Rz. 3

Gerade im Familienrecht treten Mandanten mit schwieriger Persönlichkeitsstruktur gehäuft auf. Solange eine Pflicht zur Annahme des Mandats nicht besteht, sollten Anwälte daher immer sorgfältig prüfen, ob sie ein Mandat annehmen möchten. Trennung/Scheidung stellen eine außergewöhnliche Lebenssituation für Menschen dar. Es geht um "alles, was wichtig ist". Trennung/Scheidung werden häufig als persönliches Versagen erlebt und Menschen reagieren unterschiedlich auf diese belastende Situation. Verzweiflung, Existenzängste, Schuldvorwürfe, Privatestes kommt ans Licht, Verlassen des geliebten Wohnumfeldes, Verlust von Freunden, Verlust der eigenen Idee vom Leben "So hatte ich mir das nicht vorgestellt." sind nur einige der Stichworte, die sich aufdrängen, wenn das Thema Trennung/Scheidung ansteht.

 

Rz. 4

In diesem Zustand trifft der Mensch auf einen Anwalt/eine Anwältin

der/die "nüchtern" ist,
eine unverständliche Sprache spricht …,
Dinge sagt, die man (in dieser Situation) nicht hören will …,
und am Ende auch noch Geld verlangt.
 

Rz. 5

Dabei sind Mandanten oft sehr viel mehr darauf angewiesen, sich mit ihrem Anwalt/ihrer Anwältin zu verstehen, als umgekehrt. Und anders als bei einem Blechschaden in einer Unfallsache, hat man im Familienrecht mit "seinem Anwalt" / "seinem Mandanten" oft 1–2 Jahre oder auch länger zu tun. Daher ist eine gute Atmosphäre für beide sehr wichtig.

 

Rz. 6

Doch wie kommen Mandate im Familienrecht zustande? Der Mandant hat einen Termin vereinbart, es kommt zur Besprechung und man hat ihn "an der Angel"? Oder sieht man das erste Gespräch als eine Mandatsaquise, die Gelegenheit zu einem gegenseitigen Kennenlernen. Und lässt man sich gegenseitig die Zeit, in Ruhe zu überlegen und sich bewusst zu entscheiden? Oder stolpert man vielmehr in das Mandat, manchmal schon mit einem unguten Gefühl und weiß am Ende nicht, wie man da "wieder herauskommt"?

 

Rz. 7

Der Anwaltsvertrag ist i.d.R. Dienstvertrag, § 611 ff. BGB, ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB; seltener ein Werkvertrag (z.B. bei Erstellung eines Gutachtens). Und Verträge kommen zustande durch Angebot und Annahme. Da es für den Anwaltsvertrag keine Formanforderungen gibt, kann dieser also formfrei – z.B. auch durch konkludentes Handeln – zustande kommen. Man ist also sehr schnell "drin im Mandat".

 

Rz. 8

 

Praxistipp

Hier helfen ein paar praktische Tipps gut weiter:

Ein Mandat sollte nicht zu früh angenommen werden.
Zunächst ist abzuklären, was der potentielle Mandant bzw. die Mandantin möchte.
Wird nur eine Erstberatung gewünscht oder bereits eine Vertretung?
Gut ist es, wenn zunächst nur das Beratungsmandat angenommen und die Entscheidung für eine Vertretung erst getroffen wird, wenn man auch weiß, worum es dem Mandanten geht.
Nutzen Sie die Erstberatung und nehmen Sie erst einmal nur dieses Mandat zur Erstberatung an, bevor Sie sich entscheiden, gleich das "große Ganze" anzunehmen.
Auch als Anwalt/Anwältin darf man die Frage zulassen: Will ich dieses Mandat/diesen Mandanten überhaupt annehmen?
Es gehört ein wenig Übung dazu, hilft aber sehr, sich selbst und dem Mandanten einen zeitlichen Raum zu lassen.
Wenn die "Chemie nicht stimmt", spürt das i.d.R. auch ein Mandant; möchte aber vielleicht nicht unhöflich sein und lässt Sie erst einmal im Glauben, er möchte die Vertretung durch Sie. Dann kommt möglicherweise am Tag darauf ein Anruf, man habe es sich überlegt, oder Unterlagen werden trotz mehrfacher Nachfrage nicht eingereicht; Besprechungstermine abgesagt, oder nicht wahrgenommen. All diese unschönen Erlebnisse können Sie vermeiden, indem Sie Ihrem Mandanten im Erstberatungsgespräch die nötige Freiheit geben, noch einmal "über alles zu schlafen". Das gibt auch Ihnen die Chance, die Übernahme des Vertretungsmandats noch abzulehnen. Aus Gründen der Fairness sollten Sie Ihren Mandanten hier aber nicht im falschen Glauben lassen, er habe SIE "an der Angel".
 

Rz. 9

Es gibt kein Patentrezept im Umgang mit Mandanten, da die Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen etwas sehr Dynamisches ist. Und wer möchte schon hölzern und mit einstudierten Verhaltensweisen arbeiten. Aber die obigen Tipps können vielleicht hilfreich sein, einen etwas anderen Umgang mit der eigenen Mandatsannahme zu lernen. Wichtig ist, dass es am Ende für Sie als Anwalt oder Anwältin passt; dass Sie sich mit Ihrer Vorgehensweise wohl fühlen und im Verhältnis zu Ihrem Mandanten menschlich bleiben. Denn Ihre Mandanten kommen ja gerade in der zuvor beschriebenen Ausnahmesituation zu Ihnen. Die Führungsrolle für das Mandat sollte daher beim Anwalt oder der Anwältin liegen.

 

Rz. 10

 

Praxistipp

Machen Sie zu Beginn des Gesprächs klar, dass die Erstberatung eine Chance darstellt, sich "kennenzulernen" und beide entscheiden können, ob eine weitere Vertretung in Frage kommt oder nicht. Insbesondere dann, wenn Sie schon zu Beginn des Gesprächs das Gefühl haben, dass sie mandatsmäßig nicht "zusammenpassen".

Vereinbaren Sie auch, dass die Erst...

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