Gewerbemietverträge: BGH erleichtert Kündigungen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine weitreichende Entscheidung getroffen: Schriftformheilungsklauseln in Gewerbemietverträgen generell unwirksam. Mit Konsequenzen vor allem für Investoren von großen Objekten, die beim Kauf der Immobilien fest mit den Mieteinnahmen gerechnet haben.

Die Entscheidung (BGH, Urteil v. 27.9.2017, XII ZR 114/16) ist brisant. Denn die Mehrheit der langlaufenden Mietverträge ist formwidrig. Deshalb besteht latent das Risiko einer vorzeitigen Kündigung. Bisher bestand ein Schutz in Form von Schriftformheilungsklauseln. Dieser Schutz entfällt nunmehr. Das war den Karlsruher Richtern bei ihrer Entscheidung bewusst.

Mietvertrag: Wirksamkeit von festen Laufzeiten nach § 550 BGB

Das Ziel ist, Gewerbeobjekte langfristig zu vermieten. Sowohl Mieter als auch Vermieter benötigen Planungssicherheit: Zuschüsse zu Ausbaukosten müssen amortisiert, Standorte langfristig gesichert werden. Zudem setzen typische Wertsicherungsklauseln Laufzeiten von mindestens zehn Jahren voraus.

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 550 BGB) sind feste Laufzeiten von mehr als einem Jahr aber nur wirksam, wenn der Mietvertrag schriftlich geschlossen wird. Wird die Schriftform nicht gewahrt, ist der Mietvertrag gleichwohl wirksam, gilt aber als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann daher jederzeit unter Beachtung der ordentlichen Fristen gekündigt werden.

Gesetzgeber schützt vor allem Käufer

Der Schutz des Gesetzgebers dient vor allem dem Erwerber einer vermieteten Immobilie. Dieser tritt kraft Gesetzes in bestehende Mietverträge ein. Er soll daher die Möglichkeit haben, sich aus einem schriftlichen Mietvertrag über alle wesentlichen Vertragsbedingungen informieren zu können. An mündliche Vereinbarungen soll er nicht dauerhaft gebunden sein. So wird der Käufer insbesondere davor geschützt, dass die Mietvertragsparteien mündlich eine gegenüber dem ursprünglich schriftlichen Mietvertrag niedrigere Miete vereinbaren.

Zum anderen bezweckt die Schriftform aber auch generell den Schutz der Parteien vor Übereilung. Der Gesetzgeber unterstellt, dass die Parteien anlässlich eines schriftlichen Vertragsschlusses ihre langfristige Bindung wohl überlegen. Zwar wurden von der Rechtsprechung die Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform über die Jahre bereits deutlich gesenkt, gleichwohl sind diese noch immer schwer zu erfüllen.

Dies liegt vor allem daran, dass die Mietvertragsparteien unter Schriftform etwas anderes verstehen als die Gerichte. Letztere stellen auf die strengen Vorgaben des § 126 BGB ab.

  • Danach müssen alle wesentlichen Inhalte in einer einheitlichen von den Parteien eigenhändig zu unterschreibenden Urkunde enthalten sein. Hierzu gehört, dass insbesondere die Parteien, der Mietgegenstand, die Laufzeit und die Miete eindeutig geregelt sein müssen.
  • Soweit wesentliche Vertragsinhalte in Anlagen ausgelagert werden, müssen diese beigefügt werden und der Mietvertrag auf sie verweisen.
  • Bei Vertragsschluss an verschiedenen Orten muss das Original des Mietvertrags die jeweils andere Partei auch physisch erreichen. Ein Vertragsschluss per E-Mail, Fax oder per Briefwechsel scheidet damit aus.
  • Auch jede wesentliche Änderung des Mietvertrags erfordert einen schriftlichen Nachtrag, der eindeutig auf den ursprünglichen Mietvertrag verweist und klar regeln muss, welche Punkte geändert werden und welche fortbestehen sollen. Schon eine formwidrige Änderung führt zur jederzeitigen Kündbarkeit des Mietvertrags.

