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BGH Beschluss vom 15.01.2002 - 4 StR 499/01

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Entscheidungsstichwort (Thema)

schwerer Bandendiebstahl

 

Leitsatz (amtlich)

Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (im Anschluß an BGHSt – GS – 46, 321).

 

Normenkette

StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe

 

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. Juli 2001 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen vielfachen schweren Bandendiebstahls unter Einbeziehung einer durch ein früheres Urteil wegen Raubes rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Rechtsfolgenausspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls „als Mitglied einer Bande” nach § 244 a Abs. 1 i.V.m. § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB.

Zu dem den Bandendelikten zugrundeliegenden Tatplan hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte T. plante …, nach Deutschland zu fahren, …, dort Fahrzeuge für den ‚Eigengebrauch’ zu entwenden, in Wohnungen einzubrechen, die Beute im wesentlichen nach Rumänien zu schicken und sie dort gewinnbringend zu verkaufen. Er wollte jedoch die geplanten Diebestouren nicht allein unternehmen. Er vereinbarte deshalb in Alba lulia mit dem gesondert verfolgten Romeo A. …, daß (dieser) mit nach Deutschland fährt und mit ihm gemeinsam Einbrüche und Autodiebstähle begeht, wobei A., dem er ein festes Entgelt in Höhe von 1.500,–DM im Monat versprach, vor allem die Aufgabe zukommen sollte, ‚Schmiere’ zu stehen.

Mit der Angeklagten B. vereinbarte der Angeklagte T., daß diese mit Hilfe ihrer Deutschkenntnisse und ihres legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland die Unterkunft für T. und A. besorgen, lohnende Einbruchsgegenden ausfindig machen und die beiden Männer erforderlichenfalls per Mobiltelefon zu den Tatobjekten und zurück leiten sollte. Außerdem sollte sie helfen, die jeweilige Tatbeute im Hotelzimmer zu sortieren, zu verpacken und – unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift als Absender – nach Rumänien … zu versenden.

… Der Angeklagte T., die Angeklagte B. und A. … waren sich einig darüber, daß vom Erlös der Diebesbeute vorab die Kosten für die Unterkunft in den Hotels, für den Lebensunterhalt, für Kleidung und ähnliches in Deutschland bestritten werden sollte”.

In Ausführung dieses Plans kam es zu zahlreichen Diebstahlstaten, an deren unmittelbarer Tatausführung jeweils nur der Beschwerdeführer und der gesondert verfolgte A. „als Mittäter …, § 25 Abs. 2 StGB, des schweren Bandendiebstahls” beteiligt waren. Die frühere Mitangeklagte B., die keine Revision eingelegt hat, hat das Landgericht in den sie betreffenden Fällen jeweils lediglich wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl verurteilt.

2. Das Landgericht nimmt zu Recht das Vorliegen einer Bande im Sinne des § 244 a Abs. 1 i.V.m. § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB an. Hierfür ist nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001 – GSSt 1/00 – (NJW 2001, 2266, zum Abdruck in BGHSt 46, 321 bestimmt, m.krit.Bspr. Erb NStZ 2001, 561) der Zusammenschluß von mindestens drei Personen erforderlich, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten der im Gesetz genannten Art zu begehen.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Soweit nach den vom Landgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich aufgrund der Bandenabrede der Beitrag der Mitangeklagten B. innerhalb der kriminellen Betätigung der Gruppe von vornherein nur auf eine Gehilfentätigkeit beschränken sollte, steht dies der Annahme einer „Dreierbande” nicht entgegen. Auch dann, wenn die Mitangeklagte B. lediglich eine Gehilfenfunktion ausüben sollte, wäre sie in den auf Dauer angelegten deliktischen Zusammenschluß als deren Mitglied eingebunden gewesen.

