Für Kennzahlen werden Definitionen festgelegt

Kennzahlen sollen komplexe Sachverhalte möglichst vereinfacht darstellen. Die Regeln dazu, die Ursprungsdaten und die Berechnungsvorschriften, werden in Definitionen festgelegt. Dabei hat der Controller bestimmte Spielräume, die er aber wohlbedacht nutzen sollte.

Einige der Definitionen sind allgemein bekannt, andere werden individuell für die spezielle Situation bestimmt. Die Anwendung von Tricks bei der Berechnung von Kennzahlen wird allgemein eher bei individuellen Kennzahlen vermutet. Da diese jedoch vielen Informationsempfängern nicht bekannt sind, müssen Fragen nach der Definition beantwortet werden. Spielraum für Manipulationen bleibt dort also nur begrenzt. Bei bekannten Kennzahlen bestehen genauso gute Interpretationsmöglichkeit wie bei allen anderen Werten auch.

Raum für Gestaltung durch Controller 

Allein schon die Frage der Dimensionen lässt Raum für Gestaltung durch den Controller. Bildet die Kennzahl "Umsatz pro Jahr" den Brutto- oder den Nettoumsatz ab? Werden die Fertigungszeiten pro Auftrag mit oder ohne Reinigungszeiten berechnet? Solche unbeantworteten Fragen lassen dem Controller Spielraum, um die Ergebnisse seiner Kennzahlenberechnung zu steuern.

Nimmt man beispielsweise die Berechnung der Ausschussquote für ein Gesamtwerk. Sie errechnet sich hier aus den Gesamt- und Gutleistungen der drei Abteilungen.

Ausschuss Werk II



Abteilung
Fräsen
Bohren
Montage

Gesamtleistung

68.140

63.580

59.120

Gutleistung

63.580

59.120

58.920

Ausschuss

6,7 %

7,0 %

0,3 %

Die Berechnung erfolgt nach folgender aus der Definition abgeleiteten Formel:

Ausschussquote Gesamt = (Gesamtleistung Fräsen + Gesamtleistung Bohren + Gesamtleistung Montage) / (Gutleistung Fräsen + Gutleistung  Bohren + Gutleistung  Montage)

Das Ergebnis gibt einen guten Eindruck über die technische Leistung in allen Bereichen des Werks II. Für eine Artikelkalkulation in der Kostenrechnung ist diese Definition wenig hilfreich. Denn wenn von einer Reihenfolge Fräsen – Bohren – Montieren ausgegangen wird, zeigen die Daten, dass die ursprüngliche Menge von 68.140 Stück zu einer Gutmenge von 58.920 Stück wird. Das ist ein Ausschuss von 13,5 %.

Die Berechnung folgt in diesem Fall einer anderen Definition:

Ausschussquote Gesamt = Gesamtleistung Fräsen / Gutleistung Montage

Beide Definitionen sind korrekt und haben ihre Berechtigung. Die erste Formel gibt einen Hinweis auf die Ausschussquote einzelner technischer Anlagen im Unternehmen, bildet also einen Durchschnitt über die Bereiche ab. Die zweite, höhere Quote, gibt den tatsächlichen wirtschaftlichen Verlust über die gesamte Fertigungskette an.

Definitionen vertauschen: Hinweise geben 

Der Controller kann also beide Kennzahlen verwenden. Der Trick der verschiedenen Definitionen ist nur dann unzulässig, wenn die Definitionen ohne Hinweise vertauscht werden, wenn je nach Ergebnis eine der beiden Zahlen verwendet wird oder wenn trotz besseren Wissens des Controllers die falsche Kennzahl für die jeweilige Aufgabe an einen Empfänger gegeben wird.

Ergebnisse vorbereiten 

Kennzahlen sind immer von mehreren Parametern abhängig. Verändern sich die grundlegenden Daten, verändert sich auch die Kennzahl. Wer diese Zusammenhänge kennt, kann die Ergebnisse der Rechnung bestimmen. Da der Controller die Definition einer Kennzahl auf jeden Fall kennt, weiß er auch, welche Stellschrauben zu einer Veränderung, möglichst zu einer Verbesserung des Werts führen.

Mit diesem Wissen kann der Controller die Ergebnisse seiner Berechnungen beeinflussen, indem er Einfluss auf die Entwicklung der Parameter der Kennzahl nimmt. Das geht selbstverständlich nur, wenn der zu berücksichtigende Zeitraum noch nicht abgelaufen ist.

