Eigentümerversammlung Corona-Pandemie

Konnten Wohnungseigentümer während der Corona-Pandemie nicht persönlich an einer Eigentümerversammlung teilnehmen und ihr Stimmrecht nur mittels Bevollmächtigung des Verwalters ausüben, führt dies nicht zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse, so der BGH. Ob die Beschlüsse anfechtbar sind, blieb offen.

Hintergrund: Verwalterin hält Versammlung wegen Corona allein ab

Die Verwalterin einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) hatte für den 24.11.2020 zu einer Eigentümerversammlung geladen. Wegen der Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie sollte allein die Verwalterin persönlich anwesend sein; in der Ladung wurden die Eigentümer aufgefordert, Vollmachten und Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen.

Fünf von vierundzwanzig Wohnungseigentümern bevollmächtigten die Verwalterin. Diese war in der Versammlung allein und fasste mittels der erteilten Vollmachten mehrere Beschlüsse. Ein Protokoll über die in der Versammlung gefassten Beschlüsse versandte sie anschließend an die Eigentümer.

Mehrere Eigentümer, die keine Vollmachten erteilt hatten, haben Beschlussmängelklage erhoben, allerdings erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist. Das Landgericht hielt die gefassten Beschlüsse für nichtig.

Entscheidung: Besser Vertreterversammlung als keine Versammlung

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und weist die Klage ab.

In Frage stehen allein Nichtigkeitsgründe, weil die einmonatige Anfechtungsfrist des § 45 Satz 1 WEG nicht gewahrt ist. Indes sind die Beschlüsse nicht nichtig.

Einberufung und Durchführung der Eigentümerversammlung entsprachen allerdings nicht den Vorgaben des WEG. Eine Eigentümerversammlung setzt grundsätzlich ein physisches Zusammentreffen der Wohnungseigentümer voraus. Noch ist es nicht zulässig, eine Eigentümerversammlung rein virtuell abzuhalten (Zur geplanten Einführung virtueller Eigentümerversammlungen siehe Online-Eigentümerversammlung: Experten sind geteilter Meinung).

Eine sogenannte Vertreterversammlung, in der – wie hier – nur eine Person anwesend ist, die neben der Versammlungsleitung die Vertretung der abwesenden Eigentümer übernommen hat, ist zwar auch eine Versammlung, in der Beschlüsse gefasst werden können. Sie ist aber nur zulässig, wenn sämtliche Wohnungseigentümer eingewilligt und den Verwalter zu Teilnahme und Stimmabgabe bevollmächtigt haben. Das war hier nicht der Fall. Deshalb hätte die Versammlung aus Sicht des Wohnungseigentumsrechts in Präsenz der Wohnungseigentümer stattfinden müssen. Dass die Durchführung einer Eigentümerversammlung wegen der Corona-Pandemie aufgrund infektionsschutzrechtlicher Bestimmungen verboten war, änderte nichts an den wohnungseigentumsrechtlichen Vorgaben für die Abhaltung einer Eigentümerversammlung.

Verwalter im Dilemma

Die Abhaltung als Vertreterversammlung führt aber nicht zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse, denn während der Corona-Pandemie befanden sich WEG-Verwalter in einer unauflöslichen Konfliktsituation. Sie standen vor dem Dilemma, entweder das Wohnungseigentumsrecht oder das Infektionsschutzrecht zu missachten.

Einerseits musste nach § 24 Abs. 1 WEG mindestens einmal im Jahr eine Versammlung einberufen werden; von dieser Vorgabe waren die Verwalter durch die rudimentären corona-bedingten Sonderregelungen nicht befreit. Zudem konnte es auch während der Corona-Pandemie erforderlich sein, die Eigentümerversammlung mit gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu befassen.

Andererseits war es infektionsschutzrechtlich über einen längeren Zeitraum ausgeschlossen, Eigentümerversammlungen durchzuführen. Bei Durchführung einer Eigentümersammlung liefen die Verwalter Gefahr, gegen bußgeldbewehrte Corona-Schutzvorschriften zu verstoßen.

In dieser Ausnahmesituation wurden Vertreterversammlungen, in denen nur der Verwalter zugegen war, regelmäßig aus Praktikabilitätserwägungen durchgeführt. Es lag auch im Interesse der Wohnungseigentümer, dass der Verwalter nicht, wie es teilweise gehandhabt wurde, unter Missachtung des Wohnungseigentumsrechts während der Corona-Pandemie gar keine Versammlung abhielt. Durch eine Vertreterversammlung wurde jedenfalls die Fassung von Beschlüssen ermöglicht, die der gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden konnten. Die Eigentümer konnten sich bei der Stimmabgabe durch den Verwalter vertreten lassen und diesem jeweils konkrete Weisungen erteilen, wie er in der Versammlung abstimmen sollte.

Anfechtbarkeit bleibt offen

Ob sich allein daraus, dass die Wohnungseigentümer an der Eigentümerversammlung nur durch Erteilung einer Vollmacht an den Verwalter teilnehmen konnten, ein Beschlussanfechtungsgrund ergibt, kann offenbleiben, da hier die Anfechtungsfrist versäumt worden war.

(BGH, Urteil v. 8.3.2024, V ZR 80/23)


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