Leitsatz

Die Eltern eines minderjährigen Kindes stritten um die Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung ihres gemeinsamen Sohnes, der bei der Kindesmutter lebte und für den der Vater Barunterhalt leistete.

Erstinstanzlich war der Vater zur Übernahme der vollen Behandlungskosten verurteilt worden. Die hiergegen von ihm eingelegte Berufung hatte in der Sache nur teilweise Erfolg, soweit er sich dagegen wehrte, mit den Behandlungskosten von mehr als 71,31 % belastet zu werden.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Im Ergebnis zutreffend habe das FamG dem Grunde nach die Verpflichtung des Beklagten ausgesprochen, sich an den kieferorthopädischen Behandlungen des Klägers zu beteiligen. Zu Recht habe es feststellend auch die Erstattungspflicht zukünftiger Behandlungskosten ausgesprochen. Allerdings ergebe sich eine solche Erstattungspflicht für Vergangenheit und Zukunft nur in Höhe eines Prozentsatzes von 71, 31 %.

Die ungedeckten Behandlungskosten könne der Kläger als Sonderbedarf i.S.d. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltend machen. Um Sonderbedarf handele es sich bei solchen Kosten, die überraschend und der Höhe nach nicht abschätzbar aufträten. Unregelmäßig i.S.v. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB sei demnach der Bedarf, der nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen sei und deswegen bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden könne. Wann ein in diesem Sinne unregelmäßiger Bedarf zugleich außergewöhnlich hoch sei, lasse sich hingegen nicht nach allgemeinen gültigen Maßstäben festlegen. Vielmehr komme es insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Höhe der laufenden Unterhaltsrente und die sonstigen Einkünfte des Berechtigten, auf den Lebenszuschnitt der Beteiligten sowie auf den Anlass und den Umfang der besonderen Aufwendungen.

Dem Kläger könne im vorliegenden Fall nicht zugemutet werden, seinen Sonderbedarf selbst zu tragen, da die insoweit beide quotenmäßig barunterhaltspflichtigen Eltern durchaus als leistungsfähig anzusehen seien. Bei dem Beklagten sei von einem bereinigten Nettoeinkommen von ca. 3.800,00 EUR auszugehen, der Kindesmutter sei ein Einkommen von ca. 2.000,00 EUR zuzurechnen.

Der Beklagte könne dem geltend gemachten Sonderbedarf auch nicht entgegenhalten, dass die angefallenen und noch anfallenden Behandlungskosten nicht erforderlich seien. Zutreffend habe das FamG aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme festgestellt, dass die kieferorthopädische Behandlung keine reine Schönheitsbehandlung sei. So habe der von dem erstinstanzlichen Gericht beauftragte Sachverständige aufgrund der Krankenunterlagen, insbesondere des Heil- und Kostenplanes, festgestellt, dass die kieferorthopädische Behandlung als medizinisch sinnvoll einzustufen sei.

Unter dieser Prämisse könne nicht lediglich eine Maßnahme zur Beseitigung kleinerer kosmetischer Unschönheiten angenommen werden.

Die durch die kieferorthopädische Behandlung entstehenden Kosten seien auch unerwartet, da sie sich so kurzfristig abgezeichnet hätten, dass aus dem laufenden Unterhalt keine ausreichenden Rücklagen mehr hätten gebildet werden können. Das OLG ging von einer grundsätzlichen Verpflichtung des Beklagten zur Kostenübernahme aus und errechnete eine Haftungsquote von 71,31 %. Zur Ermittlung des konkreten Anspruchs setze man die für die Quotenberechnung zu berücksichtigende gesamte Vermögensmasse ins Verhältnis zu den jeweils um den angemessenen Selbstbehalt verminderten bereinigten Nettoeinkommen der Kindeseltern. Hieraus ergebe sich für den Beklagten die errechnete Quote von 71,31 %.

 

Link zur Entscheidung

OLG Köln, Urteil vom 15.06.2010, 4 UF 19/10

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