Rz. 11

Neben der Arbeitnehmereigenschaft wird die Einordnung von Plattformarbeitern (insbes. Crowd-workern) als arbeitnehmerähnliche Person diskutiert. Im Verhältnis zur Plattform wird diese aber bei reiner Vermittlung und damit verbundener Verschaffung einer Verdienstmöglichkeit abgelehnt (s.o.). Für die notwendige wirtschaftliche Abhängigkeit von einem der Auftraggeber wäre es erforderlich, dass das jeweils bezogene Einkommen einen entscheidenden Anteil (mehr als 50 %) des Einkommens des Plattformarbeiters bildet. In der Praxis sind Crowdworker und auch andere Plattformarbeiter aber regelmäßig für eine Vielzahl von Auftraggebern tätig, sodass die Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person beim Direct Crowdwork (Auftragsverhältnis zum Crowdsourcer) regelmäßig abzulehnen sein wird (Krause, DJT 2016, B 105; Däubler/Klebe, NZA 2015, 1032, 1036). Beim Indirect Crowdwork kommt hingegen eine wirtschaftliche Abhängigkeit im Verhältnis zum Plattformbetreiber in Betracht. Die Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person scheidet bisher für solche Erwerbstätigen aus, die, wie nach bisherigen Umfragen noch überwiegend der Fall, Crowdwork nur nebenberuflich und als Zuverdienst zu ihrer eigentlichen Arbeit oder als Freizeitaktivität betreiben (hierzu auch Henssler/Roth/Pickenhahn/Rehm/Wewetzer, Gutachten Landtag NRW, S. 59, zur wachsenden Anzahl hauptberuflicher Crowdworker; Leimeister/Durward/Zogaj, Crowdworker in Deutschland, 2016, S. 48).

 

Rz. 12

Auch eine pauschale Einordnung von Crowdworkern als Heimarbeiter verbietet sich. Heimarbeiter gem. § 2 Abs. 1 S. 1 HAG ist, wer im Auftrag eines Dritten von zu Hause arbeitet, und das Ergebnis dem Auftraggeber überlässt. Der 9. Senat des BAG hat in einer Entscheidung zum Arbeitnehmerstatus eines IT-Programmierers 2019 die Arbeitnehmereigenschaft abgelehnt, ihm aber den Schutz des HAG zugesprochen (BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453), da auch höherqualifizierte Tätigkeiten unter die Heimarbeit fallen könnten. Die Entscheidung hat einen Streit darüber ausgelöst, ob Crowdworker, die von zu Hause bzw. selbst gewählter Betriebsstätte arbeiten, nunmehr generell als Heimarbeiter unter das HAG fallen. Der 9. Senat des BAG setzt – entgegen bisheriger herrschender Ansicht (3. Senat des BAG v. 3.4.1990 – 3 AZR 258/88, NZA 1991, 267; Krause, DJT 2016, B 105) – für die Qualifizierung als Heimarbeiter keine besondere Schutzbedürftigkeit voraus und öffnet damit der Diskussion um ein "Comeback" des HAG Tür und Tor (tendenziell offen für eine Einbeziehung bereits de lege lata Preis, SR 2017, 173; Preis/Brose, Forschungsbericht Nr. 490 für das BMAS, Juli 2017, S. 54 ff; a.A. Wisskirchen/Schwindling, ZESAR 2017, 318, 325 f.). Die Einordnung als Heimarbeiter würde anders als die Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person eine vollständige Einbeziehung des Personenkreises in die Versicherungspflicht aller Sozialversicherungszweige bedeuten. Zudem werden Heimarbeiter in den Schutz des BetrVG einbezogen. Beide Gruppen werden im Übrigen durch das AGG, MuSchG, PflZG und FPflZG geschützt. Auch im Tarifrecht ist der Schutz grds. gleich stark. Zwar erklärt § 12a TVG die Vorschriften des Tarifrechts nur auf arbeitnehmerähnliche Personen für anwendbar. Als Tarifverträge gelten nach § 17 HAG jedoch auch schriftliche Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften einerseits und Auftraggebern oder deren Vereinigungen andererseits über Inhalt, Abschluss oder Beendigung von Vertragsverhältnissen der in Heimarbeit Beschäftigten oder Gleichgestellten mit ihren Auftraggebern (zum Schutzumfang und Bedarf einer Neujustierung des Schutzkonzepts für "arbeitnehmerähnliche Selbstständige" Henssler/Roth/Pickenhahn/Rehm/Wewetzer, 2019, S. 83).

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