2.2.1 Abweichung als Indikator für Manipulationen

Untersucht man die ersten Ziffern einer Vielzahl zufälliger mehrstelliger Zahlen. so sind die Ziffern 1 bis 9 nicht zu gleichen Anteilen vertreten. Vielmehr hat die Ziffer 1 den höchsten Anteil, die Ziffer 2 einen geringeren usw. Der Anteil einer Ziffer an der 1. Stelle der mehrstelligen Zahlen aus der Zahlenmenge nimmt ab, je höher diese 1. Ziffer ist. Die Ziffer 9 hat also den geringsten Anteil. Diese Gesetzmäßigkeit wurde eigentlich von dem Astronom und Mathematiker Simon Newcomb 1881 entdeckt und publiziert, geriet jedoch in Vergessenheit. Erst Frank Benford entdeckte diese Gesetzmäßigkeit 1938 wieder und veröffentlichte diese Entdeckung. Landläufig spricht man deshalb vom Benford-Gesetz. In neuerer Zeit gedenkt man jedoch auch dem ursprünglichen Entdecker und nennt nunmehr die Gesetzmäßigkeit häufiger "Newcomb-Benford´s Law" oder kurz "NBL".

Das NBL sagt, dass an der 1. Stelle von mehrstelligen Zahlen die Ziffern 1 bis 9 folgenden Anteil haben:

 
Ziffer 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Häufigkeit in % 30,1 17,6 12,5 9,7 7,9 6,7 5,8 5,1 4,6

An der 2. Stelle von mehrstelligen Zahlen einer Zahlenmenge sind die Ziffern mit anderen Anteilen vertreten. Hier ist auch die Null einzubeziehen. Nach Benford verteilt sich die Häufigkeit der 2. Stelle wie folgt:

 
Ziffer 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Häufigkeit in % 11,7 11,4 10,9 10,4 10,0 9,7 9,3 9,0 8,8 8,5

Keine Anwendbarkeit bei ausgedachten Zahlen und geringen Datenmengen

Dieses sog. Benford-Gesetz gilt nur für Zahlen, die sich aus Messungen oder Ergebnisaufnahmen ergeben. Auf zufällig sich ergebende Zahlen wie Lottozahlen und willkürlich oder nach bestimmten Ordnungsmaßstäben bestimmte Zahlen, wie Postleitzahlen, Telefonnummern oder Steuernummern, ist das es nicht anwendbar. Die bei der Anwendung des Benford-Gesetzes gewonnenen Ergebnisse haben auch nur bei großen Datenmengen einen Aussagewert. Als Mindestmaß gelten mindestens 500 Zahlen, die zu untersuchen sind. Tatsächlich zeigt die Praxis immer wieder, dass die Zahlenmenge noch etwas größer sein sollte, um einigermaßen verlässliche Benford-Werte zu erhalten.

2.2.2 Betriebsprüfung: Kassenprüfung mittels Datenzugriff aufgrund des Benford Gesetzes

Die Rechtsnorm des § 147 Abs. 6 Satz 2 AO verpflichtet die Unternehmen, gespeicherte Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger den steuerlichen Prüfungsdiensten digital zur Verfügung zu stellen. Die zur Verfügung gestellten Daten, z. B. Kassenaufzeichnungen, können darauf überprüft werden, ob sie der sich aus dem Benford-Gesetz ergebenden Verteilung entsprechen.

Falls sich Abweichungen gegenüber dem nach dem Benford-Gesetz zu erwartenden Ziffernverteilung ergeben, besteht Anlass zu weiteren gezielten und ggf. tiefergehenden Überprüfungen. Durch die Anwendung der Benford´schen Gesetze können geringe Manipulationen auffällig sein.[1]

Benford-Analyse liefert nur Anhaltspunkte für mögliche Unregelmäßigkeiten

In seinem Urteil vom 17.11.2009 bemerkt das FG Niedersachsen,[2] dass das sog. "Benford-Law" keine von der Rechtsprechung anerkannte Methode sei, um eine Einnahmemanipulation sicher zu belegen. In der Urteilsbegründung weist es auch darauf hin, dass Befürworter dieses Verfahrens ausdrücklich betonten, es handele sich nur um ein Analyseverfahren, das keinen Beweis im juristischen Sinn, sondern lediglich Anhaltspunkte für mögliche Unregelmäßigkeiten liefere. Diese Feststellung des Gerichts wird auch von erfahrenen Praktikern bestätigt. Ergeben sich hierdurch Anzeichen für Einnahmemanipulationen, obliegt es der Finanzverwaltung, mögliche Einnahmemanipulationen durch tiefergehende, juristisch belastbare Methoden zu belegen (z. B. die Klassiker "Geldverkehrsrechnung" oder Vermögenszuwachsrechnung).

Der versierte Prüfer wendet die Benford-Analyse an, um für sich am Anfang der Prüfung ein Bild vom Betrieb zu machen. Das Ergebnis der Analyse kann zumindest teilweise seine Prüfungsschwerpunkte etwas verändern.

Objektive Beweislast liegt beim Finanzamt

"Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden" – soweit der Gesetzestext des § 158 AO. Aus diesem Grund sieht der BFH[3] die Feststellungslast dafür, dass das Buchführungsergebnis unrichtig ist beim Finanzamt. D. h., die objektive Feststellungslast für Tatsachen, die den Steueranspruch begründen oder erhöhen trägt hierbei die Finanzverwaltung. Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Buchführungsergebnisses reichen deshalb nicht aus. Die Unrichtigkeit muss vielmehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dargelegt werden.

[1] S. im Einzelnen Burchert, B., Aktuelle Fragen zur Umsetzung des Datenzugriffs durch die Finanzverwaltung, INF 2002 S. 677; Schneider, T., Das Benford-Gesetz als statistisches Instrument zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten, INF 2004 S. 677; Schneider, T., Digitale Analyse der Unternehmensdaten, DStR 2004 S. 1269.
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