Ein Taubenliebhaber hat es in der Stadt nicht leicht. Denn wenn er etwa auf seinem Balkon ständig verwilderte Stadttauben füttert, kann er Ärger mit den Nachbarn bekommen, die sich durch das laute Gurren und den knatternden Flügelschlag der Tauben in ihrem Ruhebedürfnis gestört fühlen. Mit der Nachbarklage können sie ihm das Taubenfüttern gerichtlich verbieten lassen.[1] Dafür ist nachzuweisen, dass die Haltung der Tiere eine wesentliche Beeinträchtigung zur Folge hat.

Wesentliche Beeinträchtigung

 
Praxis-Beispiel

Taubenverhalten als wesentliche Beeinträchtigung

  • Als wesentliche Beeinträchtigung wird das Gurren von Tauben ab 6.00 Uhr morgens angesehen.[2]
  • Anders sieht dies das OLG Celle[3]: Das Flügelklatschen, Gurren und Scharren der Tauben in den Dachrinnen im ländlichen Bereich ist als unwesentlich hinzunehmen. Nicht jedoch Verunreinigungen durch Taubenkot beim Überfliegen von Grundstücken.

Ortsüblichkeit

Trotz Vorliegens einer wesentlichen Beeinträchtigung kann die Taubenhaltung im Einzelfall aber zulässig sein. Das ist dann der Fall, wenn die Haltung der Tauben ortsüblich ist (§ 906 Abs. 2 BGB).

 
Hinweis

Ortsüblichkeit der Taubenhaltung

Die Beurteilung einer Störung als "ortsüblich" orientiert sich an einem Vergleich des störenden Grundstücks mit anderen Grundstücken des Bezirks. Dabei kommt es auf das tatsächliche Gepräge der Gegend als Industrie-, Gewerbe- oder Wohngebiet an. Nach einer strengen Ansicht[4] wurde im Zusammenhang mit einer Taubenplage festgehalten, dass Voraussetzung für die Ortsüblichkeit eine annähernd gleiche Beeinträchtigung aller Wohnungen im maßgeblichen Vergleichsbezirk sei. Sind nur große Wohnanlagen von der Taubenplage betroffen, fehlt es nach dieser Rechtsansicht an der Ortsüblichkeit. Es wird auf das Empfinden eines "normalen Durchschnittsmenschen" abgestellt, wobei Art- und Zweckbestimmung, insbesondere aber auch die planungsrechtliche Bewertung des Grundstücks eine Rolle spielen.[5]

 
Praxis-Beispiel

Taubenanzahl bestimmt Ortsüblichkeit

  • Die Haltung von rund 100 Flugtauben auf dem Nachbargrundstück wurde von Gerichten als ortsüblich angesehen, wenn 15 weitere Grundstückseigentümer Tauben züchten.[6]
  • Als ortsüblich angesehen wurden auch zwei mit Baugenehmigung errichtete Taubenschläge in einem Wohngebiet, das an eine landwirtschaftlich genutzte Fläche angrenzte. Gehalten wurden ca. 104 Tauben, davon 30 Zuchttauben (die keinen "Ausgang" hatten) und 43 Jungtiere.[7] Die Nachbarn beklagten sich über die Exkremente der Tiere. Der Aufenthalt im Garten ohne Schirm sei nicht möglich, ebenso wenig das Aufhängen von Wäsche. Ferner seien sie ständigem Lärm ausgesetzt. Nach Ansicht des Gerichts sind auch starke Beeinträchtigungen zu dulden, wenn sie ortsüblich sind. Die Tauben durften bleiben.
  • Das LG Paderborn[8] hat 160 Tauben nicht beanstandet. Während das LG Itzehoe etwas über 100 Tauben noch als ortsüblich ansieht, wenn auch andere Grundstückseigentümer Tauben halten.
  • Das Gurren von etwa 50 Tauben muss nicht hingenommen werden.[9]
  • Das LG München II[10] hat entschieden: "Liegt ein Grundstück im reinen Wohngebiet, kann ein Anwohner vom Eigentümer des ca. 50 m entfernten Grundstücks verlangen, dass dieser die Bepflanzung vor den Anflugöffnungen an seinem Taubenstall entfernt, damit die Tauben geradeaus ihren Verschlag verlassen, nicht mehr als 105 flugfähige Tauben auf dem Grundstück hält und diese Tauben nur in Gruppen zu höchstens 35 Stück und nicht länger als 1 Stunde je Gruppe fliegen gelassen werden."
  • Das VG Neustadt[11] hält im reinen Wohngebiet mehr als 60 Tauben nicht mehr für hinnehmbar.
  • Der VGH Baden-Württemberg[12] hat die Haltung von 35 Tauben im reinen Wohngebiet nicht mehr als ortsüblich bewertet.
  • Eine Baugenehmigung unter Auflagen für einen Taubenschlag mit 34 Tauben und 12 festsitzenden Zuchttauben in einem allgemeinen Wohngebiet ist zulässig.[13]
  • Das OLG Celle[14] ist der Meinung, dass 20 Tauben auch in ländlicher Gegend die Grenze bilden.

Taubenfütterung

Zusätzlich kann es Probleme mit städtischen Behörden geben. Diese mögen die "Ratten der Lüfte" aus seuchenhygienischen Gründen und wegen der Gebäudeschäden, die sie mit ihrem Kot anrichten, überhaupt nicht.

 
Praxis-Beispiel

Taubenfütterungsverbot

Viele Städte und Gemeinden haben Verordnungen mit einem Taubenfütterungsverbot erlassen. So ist es z. B. in München verboten, verwilderte Haustauben zu füttern. Ein solches Verbot ist nach der Rechtsprechung legal.[15]

[1] Vgl. LG Berlin, Urteil v. 16.3.1965, 55 S 359/64, MDR 1966, 146; OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.5.1966, 9 U 206/64, MDR 1968, 841
[2] OLG Stuttgart, Urteil v. 24.11.1965, 1 SS 496/65, ZMR 1993 S. 445.
[4] AG Hamburg, Urteil v. 6.1.1988, 40a C 2547/87, WuM 1988 S. 121.
[8] Urteil v...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge