Rz. 78

Bei der Percentage-of-Completion-Methode wird der Ertrag nach Maßgabe des Leistungsfortschritts erfasst. Die Höhe des in jeder Periode zu realisierenden Teilgewinns orientiert sich am Fertigstellungsgrad des Auftrags zum Bilanzstichtag. Für die Feststellung des Projektfertigstellungsgrads präferiert die deutsche Literatur die Cost-to-Cost-Methode,[1] die davon ausgeht, dass der Gesamterfolg aus einem Auftrag proportional mit dem Anfall der Aufwendungen entsteht.[2] Ziel der Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode ist es, den Einblick in das "periodenbezogene Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens"[3] zu verbessern und damit ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Ertragslage – allerdings ohne Beachtung des Realisationsprinzips –zu zeigen.[4]

 

Rz. 79

In der Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode auf Fertigungsaufträge liegt ein klarer Verstoß gegen das Realisationsprinzip, weil gerade bei langfristigen Fertigungsaufträgen sowohl die Gesamterlöse als auch die Gesamtkosten bis zur Abnahme durch den Auftraggeber mit hohen Unsicherheiten behaftet sind. Die bislang noch h. M. spricht sich daher gegen die Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode bei langfristiger Fertigung aus.[5] Da es bei langfristiger Auftragsfertigung durch die Anwendung des Realisationsprinzips zu Verzerrungen kommen kann, hält ein inzwischen beachtlicher Teil des deutschen Schrifttums eine auf § 252 Abs. 2 HGB gestützte Abweichung vom Realisationsprinzip für zulässig, sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen.[6] Zur Durchbrechung des Realisationsprinzips bei langfristiger Fertigung fordern die Befürworter einer Durchbrechung des Realisationsprinzips das kumulative Vorliegen folgender Voraussetzungen:[7]

  • Die Fertigung muss über das Ende eines Geschäftsjahrs hinausgehen (langfristige Fertigung).
  • Die mehrperiodige Fertigung muss einen wesentlichen Teil der Unternehmenstätigkeit darstellen.
  • Eine Abgrenzung in technische und wirtschaftliche Teilleistungen muss weiterhin möglich sein.
  • Der Einblick in die Ertragslage des Unternehmens muss ohne Teilgewinnrealisierung wesentlich beeinträchtigt sein.
  • Der am Ende des Fertigungsprozesses zu erwartende Gewinn muss sicher kalkulierbar sein; es dürfen keine Risiken ersichtlich sein, die das erwartete Ergebnis wesentlich beeinflussen werden können.
  • Darüber hinaus sind auch unvorhergesehene Risiken (z. B. Garantieleistungen und Nachbesserungen) zu berücksichtigen.
  • Es ist eine Nachkalkulation durchzuführen. Sofern die Ist-Kosten deutlich über den geplanten Kosten liegen, so dürfen keine anteiligen Gewinne vereinnahmt werden.
  • Es dürfen keine Anzeichen vorliegen, dass der Abnehmer Einwendungen erheben kann, die negative Auswirkungen auf das Gesamtergebnis des langfristigen Fertigungsauftrags haben werden.
 

Rz. 80

Bei Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode sind nach § 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB entsprechende Anhangangaben erforderlich, da eine Abweichung vom Realisationsprinzip vorliegt. Die Methode ist zu begründen und ihr Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darzustellen.[8]

 

Rz. 81

Das Schrifttum ist bezüglich einer auf § 252 Abs. 2 HGB gestützten Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode gespalten. Die Kritiker stützen sich darauf, dass weder § 252 Abs. 2 HGB noch § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB die Rolle eines "overriding principle" in der deutschen Rechnungslegung zukommt.[9] Weiterhin weisen die Kritiker darauf hin, dass die aufgestellten Kriterien, unter denen die Percentage-of-Completion-Methode zur Anwendung kommen soll, in höchstem Maße unbestimmt sind und einen erheblichen Beurteilungsspielraum eröffnen.[10] Hinzu kommt noch, dass die aufgestellten Kriterien aus keinem übergeordneten Ziel- oder Rahmenkonzept abgeleitet sind und der Katalog der Kriterien nach subjektiver Auffassung veränderbar ist. Auch stellt es bereits einen Widerspruch in sich dar, wenn nach § 252 Abs. 2 HGB eine Abweichung von den Bilanzierungs- und Bewertungsprinzipien nach § 252 Abs. 1 HGB, so auch vom Realisationsprinzip, nur in Ausnahmefällen zulässig ist, hingegen nach dem Kriterienkatalog bei den meisten Befürwortern dieser Methode die Abweichung vom Realisationsprinzip nur greifen soll, wenn die langfristige Auftragsfertigung einen wesentlichen Teil der Unternehmenstätigkeit und mithin bezogen auf das in Rede stehende Unternehmen keine Ausnahme darstellt.[11]

In der Begründung zum Regierungsentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes wird zu dieser Frage explizit Stellung bezogen und der Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode – trotz der Weiterentwicklung des Handelsrechts in Richtung einer maßvollen Annäherung an die IFRS[12] – eine Absage erteilt. Verzerrungen in der Darstellung der Ertragslage sind nach der Regierungsbegründung vielmehr (weiterhin) durch ergänzende Anhangangaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB zu korrigieren.[13]

[1] Vgl. Marx/Löffler, in Böcking u. a., Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, B 700 Rz. 71, Stand: 8/2022 ...

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