(BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18) •

1. Der Begriff der Rechtsdienstleistung in Gestalt der Inkassodienstleistung (Forderungseinziehung) gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RDG, die ein im Rechtsdienstleistungsregister eingetragener Inkassodienstleister nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG erbringen darf, ist unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) – in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – verfolgten Zielsetzung einer grundlegenden, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichteten, die Entwicklung neuer Berufsbilder erlaubenden Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen nicht in einem zu engen Sinne zu verstehen. Vielmehr ist – innerhalb des mit diesem Gesetz verfolgten Schutzzwecks, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 S. 2 RDG) – eine eher großzügige Betrachtung geboten (im Anschluss an BVerfG, Beschl. v. 20.2.2002 – 1 BvR 423/99, NJW 2002, 1190 und BVerfG, Beschl. v. 14.8.2004 – 1 BvR 725/03, NJW-RR 2004, 1570 [jeweils zum RBerG]).

2. Für die auf dieser Grundlage vorzunehmende Beurteilung, ob sich die Tätigkeit eines registrierten Inkassodienstleisters innerhalb seiner Inkassodienstleistungsbefugnis gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG hält, lassen sich keine allgemeingültigen Maßstäbe aufstellen. Erforderlich ist vielmehr stets eine am Schutzzweck des RDG orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen. Dabei sind die Wertentscheidungen des Grundgesetzes in Gestalt der Grundrechte der Beteiligten sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen und ist den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen (im Anschluss an BVerfG, Beschl. v. 15.1.2004 – 1 BvR 1807/98, NJW 2004, 672; BVerfG, Beschl. v. 20.2.2002 – 1 BvR 423/99, NJW 2002, 1190, 1191 f.; BVerfG, Beschl. v.14.8.2004 – 1 BvR 725/03, NJW-RR 2004, 1570 und BVerfG, Beschl. v. 29.10.1997 – 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12, 32 [jeweils zum RBerG]).

3. Überschreitet hiernach ein registrierter Inkassodienstleister seine Inkassodienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG, kann darin ein Verstoß gegen § 3 RDG liegen. Ein solcher Verstoß hat, wenn die Überschreitung bei einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände aus der objektivierten Sicht eines verständigen Auftraggebers des Inkassodienstleisters zum einen eindeutig vorliegt und zum anderen unter Berücksichtigung der Zielsetzung des RDG in ihrem Ausmaß als nicht nur geringfügig anzusehen ist, die Nichtigkeit nach § 134 BGB der zwischen dem Inkassodienstleister und dessen Auftraggeber getroffenen Inkassovereinbarung einschließlich einer in diesem Zusammenhang erfolgten Forderungsabtretung zur Folge (Anschluss an und Fortführung von BGH, Urt. v. 30.10.2012 – XI ZR 324/11, NJW 2013, 59 Rn 34 ff.; v. 11.12.2013 – IV ZR 46/13, NJW 2014, 847 Rn 31; v. 21.10.2014 – VI ZR 507/13, NJW 2015, 397 Rn 5; v. 11.1.2017 – IV ZR 340/13, VersR 2017, 277 Rn 34 und v. 21.3.2018 – VIII ZR 17/17, NJW 2018, 2254 Rn 18; BVerfG, Beschl. v. 20.2.2002 – 1 BvR 423/99, NJW 2002, 1190, 1192).

4. Von einer Nichtigkeit nach § 134 BGB ist danach insb. dann regelmäßig auszugehen, wenn der registrierte Inkassodienstleister Tätigkeiten vornimmt, die von vornherein nicht auf eine Forderungseinziehung i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 1 RDG, sondern etwa auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sind oder eine über den erforderlichen Zusammenhang mit der Forderungseinziehung hinausgehende Rechtsberatung zum Gegenstand haben oder wenn das "Geschäftsmodell" des Inkassodienstleisters zu einer Kollision mit den Interessen seines Auftraggebers führt.

5. Nach diesen Maßstäben ist es von der Inkassodienstleistungsbefugnis eines nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG registrierten Inkassodienstleisters (noch) gedeckt, wenn dieser auf seiner Internetseite einen "Mietpreisrechner" zur – zunächst unentgeltlichen – Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete zur Verfügung stellt und im Anschluss hieran dem Mieter die Möglichkeit gibt, ihn durch Anklicken eines Buttons mit der außergerichtlichen Durchsetzung von – näher bezeichneten – Forderungen und etwaigen Feststellungsbegehren gegen den Vermieter im Zusammenhang mit der "Mietpreisbremse" – unter Vereinbarung eines Erfolgshonorars in Höhe eines Drittels der jährlichen Mietersparnis (vier Monate) sowie einer Freihaltung des Mieters von sämtlichen Kosten – zu beauftragen und in diesem Zusammenhang die genannten Ansprüche zum Zweck der Durchsetzung treuhänderisch an den Inkassodienstleister abzutreten, der im Falle einer Erfolglosigkeit der eigenen außergerichtlichen Rechtsdienstleistungstätigkeit einen Vertragsanwalt mit der anwaltlichen und ggf. auch gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche beauftragen kann, zum Abschluss eines Vergleichs jedoch grds. nur mit Zustimmung des Mieters befugt ist.

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