Rz. 55

In der arbeitsgerichtlichen Praxis kommen Verfügungsanträge, mit denen Arbeitnehmer die Herausgabe von Arbeitspapieren geltend machen, häufig vor; sie sind nach Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist durchweg zulässig und begründet.[71] Dies gilt selbst dann, wenn die Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Arbeitnehmerkündigung streiten. Denn für den Verfügungsanspruch kommt es nicht auf die rechtliche, sondern auf die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Dem Arbeitgeber steht ein Zurückbehaltungsrecht an den Arbeitspapieren nicht zu.[72]

 

Rz. 56

An den Verfügungsgrund sind keine erheblichen Anforderungen zu stellen. Der Arbeitnehmer benötigt die Papiere regelmäßig, um seine berufliche Tätigkeit fortzusetzen oder Lohnersatzleistungen zu beantragen. Im Übrigen werden durch die einstweilige Verfügung schützenswerte Interessen des Arbeitgebers kaum beeinträchtigt.[73] Deshalb reicht es grundsätzlich aus, wenn (durch eidesstattliche Versicherung) glaubhaft gemacht wird, dass der Arbeitnehmer die Arbeitspapiere benötigt, um ein neues Arbeitsverhältnis anzutreten, und der Arbeitgeber sich mit ihrer Herausgabe in Verzug befindet.[74]

 

Rz. 57

Die Leistungsverfügung bleibt allerdings auf die Herausgabe formal ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllter Arbeitspapiere beschränkt.[75] Der Arbeitgeber ist zwar verpflichtet, die Arbeitspapiere (Arbeitsbescheinigung, Lohnsteuerkarte, Sozialversicherungsnachweis) nicht nur vollständig, sondern auch inhaltlich zutreffend auszufüllen. Für die Entscheidung über Berichtigungsansprüche, die sich auf öffentlich-rechtliche Arbeitspapiere beziehen, sind die Arbeitsgerichte jedoch nicht zuständig.[76] Soweit es um die Berichtigung rein arbeitsrechtlicher Papiere (Urlaubsbescheinigung, tarifliche Lohnnachweiskarten) geht, sind die Arbeitsgerichte zwar zuständig (§ 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG). Der darauf gerichtete Verfügungsantrag wird jedoch regelmäßig daran scheitern, dass es an einem Verfügungsgrund fehlt.

 

Rz. 58

Auch die Erteilung eines einfachen oder qualifizierten Zeugnisses kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden. Beruft sich der Arbeitgeber auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, während der Arbeitnehmer von wirksamer Beendigung ausgeht, steht dies der auf ein (qualifiziertes) Schlusszeugnis gerichteten Leistungsverfügung nicht entgegen. Der Arbeitnehmer braucht sich insbes. nicht auf ein Zwischenzeugnis verweisen zu lassen.[77]

 

Rz. 59

Für den Verfügungsgrund genügt es, wenn der Arbeitnehmer glaubhaft macht, dass er für anstehende Bewerbungen auf das Zeugnis dringend angewiesen ist.[78]

 

Rz. 60

In der Praxis wird dem Arbeitnehmer freilich die Leistungsverfügung im Allgemeinen wenig helfen. Denn im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes kann er gegen den Widerstand des Arbeitgebers ein objektiv gutes, qualifiziertes Zeugnis regelmäßig nicht durchsetzen. An dem Eilbedürfnis wird es zwar nicht fehlen. Die Voraussetzungen einer überdurchschnittlichen Leistungs- und Führungsbeurteilung lassen sich jedoch schon im Rechtsstreit zur Hauptsache häufig nicht nachweisen. Dies gilt für die Glaubhaftmachung im summarischen Verfügungsverfahren erst recht. Soweit der Antrag auf eine Zeugnisberichtigung ausgerichtet ist, die sich nicht darauf beschränkt, unsachliche Formulierungen auszuräumen, wird der Arbeitnehmer gleichfalls häufig bereits an dem Verfügungsanspruch scheitern.[79]

[71] Germelmann u.a., § 62 Rn 112; Korinth, S. 308 Rn 269; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.11.2.
[72] Kleveman/Braun, § 12 Rn 53; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.11.2.
[73] Korinth, S. 309 Rn 270; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.11.3.
[74] Germelmann u.a., § 62 Rn 112; Kleveman/Braun, § 12 Rn 53; a.A. Reinhard/Kliemt, NZA 2005, 545, 553.
[75] Korinth, S. 309 Rn 269; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.11.2.
[76] BAG v. 11.6.03 – 5 AZR 1/03, n.v.; LAG Köln v. 19.7.1988, DB 1988, 60 (zur Arbeitsbescheinigung); LAG Schleswig-Holstein v. 9.10.1986, DB 1987, 896 (zum Sozialversicherungsnachweis); LAG Köln v. 20.9.1988, NZA 1989, 850 (zur Lohnsteuerkarte); Korinth, S. 308 Rn 267 f.; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.11.1.
[77] Vgl. BAG v. 27.2.1987, EzA § 630 BGB Nr. 11; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.12.1.
[78] Korinth, S. 314 Rn 278; Ostrowicz/Künzl/Scholz, Kap. 9 3.4.12.3.
[79] Korinth, S. 315 Rn 280.

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