Korrektur des Werts eines Vorerwerbs

Wird der ausgleichsverpflichtete Ehegatte beim Tod des ausgleichsberechtigten Ehegatten dessen Alleinerbe, steht der fingierte Fortbestand von Zugewinnausgleichsforderung und -verbindlichkeit nach § 10 Abs. 3 ErbStG der Berichtigung des Kapitalwerts des als Vorerwerb anzusetzenden Nutzungsvorteils nicht entgegen.

Hintergrund: Vorschenkung bei Erwerb einer zinslos gestundeten Forderung

Die Erblasserin Y und ihr Ehemann X lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. In 2004 beendeten sie durch notariellen Ehe- und Erbvertrag diesen Güterstand und vereinbarten Gütertrennung. Die Zugewinnausgleichsforderung der Y gegenüber X (375.000 EUR) wurde auf die Lebenszeit des X zinslos gestundet. Die Eheleute setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Y verstarb in 2009 und wurde von X als Alleinerbe beerbt. X hat somit durch den Erbfall die Zugewinnausgleichsforderung erworben. Zusätzlich war der aus der zinslosen Stundung der Forderung resultierende Nutzungsvorteil als Vorerwerb anzusetzen. 

Das FA erfasste die Zugewinnausgleichsforderung mit dem Nennwert. Den Zinsvorteil berücksichtigte es als Vorschenkung mit einem laufzeitbezogenen Kapitalwert (90.500 EUR). Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das FG die Zugewinnausgleichsforderung lediglich mit dem abgezinsten Wert (177.000 EUR) berücksichtigte. Im Revisionsverfahren bestritt das FA die Abzinsung der Zugewinnausgleichsforderung nicht mehr, wandte sich jedoch – entgegen seiner ursprünglichen Beurteilung – gegen die Abzinsung der Zinsschenkung (Ansatz mit 192.500 EUR statt mit 90.500 EUR).

Entscheidung: Kein Ausschluss der Korrektur des Vorerwerbs durch § 10 Abs. 3 ErbStG

Die Zugewinnausgleichsforderung ist zwar zivilrechtlich durch Konfusion (Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person, hier X) erloschen. Sie gilt jedoch erbschaftsteuerlich nach § 10 Abs. 3 ErbStG als fortbestehend. Nach § 12 Abs. 3 BewG ist die Forderung – wie das FG zutreffend entschieden hat und vom FA nicht mehr bestritten wurde - mit dem sich aus § 14 BewG ergebenden abgezinsten Kapitalwert anzusetzen.

Zinslose Stundung als Zuwendung eines fiktiven Zinsanteils

In der zinslosen Stundung, d.h. unentgeltlichen Überlassung der Zugewinnausgleichsforderung durch Y an X liegt eine der ErbStG unterliegende freigebige Zuwendung, die als Vorschenkung zu berücksichtigen ist. Gegenstand der Schenkung ist die dem Verzicht auf die eigene Nutzungsmöglichkeit seitens des Zuwendenden korrespondierende Gewährung der Nutzungsmöglichkeit durch den Zuwendungsempfänger (BFH Urteil vom 27.11.2013 - II R 25/12, BFH/NV 2014, 537).

Die zivilrechtlich vereinbarte Unverzinslichkeit führt zur steuerrechtlichen Berücksichtigung eines fiktiven Zinsanteils. Wird ein Geldbetrag als Darlehen auf Lebenszeit überlassen, ist der nach § 14 BewG zu ermittelnde Kapitalwert des Nutzungsvorteils als schenkungsteuerrechtliche Bereicherung anzusetzen. Diese Grundsätze für die Gewährung eines zinslosen Darlehens gelten für die zinslose Stundung einer Zugewinnausgleichsforderung entsprechend. Denn auch in diesem Fall hat sich der ausgleichsberechtigte Ehegatte der Nutzungsmöglichkeit des Kapitals aus der Forderung für die Zeit der Stundung begeben und die Nutzung dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten überlassen.

Zinsschenkung als Nutzung auf bestimmte Zeit

Bei der Berechnung der ErbSt nach § 14 ErbStG sind mehrere Vermögensvorteile, die innerhalb des Zehnjahreszeitraums dadurch anfallen, dass jemand zunächst das Recht auf unentgeltliche Nutzung eines Gegenstands und danach den Gegenstand selbst erwirbt, bei der Zusammenrechnung der Erwerbe mit den jeweils zukommenden Werten anzusetzen. Der Vorerwerb ist dem letzten Erwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert hinzuzurechnen. Im Streitfall ist der dem X zugewendete Nutzungsvorteil aufgrund des Alters des X (64 Jahre) und der Dauer der Nutzung bis zum Tod der Y (knapp 5 Jahre, also nicht mehr als 7 Jahre) nicht wie eine lebenslängliche Nutzung (§ 14 Abs. 1 BewG), sondern wie eine Nutzung auf bestimmte Zeit zu bewerten (§ 14 Abs. 2 BewG). Demnach war die ErbSt-Festsetzung entsprechend (Ansatz mit 90.500 EUR) zu berichtigen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BewG).

Die Vorschenkung wird von § 10 Abs. 3 ErbStG nicht erfasst

Nach § 10 Abs. 3 ErbStG gelten die infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung (Konfusion) erloschenen Rechtsverhältnisse nicht als erloschen. Die Regelung gilt für den jeweils zu besteuernden Erwerb, der zivilrechtlich das Recht und die Verbindlichkeit durch Konfusion zum Erlöschen bringt. Nach dem Wortlaut tritt die Fiktion des Nichterlöschens für die "infolge des Anfalls" eintretende Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit ein. Der Vorerwerb wird davon nicht berührt. Dabei ist der materiell-rechtlich zutreffende Ansatz maßgebend.

Die spezielle Regelung für lebenslängliche Nutzungen und Leistungen in § 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BewG geht insoweit der allgemein ein Erlöschen von Rechtsverhältnissen ausschließenden Fiktion in § 10 Abs. 3 ErbStG vor. Die Berichtigung des Kapitalwerts des Vorerwerbs in Form einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung nach § 14 Abs. 2 BewG ist auch möglich, wenn infolge des Todes des Berechtigten oder Verpflichteten eine Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit in der Person des Erben eintritt.

Hinweis: Fehlende Zinsvereinbarung bedeutet Unentgeltlichkeit

Gegenstand der Schenkung bei unentgeltlicher Kapitalüberlassung ist nicht der dem Gläubiger entgehende Zins, sondern die dem Schuldner gewährte Nutzungsmöglichkeit. Die Unentgeltlichkeit beurteilt sich nach zivilrechtlichen Kriterien. Eine Kapitalüberlassung ist danach unentgeltlich, wenn der Erwerb nicht von einer ausgleichenden Gegenleistung abhängt. Dabei steht die fehlende Vereinbarung zu einer Verzinsung dem ausdrücklichen Ausschluss der Verzinsung gleich (BFH Urteil vom 26.01.1999 - VIII R 32/96, BFH/NV 1999 S. 922).

BFH Urteil vom 22.08.2018 - II R 51/15 (veröffentlicht am 09.01.2019)

Alle am 09.01.2019 veröffentlichten Entscheidungen.