende Leistungen gewährt werden.

II. Abgrenzung nach dem geforderten Versorgungszweck

 

Rz. 8

Ferner muss die Leistung, damit sie unter den Schutzzweck des Betriebsrentengesetzes fällt, dem geforderten Versorgungszweck dienen. Abgrenzungsfragen ergeben sich hier beispielsweise bei der Gewährung von Todesfallleistungen an Begünstigte außerhalb des Familienverbands,[5] an nicht mehr unterhaltsbedürftige Kinder sowie bei Unterstützungsleistungen für Fälle der Arbeitslosigkeit, Krankheit und für Beerdigungskosten.

 

Rz. 9

So wertet das BAG die Einräumung von Personalrabatten (z.B. durch verbilligten Strombezug) an Betriebsrentner und deren Hinterbliebene als bAV;[6] welche Konsequenzen bei der vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung zu ziehen sind (z.B. die Anwendbarkeit der Unverfallbarkeitsregeln mit ausschließender Quotierung), hat das BAG allerdings offengelassen.

 

Praxishinweis

Soweit eine Leistung des Arbeitgebers zur bAV rechnet, ist sie im Zweifel vollständig als Betriebsrentenleistung zu behandeln.

[5] LAG Hamm v. 17.12.1991, DB 1992, 535 zur Abgrenzung von Leistungen an Lebenspartner.
[6] BAG v. 19.2.2008, AP Nr. 52 zu § 1 BetrAVG.

III. Notwendige Abgrenzung aufgrund selbstfinanzierter Altersvorsorge

 

Rz. 10

Die Definition in § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG versteht sich als Legaldefinition und ist abschließend. Weitere Voraussetzungen für die Anerkennung als bAV, wie sie beispielsweise im Steuerrecht vorherrschen, sind für die Anwendung des Arbeitnehmerschutzgesetzes nicht erforderlich.

 

Rz. 11

Eine Abgrenzung ist allerdings erforderlich, weil seit der ab dem Jahr 2002 eingeführten steuerlichen Förderung von Altersvorsorgeleistungen (sog. Riesterförderung), die durch einen Gehaltsverzicht des Arbeitnehmers finanziert werden, neue Organisationsformen entwickelt worden sind. In der Praxis bestehen viele Fallgestaltungen, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die Möglichkeit bietet, im Rahmen eines Sammel- oder Gruppenversicherungsvertrags zu günstigeren Konditionen eine private Lebensversicherung abzuschließen. In diesem Fall fehlt es an der Zusage einer Leistung der betrieblichen Altersversorgung, weil der Arbeitgeber sich nur als Serviceleistung zur Abführung von Beiträgen verpflichtet. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind dagegen Versorgungszusagen, die der Arbeitgeber selbst durch die Abführung von Beiträgen aus verzichtetem Entgelt gewährt (Entgeltumwandlung).

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