Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerung einer Berufsunfähigkeitsrente

 

Leitsatz (NV)

Im Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes ab dem Jahr 2005 geleistete Leibrenten aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente sind nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu besteuern. Diese Zahlungen sind nicht deshalb steuerfrei, weil die Versicherung wegen der Berufsunfähigkeit als Bestandteil einer vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung mit einer Mindestlaufzeit von zwölf Jahren abgeschlossen worden ist.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2b, § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 19.11.2010; Aktenzeichen 14 K 1631/09 E)

 

Gründe

Rz. 1

Streitig ist die Besteuerung einer Rente aus einer privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Rz. 2

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) in ihrer Beschwerdebegründung geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor.

Rz. 3

Die von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Diese Fragen sind offensichtlich so zu beantworten, wie es das Finanzgericht getan hat. Daher bedarf es auch nicht der Zulassung aus Gründen der Rechtsfortbildung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28 und 41, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

Rz. 4

Im Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes ab dem Jahr 2005 geleistete Leibrenten aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente sind nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung mit dem Ertragsanteil zu besteuern. Diese Zahlungen sind nicht deshalb steuerfrei, weil die Versicherung wegen der Berufsunfähigkeit als Bestandteil einer vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung mit einer Mindestlaufzeit von zwölf Jahren abgeschlossen worden ist.

Rz. 5

a) § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG erfasst Leibrentenzahlungen, die nicht von Doppelbuchst. aa der genannten Vorschrift erfasst werden. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG betrifft nur Leistungen der sog. Basisversorgung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 13. April 2011 X R 54/09, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1414). Hierzu gehören zwar auch Leibrenten und andere Leistungen, die aus Rentenversicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erbracht werden.

Rz. 6

Nicht hierunter fallen aber vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossene Kapitallebensversicherungen und im Zusammenhang damit abgeschlossene Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen. Denn § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG bezieht sich nur auf nach dem 1. Januar 2005 abgeschlossene Neuverträge (vgl. BTDrucks 15/2150, S. 41; vgl. auch § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Jahr 2005 geltenden Fassung). Für die Anwendbarkeit von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG ist es zudem ohne Bedeutung, ob sich vor dem Jahr 2005 geleistete Lebens- oder Rentenversicherungsbeiträge im Rahmen des jeweils geltenden Sonderausgabenabzugs steuermindernd ausgewirkt haben (Senatsurteil in DStR 2011, 1414).

Rz. 7

b) Ergänzend weist der beschließende Senat darauf hin, dass auch nach der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage Beiträge zu einer Absicherung des Eintritts der Berufsunfähigkeit nicht stets im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG begünstigt sind. Von dieser Vorschrift werden nur Beiträge zu solchen Versicherungen erfasst, die den Versicherungsschutz zum Aufbau einer eigenen kapitalgedeckten Altersversorgung im Sinne dieser Vorschrift ergänzen. Auch dürfen nach Satz 1 letzter Halbsatz dieser Vorschrift alle aus dem Vertrag bestehenden Ansprüche nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein und es darf darüber hinaus kein Anspruch auf Auszahlung bestehen. Es ist demgemäß auch nach der ab dem Jahr 2005 geltenden Rechtslage nicht entscheidend, dass, wie die Kläger meinen, die zuletzt genannten Voraussetzungen isoliert bezogen auf die Berufsunfähigkeitsrente deshalb erfüllt seien, "weil Ansprüche aus einer solchen Versicherung faktisch nicht an Dritte übertragbar seien".

Rz. 8

c) Die Besteuerung der Erträge aus einer nicht von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG erfassten Berufsunfähigkeitsrente im Rahmen von Doppelbuchst. bb der vorstehend genannten Vorschrift i.V.m. § 55 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ist im Vergleich zu dem Rechtszustand, der bis zum Jahr 2004 galt, nicht nachteilig. Das von den Klägern angesprochene Problem der Beeinträchtigung des schutzwürdigen Vertrauens in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage stellt sich daher nicht.