3. In der Rechtsprechung ist bislang die Frage, ob Bandenmitglied auch derjenige sein kann, der im Rahmen des Zusammenschlusses nur Gehilfenfunktion ausüben soll, nicht entschieden; auch der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (aaO) hat sich hierzu nicht geäußert. Die Frage ist in dem hier entschiedenen Sinn zu beantworten.

a) Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Beides – Mitgliedschaft in der Bande einerseits und bandenmäßige Begehung andererseits – ist auch begrifflich voneinander zu trennen. Dies findet seinen Niederschlag darin, daß die Rechtsprechung das Tatbestandsmerkmal „als Mitglied einer Bande” – im Unterschied zum tatbezogenen Mitwirkungserfordernis – als ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB betrachtet (BGHSt – GS – 12, 220, 226; BGH – Anfragebeschluß des 3. Strafsenats – NStZ 2000, 255, 257, m.zust.Anm. Hohmann; ebenso BTDrucks. IV/650 – E 1962 – S. 407; Ruß in LK-StGB 11. Aufl. § 244 Rdn. 13; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 28 Rdn. 9; zw. Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 244 Rdn. 7).

Die Bandenabrede begründet die erhöhte abstrakte Gefährlichkeit der Bande, denn sie stellt die enge Bindung sicher, die die Mitglieder für die Zukunft und für eine gewisse Dauer eingehen und die einen ständigen Anreiz zur Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit bildet (BGH – GSSt – aaO Beschlußabdruck ≪BA≫ S. 19 unter Hinweis auf BGHSt 23, 239, 240). Diese der Bande innewohnende erhöhte „Ausführungsgefahr” (BGH – Vorlagebeschluß des 4. Strafsenats – NStZ 2001, 35, 36 m.krit.Anm. Engländer JR 2001, 78 f. u. Bspr. Sya NJW 2001, 343 f.) besteht unabhängig davon, ob dem einzelnen Mitglied bei der Verwirklichung des durch die Bandenabrede bestimmten deliktischen Zwecks eine „täterschaftliche” Beteiligung zufällt. Denn sofern die in Aussicht genommenen Tatbeiträge des Einzelnen nicht gänzlich untergeordneter Natur sind, ist auch die Zusage künftiger dauerhafter Gehilfentätigkeit – nicht anders als die Zusage täterschaftlicher Tatbeiträge – in erheblicher Weise geeignet, die erhöhte Gefährlichkeit des Zusammenschlusses von Straftätern hervorzurufen.

Ein begründeter Einwand gegen die hier vertretene Auffassung läßt sich auch nicht aus den Voraussetzungen der Strafbarkeit der Verabredung zu einem Verbrechen nach § 30 Abs. 2 StGB (zu diesem Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Bande Schild GA 1982, 55, 78 f; ebenso schon zum früheren Recht Goltdammer Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, 1851, Teil I S. 332 f, Teil II S. 486, zitiert in RGSt 66, 236, 241) herleiten. Zwar ist nach in Rechtsprechung und Literatur herrschender Ansicht die Anwendung des § 30 Abs. 2 StGB davon abhängig, daß der in Aussicht genommene Tatbeitrag täterschaftliche Qualität erreichen soll (BGH NStZ 1993, 137 f.; BGH, Urteil vom 31. Oktober 2001 – 2 StR 315/01; Lackner/Kühl aaO § 30 Rdn. 6). Doch findet diese Einschränkung ihre Rechtfertigung schon darin, daß § 30 Abs. 2 StGB die Verabredung zu einem bestimmten geplanten Verbrechen als solche unter Strafe stellt, weil diese Beteiligung im Vorbereitungsstadium ein konkretes geschütztes Rechtsgut in Gefahr bringt. Demgegenüber ist die auf die Begehung von im einzelnen noch unbestimmten Straftaten ausgerichteten Bandenabrede als solche nicht strafbewehrt. Eine dem § 30 Abs. 2 StGB vergleichbare restriktive Auslegung des Begriffs der Mitgliedschaft in der Bande ist von daher nicht veranlaßt.