Risiko der vorzeitigen Kündigung

Die Schriftform wird in der Praxis häufig verletzt. In all diesen Fällen besteht das Risiko der vorzeitigen Kündigung des Mietvertrags. Die Möglichkeit der vorzeitigen Kündbarkeit wird häufig von einer der Parteien genutzt, um den Mietvertrag wegen geänderter Marktbedingungen wirtschaftlich neu zu verhandeln oder zu beenden, weil aus bestimmten Gründen kein Interesse mehr an seiner Fortführung besteht.

Anwälte werden gezielt damit beauftragt, Formmängel zu identifizieren, um – je nach Situation – Verhandlungsmasse aufzubauen. Mit den gesetzlichen Schutzgedanken hat dies häufig nichts zu tun. Um das Risiko der vorzeitigen Kündbarkeit zu reduzieren, haben sich in der Praxis so genannte Schriftformheilungsklauseln durchgesetzt, in denen sich die Parteien verpflichten, etwaige Formmängel zu beheben und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf solche Mängel vorzeitig zu kündigen. Solche Klauseln galten in der Vergangenheit überwiegend als wirksam und wurden auch durch die Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte bestätigt.

Das Ende der Schriftformheilungsklausel

Der BGH hat nun solchen Schriftformheilungsklauseln eine Abfuhr erteilt. Nach Auffassung der Richter stehen sie im Widerspruch zu der zwingenden Regelung des § 550 BGB.

Bereits Anfang 2014 hatte der BGH erstmals entschieden, dass ein Grundstückserwerber durch Schriftformheilungsklauseln nicht gehindert ist, den Mietvertrag wegen eines Formfehlers zu kündigen. Auch gab es bereits untergerichtliche Rechtsprechung, die die Unwirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln festgestellt hat, sodass die Entscheidung nicht völlig überraschend kommt.

Raum für abweichende Billigkeitsentscheidungen

Allerdings hat der BGH Raum für abweichende Billigkeitsentscheidungen gelassen. Eine Kündigung verstößt nämlich gegen Treu und Glauben, wenn der Formmangel, auf den sich die Kündigung stützt, durch eine nachträgliche Änderung herbeigeführt wurde, die allein für die kündigende Partei vorteilhaft war.

Im hier entschiedenen Fall war die mietvertragliche Wertsicherungsklausel zugunsten des Vermieters geändert worden. Die Parteien hielten die Schriftform nicht ein. Später berief sich der Vermieter darauf, dass die Änderung schriftformwidrig erfolgte, und kündigte den Mietvertrag. Dies hielt der BGH für unzulässig.

Eine Entscheidung und die Konsequenzen für die Praxis

Für die Praxis hat die Entscheidung erhebliche Konsequenzen und bedeutet vor allem Rechtsunsicherheit. Neben den unmittelbar betroffenen Vertragsparteien trifft das Urteil des BGH insbesondere Immobilieninvestoren, die mit dem Cashflow aus den langfristigen Mietverträgen fest rechnen, sei es zu Zwecken ihrer Rendite oder der Finanzierung der Investition. Diese müssen sie jetzt noch sorgfältiger prüfen als bisher.

Das führt vor allem zu höheren Kosten und längeren Ankaufsprüfungen. Auf automatische Prüfprozesse kann wegen der schwierigen Rechtsfragen nicht zurückgegriffen werden. Es ist  zu erwarten, dass die Vertragspraxis auf das Urteil mit Klauseln reagiert, die die wirtschaftlichen Folgen einer vorzeitigen Kündigung abmildern sollen.

Ob dies gelingen wird, ist fraglich. Insbesondere wenn durch horrende Vertragsstrafenregelungen die Kündbarkeit eines Mietvertrags faktisch ausgeschlossen werden sollte, dürfte eine unzulässige Umgehung des Schriftformgebots vorliegen.