Rz. 244
Das Ergebnis der Wertermittlungen aus dem vereinfachten Ertragswertverfahren i.S.v. §§ 199 ff. BewG scheidet als Basis für die Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage aus, wenn der so ermittelte Ertragswert unter der Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen Ansätze (Substanzwert) abzüglich der Schulden und Lasten liegt, § 11 Abs. 2 S. 3 BewG. Derartige Situationen können insbesondere dann auftreten, wenn zum Unternehmensvermögen Wirtschaftsgüter gehören, die zwar – isoliert betrachtet – einen hohen Verkehrswert, dennoch aber keine dementsprechende Ertragskraft aufweisen, so z.B. ungenutzte Grundstücke, Kunstgegenstände oder auch erhebliche Geldbestände.
Rz. 245
Der Substanzwert ergibt sich als Summe aus den gemeinen Werten der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern nach §§ 95–97 BewG abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden. Der Ansatz des Substanzwerts ist ausgeschlossen, wenn der gemeine Wert aus tatsächlichen Verkäufen unter fremden Dritten im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgeleitet wird.
Im Substanzwert sind alle zum ertragsteuerlichen Betriebsvermögen zählenden Wirtschaftsgüter unabhängig davon zu erfassen, ob für diese ein steuerliches Aktivierungs- bzw. Passivierungsverbot (z.B. bei Drohverlustrückstellungen) besteht. Somit sind auch selbstgeschaffene oder entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter, z.B. Patente, Lizenzen, Warenzeichen, Markenrechte, Konzessionen, Belieferrechte zu erfassen. Sofern den geschäftswert-, firmenwert- oder praxiswertbildenden Faktoren ein eigenständiger Wert zugewiesen werden kann (z.B. Kundenstamm, Know-how), ist dieser mit einzubeziehen, und zwar unabhängig davon, ob diese selbst geschaffen oder entgeltlich erworben wurden.
Rz. 246
Die Rücklagen und Ausgleichsposten haben Eigenkapitalcharakter und sind daher nach Ansicht der Finanzverwaltung im Allgemeinen nicht abzugsfähig. Die zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie die zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge sind bei der Ermittlung des Substanzwerts nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dabei sind im Betriebsvermögen gehaltener Grundbesitz und Beteiligungen an "Tochterunternehmen" (Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften), für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 BewG festzustellen ist, mit dem auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen.
Rz. 247
Wirtschaftsgüter des beweglichen, abnutzbaren Anlagevermögens sind aus Vereinfachungsgründen mindestens mit 30 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn dies nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führt. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind mit ihren Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten zum Bewertungsstichtag anzusetzen, wobei deren Wert auch nach der retrograden Methode ermittelt werden kann. Stille Reserven aufgrund der Verbrauchsfolgefiktion des Lifo-Verfahrens sind beim Substanzwert anzusetzen.
Rz. 248
Steht fest, dass das Unternehmen nicht weiter betrieben werden soll, ist der Liquidationswert als besondere Ausprägung des Substanzwerts die Untergrenze der Bewertung. Die mit einer Veräußerung sämtlicher zum Unternehmen gehörender Wirtschaftsgüter regelmäßig verbundenen Liquidationskosten (z.B. Kosten für einen Sozialplan) sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers offenbar nur dann in die Bewertung einfließen, wenn das Unternehmen tatsächlich liquidiert wird. Denn für die gewöhnlichen Fälle der Mindestbewertung verweist § 11 Abs. 2 S. 3 BewG aber auf die §§ 99 und 103 BewG, in denen eine Berücksichtigung der Liquidationskosten nicht vorgesehen ist. Mithin ist auch beim Eingreifen der Mindestbewertung nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG eine Überbewertung des betroffenen Unternehmens in vielen Fällen vorprogrammiert.