b) Soweit in der bisherigen Rechtsprechung der Gegensatz zwischen (bloßer) Mittäterschaft und bandenmäßiger Begehung herausgestellt wird (vgl. BGH – GSSt – aaO BA S. 8, 12), ist dies nicht dahin zu verstehen, daß als Bandenmitglied nur derjenige anzusehen ist, der innerhalb der Gruppe eine bezogen auf die in Aussicht genommenen Straftaten mindestens (mit-)täterschaftliche Stellung haben soll; vielmehr soll damit allein das für die Bande kennzeichnende Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung mehrerer Personen zu künftiger gemeinsamer Begehung von im einzelnen noch unbestimmten Straftaten betont werden, was sie von der Mittäterschaft unterscheidet (vgl. BGH – GSSt – aaO BA S. 12). Die Mitgliedschaft in einer Bande ist – wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu a) ergibt – keine intensivere Form der Mittäterschaft; sie ist ihr gegenüber vielmehr einaliud.

c) Die Beteiligungsformen der §§ 25 ff. StGB bieten insgesamt keine geeigneten Maßstäbe für den Bandenbegriff. Im Einklang mit der hier zur Bandenabrede vertretenen Auffassung hat der Große Senat für Strafsachen für die – wie dargelegt – von der „Verbrechensverabredung” (BGH – GSSt – aaO BA S. 17) zu trennende bandenmäßige Begehung entschieden, daß die besondere Gefährlichkeit des Bandendiebstahls und damit der Grund für seine höhere Strafwürdigkeit von der Form der Beteiligung der an der jeweiligen Bandentat Mitwirkenden unabhängig ist. Das Mitwirkungserfordernis in den Straftatbeständen, die – wie Bandendiebstahl in den §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1 StGB – die Begehung der Bandentat „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds” voraussetzen, ist danach schon immer dann erfüllt, „wenn ein Bandenmitglied mit einem anderen Bandenmitgliedin irgendeiner Weise, etwa als Gehilfe, zusammenwirkt” (BGH – GSSt – aaO BA S. 21; im selben Sinne schon BTDrucks. IV/650 – E 1962 – aaO; ebenso Ruß in LK aaO).

Findet das spezifische Gefährlichkeitspotential der Bande aber auch in einem solchen Zusammenwirken von Täter und Gehilfen seinen Niederschlag, so spricht nichts dafür, an die Mitgliedschaft selbst in bezug auf die bei den Bandentaten in Aussicht genommene Beteiligungsform erhöhte Anforderungen zu stellen und diejenigen Personen von der Qualifizierung „als Mitglied” auszunehmen, die zwar auf Dauer in die deliktische Gruppierung eingebunden sind, deren Beitrag sich aber in wertender Betrachtung nur als Gehilfentätigkeit darstellt (a.A. Schmitz NStZ 2000, 477, 478). Die Annahme einer Bande ist gerade nicht davon abhängig, daß deren Mitglieder gleichrangig in die Bandenstruktur eingegliedert sind. Vielmehr zeichnet sich die Bande typischerweise durch eine hierarchische Struktur aus, in der ganz im Sinne der Arbeitsteilung neben dem das Geschehen beherrschenden „Bandenchef” andere Mitglieder ihre jeweiligen Tatbeiträge erbringen, die deshalb aber in gleicher Weise zum Zusammenhalt der Bande und zur Verwirklichung des Bandenzwecks beitragen.

