Geschädigter Wohnungseigentümer muss gegen Verzögerung vorgehen

Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verzögerter Instandsetzungsmaßnahmen scheidet aus, wenn der betroffene Wohnungseigentümer vorherige Beschlüsse, die die Instandsetzung zurückstellen, nicht angefochten hat.

Hintergrund

Die Eigentümer einer Wohnung verlangen von der WEG die Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung sowie die Feststellung, dass sich die WEG mit der Beseitigung von Schwammschäden am Gemeinschaftseigentum in Verzug befindet.

Am 19.6.2006 drang in die Wohnung nach einem heftigen Regen durch die Decke Wasser ein. Ein Gutachten ergab, dass Deckengebälk und Mauerwerk mit Hausschwamm befallen waren. Im November 2006 erhielt die WEG das Gutachten.

Auf einer Eigentümerversammlung im April 2007 beschlossen die Wohnungseigentümer, ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen. Dieses bestätigte das erste Gutachten und bezifferte die Kosten der Schadensbeseitigung mit 31.000 Euro. Die WEG erhielt das Gutachten am 19.5.2008.

Am 22.10.2008 beschlossen die Eigentümer, der gerichtliche Gutachter solle den Schwammbefall zunächst weiter beobachten. Nachdem sich der Gutachter weigerte, beschlossen die Eigentümer am 15.4.2009 eine Teilsanierung. Der am 27.7.2009 beauftragte Handwerker lehnte bei einem Ortstermin am 31.8.2009 eine Teilsanierung als nicht durchführbar ab. Daraufhin beschlossen die Eigentümer am 19.11.2009 eine vollständige Sanierung.

Die Eigentümer der betroffenen Wohnung haben keinen der Beschlüsse angefochten. Zum 1.12.2007 sind sie in eine andere Wohnung gezogen. Sie verlangen nun von der WEG Ersatz der Kosten für die Anmietung der anderen Wohnung in dem Zeitraum vom 1.12.2007 bis 31.8.2009, Ersatz der Umzugskosten und die Feststellung des Verzugs mit der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums vom 1.11.2007 an.

Entscheidung

Die Klage hat nur zu einem Teil Erfolg.

1. Ersatzwohnung

Die WEG muss die Kosten für die Ersatzwohnung und den Umzug nicht erstatten.

Auf den Gesichtspunkt der pflichtwidrig verzögerten Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums lässt sich ein Ersatzanspruch nicht stützen. Voraussetzung dafür ist dass die WEG für ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten der Wohnungseigentümermehrheit einstehen muss, dass die Wohnungseigentümer verpflichtet waren, die umgehende Sanierung des Gemeinschaftseigentums zu beschließen und dass die WEG mit der Instandsetzung in Verzug geraten war, bevor die geltend gemachten Schäden entstanden.

Die Wohnungseigentümer haben bei der Entscheidung darüber, in welchen Schritten sie das Gemeinschaftseigentum instandsetzen, einen Gestaltungsspielraum. Ein Anspruch auf sofortige Durchführung einer bestimmten Maßnahme entsteht lediglich dann, wenn allein dieses Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht

Für die Zeit bis zum Eingang des Gutachtens der Gerichtssachverständigen und dem Ablauf eines angemessenen Zeitraums zu dessen Auswertung am 30.6.2008 fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung. Die Eigentümer durften sich zunächst über den Schaden vergewissern und das Gerichtsgutachten prüfen. Es war deshalb nicht pflichtwidrig, dass die Eigentümer bis zum 30.6.2008 eine Sanierung nicht beschlossen und in Angriff genommen haben.

Die danach, nämlich für den Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 31.8.2009, geltend gemachten Schäden können allerdings auf einer Verletzung der Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums beruhen. Darauf dürfen sich die betroffenen Eigentümer aber nicht berufen.

Die Wohnungseigentümer haben im Anschluss an die Prüfung des Gerichtsgutachtens zwar nicht, was sich aufdrängte, eine vollständige Sanierung des Gemeinschaftseigentums, sondern mit Beschluss vom 22.10.2008 zunächst eine weitere Beobachtung der Entwicklung des Hausschwamms und sodann mit Beschluss vom 15.4.2009 nur eine Teilsanierung beschlossen. Ob das pflichtwidrig war, kann offen bleiben. Diese Beschlüsse sind nämlich bestandskräftig geworden, weil die Eigentümer der geschädigten Wohnung sie nicht angefochten haben.

Die Bestandskraft eines Beschlusses schließt den Einwand, er habe nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, auch für einen Schadensersatzanspruch aus. Der inhaltlich fehlerhafte Beschluss wird zwar durch den Eintritt der Bestandskraft nicht fehlerfrei. Er bleibt aber gültig und bildet deshalb gleichwohl die Grundlage für das weitere Handeln der Wohnungseigentümer und des Verbands. Er muss wie alle anderen Beschlüsse von dem Verwalter umgesetzt werden. Dass sich Verwalter oder hier die Wohnungseigentümer daran halten, ist nicht pflichtwidrig.

2. Verzug mit der Schadensbeseitigung

Die WEG befindet sich seit dem 21.12.2009 mit der Beseitigung der Schäden in Verzug.

Die WEG ist verpflichtet, die gefassten Beschlüsse umzusetzen. Die Umsetzung obliegt dem Verwalter, der dem Verband auf Erfüllung und gegebenenfalls auf Schadensersatz haftet. Der Verband ist jedenfalls dann dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet, diesen Anspruch gegenüber dem Verwalter durchzusetzen, wenn die gefassten Beschlüsse wie hier den Zweck haben, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen, der das Sondereigentum des Wohnungseigentümers unbenutzbar macht.

Diese Pflicht ist verletzt, wenn der Beschluss nach Eintritt der Bestandskraft nicht umgesetzt wird. Mit dem Einwand, der Beschluss widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, ist die WEG - nicht anders als die geschädigten Eigentümer - nach Eintritt der Bestandskraft ausgeschlossen.

Verzug mit der Schadensbeseitigung ist mit Bestandskraft des Beschlusses vom 19.11.2009 (Ablauf der Anfechtungsfrist) eingetreten. Eines weiteren Vorbereitungszeitraums und einer gesonderten Mahnung bedurfte es nicht mehr, weil die Wohnungseigentümer hier schon länger wussten, dass und wie der Schwammschaden beseitigt werden muss und sie auch schon einen geeigneten Handwerker gefunden hatten.

(BGH, Urteil v. 13.7.2012, V ZR 94/11)

Ergänzung:

Der Grundsatz, dass ein Eigentümer einen Beschluss, der eine Instandsetzung zurückstellt, anfechten muss, um sich Schadensersatzansprüche offen zu halten, gilt nicht, wenn der geschädigte Eigentümer zuvor bereits einen Beschluss über die Ablehnung von Sanierungsmaßnehmen angefochten und Beschlussersetzung verlangt hat. Das hat der BGH mit Urteil v. 23.2.2018, V ZR 101/16, klargestellt. Schadensersatzansprüche wegen verzögerter Sanierung werden in diesem Fall nicht dadurch ausgeschlossen, dass der betroffene Eigentümer nachfolgende Vertagungsbeschlüsse nicht anficht, denn in einem solchen Fall kann von vornherein kein schutzwürdiges Vertrauen in die Bestandskraft eines Vertagungsbeschlusses entstehen.

Schlagworte zum Thema:  Wohnungseigentumsrecht, Instandsetzung