ESG & Co.: Büroimmobilien vor Obsoleszenzrisiken schützen

Bis zu 69 Prozent der Büros in den sieben deutschen Immobilienhochburgen drohen zu veralten und könnten zu Stranded Assets werden – wenn nicht gehandelt wird. Wo sich was wirtschaftlich lohnt, zeigen Szenarien in einem Colliers-Report zu Obsolenzrisiken.  

Mehr als 95 Millionen Quadratmeter Bürofläche gibt es derzeit in den sieben größten deutschen Städten Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart – bis zu 69 Prozent der Immobilien sind von Überalterung bedroht und könnten zu Stranded Assets werden. Das ist Ergebnis einer Analyse von Colliers.

Im Report werden die Obsoleszenzrisiken der Assetklasse unter anderem in Baujahreskategorien und Lagen differenziert betrachtet sowie Chancen und Handlungsoptionen aufgezeigt.

Büroimmobilien: ESG gegen Obsoleszenzrisiken

Mit einem Gesamtwert von rund einer halben Billion Euro laut Colliers – durchschnittliche Mieten und Renditen zugrunde gelegt – haben Büroimmobilien einen festen Platz in den Portfolios institutioneller Investoren. Und kaum eine andere Assetklasse befindet sich gerade derart im Wandel. Einerseits prägen New Work und Homeoffice die neuen Arbeitswelten, andererseits ist der Druck durch ESG-Kriterien enorm angestiegen.

Vor allem die Auswirkungen des "E für Environmental" in ESG werden in dem Report untersucht. Im Zuge des Klimawandels müssen Immobilien resilienter werden, aber auch gesellschaftliche Herausforderungen werden den Experten zufolge künftig eine große Rolle spielen. Eine sozialverträgliche Dekarbonisierung der Wirtschaft beispielsweise stellt auch die Immobilienbranche vor Herausforderungen.

"ESG ist eine essenzielle Voraussetzung für Immobilieninvestitionen und wird nicht mehr mit Preisaufschlägen versehen werden", sagt Matthias Leube, CEO & Head of Capital Markets bei Colliers in Deutschland. "Stattdessen wird es zu erheblichen Wertverlusten von Immobilien kommen, wenn entsprechende Anpassungsmaßnahmen nicht vorgenommen werden."

Veralterung des Bürobestands nach Baujahresklassen

Im Bericht unterteilt Colliers Büroimmobilien in die Baujahreskategorien vor 1995, von 1995 bis 2009 und seit dem Jahr 2010. Zudem werden Immobilien nach den "Top 7"-Standorten analysiert.

Grundlage der Berechnung sind drei Szenarien, in denen ermittelt wird, ab welchem Investitionsbedarf welcher Teil des Gebäudebestands unwirtschaftlich zu werden droht und von der Obsoleszenz betroffen wäre. Jedem Szenario liegt ein unterschiedliches Investitionsvolumen pro Gebäude zu Grunde – da variabel ist, wie viel "CapEX" (Capital expenditures) die Büroeigentümer für Sanierung und Modernisierung vorhalten müssen.

Gefährdet sind laut Colliers tendenziell Gebäude in den Baujahresklassen bis 2009, die in den sieben Immobilienhochburgen einen Anteil von insgesamt 81 Prozent am Büroflächenbestand haben. Je nach Höhe der notwendigen Investitionsausgaben von drei, fünf oder sieben Euro pro Quadratmeter und Monat sind in den drei Szenarien bis zu acht, 44 oder 69 Prozent des Gesamtbestandes vom Veralterungsrisiko betroffen.

Die Lage der Büroimmobilie ist ein wesentlicher Faktor

Das Obsoleszenzrisiko betrifft insbesondere Stuttgart und Köln mit einem älteren Flächenbestand. In Berlin ist der Büroflächenbestand vergleichsweise am jüngsten.

Grundsätzlich gilt: Die Lage ist ein wesentlicher Faktor für das Veralterungsrisiko. Im weitreichendsten Szenario sind selbst 50 Prozent des Bestands in den CBD-Lagen betroffen. 83 Prozent der Bürogebäude in Neben- und Außenlagen haben bei Mietpreiserhöhungen wenig Spielraum und können umfangreiche Sanierungen wirtschaftlich kaum rechtfertigen.

"Unter Druck geraten vor allem Bestandshalter älterer Immobilien", erklärt Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers in Deutschland. Zur wirtschaftlichen Einordnung meint er: "Im Falle des zweiten Szenarios, also einem gefährdeten Büroflächenbestand von bis zu 41,7 Millionen Quadratmetern, wären Büros im Gesamtwert von bis zu rund 173 Milliarden Euro betroffen."

Bestandshalter mit nachhaltigeren Immobilien können hingegen perspektivisch stark profitieren, da die Mieten in diesen Objekten steigen dürften, sobald der Flächenabgang veralteter, nicht mehr marktfähiger Gebäude zu einer Angebotsknappheit an vermietbaren Büroflächen führen könnte. Trotzdem könnte auch eine unwirtschaftliche Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen sinnvoll sein, um den Wertverlust zu minimieren.

Manage-to-Green-Ansätze: Chance für Investoren

Durch die drohende Überalterung von Büroimmobilien können sich nach Auffassung von Colliers auch Chancen für Marktteilnehmer ergeben. Risikoaffinere Value-Add-Investoren und Projektentwickler haben zum Beispiel die Möglichkeit, Objekte zu attraktiven Preisen zu erwerben und mit Spezialwissen zu sanieren. Solche Manage-to-Green-Ansätze beobachten die Studienautoren immer häufiger.

Auch Städte können demnach von einem Wandel des Büroimmobilienmarktes profitieren: Alte monostrukturelle Stadtteile und Gebäudekomplexe können durch Wohnungen, soziale Infrastruktur oder Mischnutzung für die Gesellschaft aufgewertet werden.

"Im Wesentlichen stehen für von der Veralterung bedrohten Bürogebäude drei Handlungsoptionen zur Verfügung: Eine Aufwertung durch Modernisierung, eine Revitalisierung durch umfangreiche Sanierung oder eine Umnutzung der Flächen", gibt Colliers-CEO Leube einen Ausblick. Nur als letzter Ausweg dienten Abriss und Neubau – eine Option, die wegen der negativen CO2-Bilanz zunehmend unpopulär ist. Selbst beim Neubau eines Netto-Null-Gebäudes kann es Jahrzehnte dauern, bis positive Effekte verzeichnet werden.“

Report "Obsoleszenzrisiken als Herausforderung für den Büroimmobilienmarkt" (Download)


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Schlagworte zum Thema:  Sanierung, Investment, Büroimmobilie