4. Die Einbeziehung von in die Bande organisatorisch und auf Dauer eingebundenen Gehilfen als deren Mitglieder trägt zugleich dem Anliegen des Großen Senats für Strafsachen Rechnung, die praktische Rechtsanwendung für die Tatgerichte zu erleichtern. Der Große Senat hat die Erhöhung der Mindestmitgliederzahl von früher zwei auf drei Personen als einfaches und erfolgversprechendes Mittel vorgenommen, „um die Abgrenzung der wiederholten gemeinschaftlichen Tatbegehung durch Personen, die nur Mittäter sind, von derjenigen der bandenmäßigen Begehung zu vereinfachen” (BGH – GSSt – aaO BA S. 11). Die nach der früheren Rechtsprechung für die Bandendelikte konstitutiven Merkmale eines „gefestigten Bandenwillens” und eines „Tätigwerdens im übergeordneten Bandeninteresse” hat er als inhaltlich zu unbestimmt und nur unpräzise faßbar (dazu der Anfragebeschluß des 4. Strafsenats des BGH NStZ 2000, 474, 475 f. m.Anm. Schmitz = JZ 2000, 628, 629 m.Anm. Engländer) aufgegeben. Wäre die Mitgliedschaft in der Bande von einer „mittäterschaftlichen” Einbindung abhängig, würde dies die angestrebte Rechtsklarheit erneut gefährden. Ob die Einbindung in die Bande ein Näheverhältnis zu den in Aussicht genommenen eigentlichen Tathandlungen hat, das die Qualifizierung als „täterschaftlich” rechtfertigt, wird sich schon deshalb nur schwer beurteilen lassen, weil oftmals im Zeitpunkt der deliktischen Vereinbarung noch gar nicht feststeht, welcher Art die später bei den konkreten Taten im einzelnen zu erbringenden arbeitsteiligen Tatbeiträge sein werden. Zudem muß die Bandenabrede nicht ausdrücklich getroffen werden; vielmehr genügt jede Form auch stillschweigender Vereinbarung (BGH – Vorlagebeschluß des 4. Strafsenats – NStZ 2001 aaO S. 37; Lackner/Kühl aaO § 244 Rdn. 6; Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 244 Rdn. 23 jeweils m.w.N.). Häufig wird deshalb die Feststellung einer entsprechenden Bandenabrede überhaupt nur aus dem konkret feststellbaren wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen herzuleiten sein. Unter diesen Umständen könnte die eine „mittäterschaftliche” Mitgliedschaft begründende Bandenabrede nur schwerlich nachgewiesen werden, wenn die objektiven Tatbeiträge einzelner als Mitglieder der Gruppierung in Betracht kommender Personen bei den Ausführungshandlungen – zumal in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes (vgl. BGHSt 32, 48, 56 f.) – jeweils nur als Gehilfentätigkeit zu werten wären. Es liegt auf der Hand, daß hierdurch die Beteiligung derjenigen innerhalb der kriminellen Gruppe, die bei der eigentlichen Tatausführung im Hintergrund bleiben (sollen), in ihrem Unrechtsgehalt nur unzureichend erfaßt würde.

5. Danach hat das Landgericht die frühere Mitangeklagte B. im Ergebnis zu Recht als Bandenmitglied angesehen und hat es deshalb den Beschwerdeführer in den betreffenden Fällen jeweils zutreffend des schweren Bandendiebstahls für schuldig befunden. Nach den zur Bandenabrede getroffenen Feststellungen ist nicht zweifelhaft, daß der früheren Mitangeklagten B. für die Verwirklichung des Bandenzwecks wesentliche Aufgaben zufielen und sie in die aus dem Angeklagten, A. und ihr bestehende „Dreier-Bande” dauerhaft eingebunden war. Weiter gehender Feststellungen dahingehend, ob der von ihr zu erbringende Tatbeitrag innerhalb der Bandenabrede die Annahme „täterschaftlicher” Beteiligung trägt, bedurfte es danach nicht. Somit hat es bei dem angefochtenen Urteil sein Bewenden.

 

Unterschriften

Tepperwien, Maatz, Athing, Ernemann, Sost-Scheible

 

Fundstellen

Haufe-Index 676268

BGHSt

BGHSt, 214

NJW 2002, 1662

BGHR

JR 2002, 337

NStZ 2002, 318

ZAP 2002, 439

wistra 2002, 183

JuS 2002, 717

StV 2002, 191

StV 2002, 540

StV 2003, 78

LL 2002, 542

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