Abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags

Aus dem sog. Sanierungserlass ergibt sich keine Zuständigkeit des Finanzamts zur abweichenden Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags aus Billigkeitsgründen; zuständig dafür sind die Gemeinden.

Hintergrund
Zu entscheiden war, ob im Fall eines begünstigten Sanierungsgewinns das Finanzamt oder die Gemeinde für die abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags aus Billigkeitsgründen zuständig ist.

Die Unternehmerin beantragte für 2003 beim Finanzamt die Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags aus sachlichen Billigkeitsgründen. Sie berief sich auf den sog. Sanierungserlass (BMF, Schreiben v. 27.03.2003, BStBl 2003 I S. 240) und trug vor, in dem Gewerbeertrag sei ein Sanierungsgewinn aus dem Erlass von Bankschulden enthalten. Das Finanzamt war zwar ebenfalls der Auffassung, dass ein begünstigter Sanierungsgewinn vorliegt, lehnte jedoch gleichwohl die Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags ab, da der Sanierungserlass keine allgemeine Verwaltungsvorschrift als Voraussetzung für die Verschiebung der Zuständigkeit von der Gemeinde auf das Finanzamt sei (§ 184 Abs. 2 AO). Das Vorliegen eines Sanierungsgewinns sei daher im Rahmen der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer von der Gemeinde in eigener Zuständigkeit zu prüfen.

Das FG war anderer Meinung und gab der Klage statt. Es urteilte, nach dem Sanierungserlass sei das Finanzamt zuständig und verpflichtete dieses, den Gewerbesteuermessbetrag auf 0 EUR festzusetzen (FG Düsseldorf Urteil vom 16.03.2011 - 7 K 3831/10 AO, EFG 2011 S. 1685).

Entscheidung
Der BFH widerspricht dem FG. Nicht das Finanzamt, sondern die Gemeinde ist für die Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags aus Billigkeitsgründen zuständig.

Die Zuständigkeit des Finanzamts zu Billigkeitsmaßnahmen für die Realsteuermessbeträge ist nur gegeben, soweit für solche Maßnahmen in einer "allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesbehörde Richtlinien" aufgestellt worden sind (§ 184 Abs. 2 AO). Eine solche Verwaltungsvorschrift stellt der Sanierungserlass nicht dar. Zum einen handelt es sich dabei nicht um eine Entschließung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates und zum anderen auch nicht um einen Erlass einer obersten Landesbehörde. Der Sanierungserlass ist zwar im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ergangen. Erlassgeber war aber - ausweislich des Einleitungssatzes - allein das BMF; es waren nicht die obersten Landesfinanzbehörden.

Die Revision führte daher zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

Hinweis
Das FG hatte noch argumentiert, aus dem Sanierungserlass ergebe sich lediglich die Zuständigkeit der Gemeinde für die Gewerbesteuer, nicht aber für den - hier streitigen - Gewerbesteuermessbetrag. Außerdem betreffe die Zuständigkeit der Gemeinde ausschließlich die Stundung und den Erlass (nach §§ 222, 227 AO) und nicht die streitige abweichende Steuerfestsetzung nach §§ 163, 184 AO. Ausgehend davon, dass der Sanierungserlass keine Grundlage für eine von der AO abweichende Zuständigkeit darstellt, brauchte der BFH auf diese Überlegungen nicht einzugehen.

Wichtig ist noch der ergänzende Hinweis des BFH im letzten Satz seiner Entscheidung. Der BFH lässt ausdrücklich unbeantwortet die nach wie vor umstrittenen Fragen, ob der Sanierungserlass uneingeschränkt dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt und dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot genügt.

BFH Urteil vom 25.04.2012 - I R 24/11 (veröffentlicht am 01.08.2012)
Alle am 01.08.2012 veröffentlichten Entscheidungen im Überblick

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