Die rechtzeitige Erteilung eines schriftlichen Nachweises ist eine (gesetzliche) Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen den Arbeitgeber.[1] Der Anspruch ist auf Ersatz des sich aus der Nichterteilung des Nachweises ergebenden Schadens gerichtet. Nach umstrittener Rechtsprechung des BAG ist das NachwG kein Schutzgesetz zugunsten des Arbeitnehmers,[2] sodass der Schadensersatzanspruch nicht zusätzlich auf eine Verletzung des § 823 Abs. 2 BGB gestützt werden kann.

Ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers besteht nicht nur, wenn der Arbeitgeber überhaupt keinen Nachweis ausstellt, sondern auch dann, wenn dieser lediglich unvollständig oder fehlerhaft ist und hierdurch beim Arbeitnehmer ein Vermögensschaden verursacht wird.[3]

Allerdings bereitet es in der Praxis dem Arbeitnehmer regelmäßig Schwierigkeiten, den sich aus der fehlenden Unterrichtung über die wesentlichen Vertragsbedingungen ergebenden Schaden konkret nachzuweisen. Daher ist der Schadensersatzanspruch im Wesentlichen nur dann von Bedeutung, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers wegen einer bestehenden Ausschluss- oder Verjährungsfrist nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist und daher der ursprüngliche Anspruch nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden kann.[4]

Das BAG unterstellt dabei zugunsten des Arbeitnehmers, dass dieser bei ordnungsgemäßem Nachweis seine Forderung rechtzeitig erhoben hätte. Es geht hierbei von dem Rechtsgrundsatz des aufklärungsgemäßen Verhaltens aus.[5] Danach ist davon auszugehen, dass jedermann bei ausreichender Information seine Interessen in vernünftiger Weise wahrt.[6] Dementsprechend entfällt der Schadensersatzanspruch, wenn der Arbeitgeber zwar den Nachweis unterlassen oder fehlerhaft ausgestellt hat, der Arbeitnehmer aber auf andere Weise von der Ausschlussfrist Kenntnis hatte; hier fehlt es an der Kausalität der Pflichtverletzung des Arbeitgebers für den Schadenseintritt beim Arbeitnehmer. Etwaige Fehler des Rechtsanwalts des Arbeitnehmers bei der Einhaltung der Ausschlussfrist gehen aber zu seinen Lasten.[7] Das LAG Hessen hat sogar die Auffassung vertreten, dass der Grundsatz des aufklärungsgemäßen Verhaltens selbst dann eingreife, wenn die einzelvertragliche Ausschlussfrist unwirksam sei. Wenn in einer solchen Situation nicht auf den eine identische Klausel enthaltenden Tarifvertrag hingewiesen werde, bestehe gleichwohl ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Arbeitnehmer sich einerseits der Unwirksamkeit der einzelvertraglichen Ausschlussfrist bewusst sei und andererseits bei Kenntnis der Geltung des Tarifvertrags rechtzeitig gehandelt hätte.[8] Obwohl die mit dieser Entscheidung verbundene Unterstellung, dem Arbeitnehmer sei die Unwirksamkeit der einzelvertraglichen Ausschlussfrist bewusst, oft realitätsfremd ist, ist die Entscheidung in sich folgerichtig und verdeutlicht zumindest die Gefahren, die mit einem nicht ordnungsgemäßen Hinweis auf tarifliche Regelungen verbunden sein können.

Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber die tatsächliche Vermutung des aufklärungsgemäßen Verhaltens widerlegen kann.[9] Allerdings dürfte dies in der Praxis kaum gelingen, wenn – nach dem LAG Hessen[10] – sich der Arbeitgeber nicht einmal darauf berufen kann, der Arbeitnehmer habe schließlich auch die gleichlautende arbeitsvertragliche Ausschlussfrist nicht gewahrt.

 
Hinweis

Prozessuale Darlegung

Der Grundsatz des aufklärungsgemäßen Verhaltens ersetzt nicht eine entsprechende prozessuale Darlegung. Das Gericht darf nicht ohne entsprechenden Sachvortrag davon ausgehen, der Arbeitgeber habe sich schadensersatzpflichtig gemacht. So muss der Arbeitnehmer, wenn er sich auf einen entsprechenden Schadensersatzanspruch beruft, darlegen, dass er nicht auf den Tarifvertrag hingewiesen wurde, dass er die tarifliche Ausschlussfrist nicht kannte und dass er bei entsprechender Kenntnis die Ausschlussfrist gewahrt hätte.[11] Der Grundsatz aufklärungsgemäßen Verhaltens führt somit nicht zu einer Darlegungs-, sondern nur zu einer Beweiserleichterung hinsichtlich der erforderlichen Kausalität (Ursächlichkeit).

Für Praktikanten im Sinne des § 1 Satz 2 NachwG ist zu beachten, dass die vorstehenden Überlegungen nur gelten können, soweit der Vergütungsanspruch im Rahmen des Praktikums den Mindestlohnanspruch übersteigt. Nur dann kann nämlich ein Anspruch überhaupt verfallen und gleichzeitig den Anwendungsbereich von Schadensersatzansprüchen eröffnen. Einem Verfall des Mindestlohnanspruchs steht nämlich § 3 Abs. 1 MiLoG entgegen. Sieht allerdings die Ausschlussfrist keine Differenzierung nach Mindestlohnansprüchen und den Mindestlohn übersteigenden Entgeltansprüchen vor, ist die Ausschlussfrist nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.[12]

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