Rz. 40

Jeder hat das Bedürfnis nach Erholung und Urlaub – so auch der RA. Während dieser Zeit sollte er sich für gewöhnlich nicht in der Kanzlei aufhalten, sondern dort, wo Entspannung und Erholung vom Arbeitsalltag garantiert sind. Es kommt aber auch vor, dass der RA wegen Krankheit gehindert ist, in der Kanzlei anwesend zu sein und seinen Beruf auszuüben.

 

Rz. 41

Um aber einen reibungslosen Ablauf des Kanzleibetriebs zu ermöglichen, sind während der urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheit des RA Vorkehrungen wegen einer Vertretung des RA zu treffen, die gerade aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten zwingend notwendig sind.

 

Rz. 42

Unproblematisch ist die Lösung des Problems in den Kanzleien, in denen Partner oder angestellte RA für den "Fall der Fälle" aushelfen und einspringen können. Viele Kollegen und Kolleginnen sind zudem in der Lage, einen plötzlichen Ausfall des Chefs kurzzeitig zu überbrücken, weil sie den Betrieb auf dem Laufenden halten können. Selbstverständlich stoßen auch die versiertesten Kollegen an ihre Grenzen; darüber hinaus können viele Aufgaben aus Haftungsgründen ausschließlich vom RA erledigt werden.

 

Rz. 43

Jeder von Ihnen kennt das einer Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung oder das einem Urteil beiliegende Empfangsbekenntnis. Mit seiner Unterschrift bestätigt der RA, an einem bestimmten Tag, Kenntnis (und nicht Zugang) vom dem Schriftstück erhalten zu haben. Wussten Sie z.B. dass Sie nicht befugt sind, dieses Empfangsbekenntnis zu unterzeichnen? Dieses Empfangsbekenntnis (das auch nicht mit einem Eingangsstempel versehen werden sollte) ist ausschließlich von dem RA oder seinem Vertreter zu unterzeichnen und mit dem Datum zu versehen, an dem er Kenntnis von dem Schriftstück erlangt hat.

 

Rz. 44

Bei Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis trifft ausschließlich den RA eine echte Mitwirkungspflicht. Ob eine Mitwirkung konkret erforderlich ist, hängt davon ab, ob die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ist oder nicht. Die Prüfung obliegt dem RA nach den einschlägigen Zustellungsvorschriften, wobei ausschließlich eine Prüfung nach objektiven Kriterien zu erfolgen hat. Eine subjektive Beurteilung steht dem RA nicht zu.

 

Beispiel:

Ist der RA nicht zustellungsbevollmächtigt oder ist ein Schriftstück nicht vollständig zugegangen, ist eine ordnungsgemäße Zustellung nicht erfolgt.

Bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung ist der RA in der Pflicht, das Empfangsbekenntnis unverzüglich i.S. des § 121 BGB, somit ohne schuldhaftes Verzögern, mit Unterschrift und Datumsangabe zu versehen und zurückzusenden. Wie bereits erwähnt, ist das pflichtauslösende Ereignis nicht das Datum der Zustellung, sondern der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den RA. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der Absender die Zustellung anderweitig, z.B. durch Vorliegen eines Faxsendeberichtes oder den Zustellungsvermerk eines Boten nachweisen kann.

Im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung kann der RA die Mitwirkung verweigern. Er ist aber verpflichtet, dem Absender den Grund der fehlenden Mitwirkung mitzuteilen.

 

Beachte:

Ein Empfangsbekenntnis ist nur dann wirksam im Sinne von § 174 ZPO erteilt, wenn es eigenhändig durch den Rechtsanwalt unterzeichnet wurde. Die Unterzeichnung durch eine Rechtsanwaltsfachangestellte oder einen Rechtsreferendar genügt diesem Erfordernis nicht.

Nach einer Entscheidung des BGH vom 26.10.2018, Urteil. vom 26.10.2015, GeschäftsZ: AnwSt (R) 4/15, ist die in § 14 BORA geregelte Mitwirkungspflicht nur gegenüber Gerichten und Behörden geregelt. Nach dieser Entscheidung besteht keine berufsrechtliche Verpflichtung, bei einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt gem. § 195 ZPO mitzuwirken.

Der RA hat zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen zu erfüllen und ggf. für eine Vertretung Sorge zu tragen.

Eine Vertretung ist zulässig

durch einen Kanzleisozius,
bei urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit länger als eine Woche durch den amtlich bestellten Vertreter (§ 53 BRAO),
durch einen Zustellungsbevollmächtigten gem. § 30 BRAO, wenn eine Entbindung zur Pflicht zur Kanzleiführung vorliegt,
durch den Kanzleiabwickler gemäß § 55 BRAO.
 

Beachte:

Im Falle einer Mandatsniederlegung bleibt der RA in Anwaltsprozessen solange für den Empfang zuständig und in der Mitwirkungspflicht des § 14 BORA, bis sich ein neuer RA für die Partei meldet (BGH, Beschluss vom 25.1.2011, Az. VIII ZR 27/10, §§ 87 Abs. 1; 172 ZPO).

 

Rz. 45

In der BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) ist geregelt, wann der RA für einen Vertreter sorgen muss, wenn er sich von der Kanzlei entfernen will oder er gehindert ist, seinen Beruf auszuüben.

Die einschlägige Vorschrift ist in § 53 BRAO geregelt.

 

§ 53 Abs. 1 BRAO

Der RA muss für seine Vertretung sorgen,

1. wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben;
2. wenn er sich länger als eine Woche von der Kanzlei entfernen will.
 

Rz. 46

 

Hinweis:

Gemäß § 53 Abs. 4 BRAO kommen als Vertreter des RA ausschließlich in Betracht:

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