Beispiel: Eigenkapitalquote verbessern 

Die Eigenkapitalquote ist eine wichtige Kennzahl, die aus der Bilanz des Unternehmens errechnet wird. Dabei wird die Höhe des Eigenkapitals ins Verhältnis zur Bilanzsumme gesetzt. Je höher diese Quote ist, desto besser fällt die Beurteilung der finanziellen Lage des Unternehmens aus. Dazu gibt es für den Controller Einflussmöglichkeiten.

So kann das Eigenkapital in der Bilanz verbessert werden, wenn eine Ausschüttung von Gewinnen erst nach dem Bilanzstichtag erfolgt oder Gesellschafterdarlehen erst nach dem Stichtag zurückgezahlt werden. Die Bilanzsumme kann reduziert werden, indem Verbindlichkeiten vor dem Bilanzstichtag mit vorhandenen flüssigen Mitteln beglichen werden. Diesen Effekt haben die Rückzahlung eines Darlehns vor dem Stichtag oder die Bezahlung von Lieferantenrechnungen. Erfolgt die Bezahlung mit Geld vom Konto, vermindert sich auf der Aktivseite das Bankguthaben, auf der Passivseite sinken die Verbindlichkeiten.

Ziele erreichen 

Ein Verhalten zur bewussten Veränderung von Kennzahlen ist erwünscht, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen die Aktivitäten lediglich auf das Ergebnis der Kennzahlberechnung abzielen, nicht aber auf das Unternehmenswohl. Verantwortliche, die für die Erreichung der Ziele sorgen müssen, können dabei Parameter bewusst so verändern, dass die Kennzahl die gewünschte Entwicklung nimmt. Dass das eigentliche Ziel, der Vorteil für das Unternehmen, nicht erreicht wird, ist dabei nebensächlich.

Beispiele für negatives Handeln

Das Erfassen eines großen Auftrags im System kurz vor Quartalsende sorgt für einen hohen Auftragsbestand. Der Auftrag ist allerdings noch nicht verbindlich erteilt. Es besteht also die Gefahr, dass sich der Kunde noch anders entscheidet. Die Kennzahl „Auftragsbestand” wird positiver dargestellt, als sie tatsächlich ist.

Die Kennzahl "Working Capital" hat als reduzierenden Parameter die bestehenden Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung. Wird vor dem Termin der Kennzahlberechnung bewusst keine fällige Lieferantenrechnung bezahlt, wird die Kennzahl zu gut dargestellt. Gleichzeitig sind die Lieferanten verärgert, weil sie nicht vereinbarungsgemäß bezahlt werden. Oder es wird sogar auf das lukrative Skonto verzichtet.

In EuroMit SkontozahlungOhne Skontozahlung

Forderungen

1.200.000

1.200.000

Vorräte

1.320.000

1.320.000

Verbindlichkeiten

750.000

1.050.000

Working Capital

1.770.000

1.470.000

Umsatz

8.500.000

8.500.000

WC/Umsatz

20,8 %

17,3 %

Die Kennzahl "Working Capital" ergibt bei der üblichen Zahlung unter Ausnutzung von Skonto einen Wert von 1.770.000 Euro. Das sind 20,8 % des Umsatzes und das Working Capital liegt damit über dem Zielwert von maximal 20 %. Werden in den letzten 3 Wochen vor dem Stichtag zur Berechnung des Working Capital Skontovereinbarungen nicht mehr ausgenutzt, sondern wird das Nettoziel angenommen, dann steigen die Verbindlichkeiten auf über eine Million Euro.

Damit wird der Wert "Working Capital / Umsatz" mit 17.3 % unter die Grenze von 20 % gedrückt. Das Unternehmen verliert dabei aber 9.000 Euro an Skontoertrag. Ziel war es, das Working Capital zu reduzieren, ohne auf Skonto zu verzichten.

Operative Verantwortliche muss Parameter vorbereiten 

Diese Vorbereitung der Parameter auf die Berechnung der Kennzahl kann nur der operativ Verantwortliche für den betroffenen Bereich durchführen. Der Controller kann dies jedoch unterstützen. Er kann auf die aktuelle Situation hinweisen, vorläufige Werte errechnen und die entsprechende Information an die Fachabteilung weitergeben. Dieser Trick ist besonders elegant, weil der Controller selbst nicht aktiv wird.

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