Rz. 9

aa) Entgegen der Auffassung der Kläger waren auch in der Zeit bis zum 31. Dezember 2004 erlangte Zahlungen aus einer Berufsunfähigkeitsrente, die im Zusammenhang mit einer Kapitallebensversicherung mit einer Mindestlaufzeit von zwölf Jahren abgeschlossen wurde, nicht steuerfrei. Gegenteiliges lässt sich nicht aus der ab dem Jahr 2005 geltenden Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG und einem Vergleich der bis dahin geltenden Regelungen herleiten.

Rz. 10

Durch diese Vorschrift werden zwar seit 2005 Erträge aus Kapitallebensversicherungen nur aus nach dem Jahresende 2004 abgeschlossenen Verträgen erfasst. Diese Vorschrift will für ab 2005 abgeschlossene Verträge die nach bisherigem Recht geltende Steuerfreiheit der Zinsen beseitigen. Denn nach bisherigem Recht gehörten außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht, Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistungen mit Sparanteil i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn die Zinsen mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren ausgezahlt wurden (BTDrucks 15/2150, S. 39).

Rz. 11

bb) Zahlungen aus einer ergänzend abgeschlossenen privaten Berufsunfähigkeitsrente waren bereits nach dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Recht mit dem Ertragsanteil der Besteuerung zu unterwerfen. In dem Urteil vom 9. Februar 2005 X R 11/02 (BFH/NV 2005, 1053), ist der Senat davon ausgegangen, dass eine private Berufsunfähigkeitsrente als abgekürzte Leibrente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG in der für die damaligen Streitjahre (1991, 1992, 1995) geltenden Fassung mit dem Ertragsanteil zu besteuern ist. Zwar war, wie die Kläger einwenden, im Unterschied zu dem vorliegenden Streitfall die 12-jährige Laufzeit der Hauptversicherung (der Kapital-Lebensversicherung) noch nicht abgelaufen. Für die hier interessierende Frage aber, ob die Zahlungen dem Grunde nach Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG oder Leibrenten nach § 22 Nr. 1 EStG waren, spielt dies keine Rolle. Der Ablauf der 12-Jahres-Frist wäre erst dann von Interesse und zu erörtern gewesen, wenn die Berufsunfähigkeitsrente dem Grunde nach unter § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu fassen gewesen wäre.

Rz. 12

Der Besteuerung mit dem Ertragsanteil stand nicht entgegen, dass für die Berufsunfähigkeitsversicherung als Risikoversicherung keine Sparanteile geleistet werden. Der Ertragsanteil setzt keine (verzinslichen) Sparanteile voraus, da der Ertrag einer Rente nicht nur aus Zinsen besteht. Er ergab und ergibt sich vielmehr aus der Modellvorstellung des Gesetzes, dass das im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit infolge des Eintritts des Versicherungsfalls anzusetzende (abgezinste) Barkapital auf die voraussichtliche Laufzeit der Berufsunfähigkeitsversicherung zu verteilen ist. Die Steuerbarkeit einer privaten Rente setzte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG in der für die damaligen Streitjahre geltenden Fassung ebenso wie nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG in der für das Streitjahr des vorliegenden Falles geltenden Fassung voraus, dass in den Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten sind. Der Ertrag wurde in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 2 EStG damaliger Fassung bzw. wird in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 3 EStG i.d.F. des Streitjahres als Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag und dem Kapitalwert der Rente legal definiert bzw. fingiert und der Höhe nach mit den jeweiligen Ertragsanteilstabellen typisiert. Insoweit ist mit dem Senatsurteil in BFH/NV 2005, 1053 bereits entschieden, dass auch eine aus einer reinen Risikoversicherung fließende Rente einen Ertragsanteil aufweist.

Rz. 13

cc) Diese bis zum 31. Dezember 2004 geltende Ertragsanteilsbesteuerung gilt für Leibrenten, die ab dem Veranlagungszeitraum 2005 von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG erfasst werden, im Wesentlichen unverändert fort. Allerdings ist die ab dem Jahr 2005 geltende Rechtslage insoweit günstiger, als das neue Recht im Vergleich zum bisherigen Recht niedrigere Ertragsanteile der Besteuerung unterwirft (vgl. BTDrucks 15/2150, S. 42).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2812960

BFH/NV 2012, 31

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