Abfärbung von Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit

Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit stehen bei Überschreiten der Bagatellgrenze der Umqualifizierung der im Übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeit einer GbR nicht entgegen (Aufgabe der im BFH, Urteil v. 12.4.2018, IV R 5/15, BStBl II 2020 S. 118, Rz. 34 f. zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. vertretenen Auffassung).

Hintergrund: Gewerbliche Verluste einer im Übrigen vermögensverwaltenden GbR

Streitig war, ob negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb die vermögensverwaltende Tätigkeit einer GbR in 2012 umqualifizieren.

Die GbR errichtete auf einem von ihr vermieteten Objekt eine Photovoltaikanlage (PVA), aus der sie – ebenso wie aus den Vermietungen – Verluste erwirtschaftete.

Für 2012 reichte die GbR zwei Einkünfteermittlungen ein, eine für die Einkünfte aus VuV und eine für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Abweichend davon stellte das FA ausschließlich gewerbliche Einkünfte fest. Dem folgte das FG mit dem Hinweis auf die "Abfärbewirkung" des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Mit dem Betrieb der PVA habe die GbR eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, die auf die vermögensverwaltende Tätigkeit "abgefärbt" habe.

Entscheidung: Abfärbung auch im Verlustfall

Der BFH wies die Revision zurück. Die vermögensverwaltende Tätigkeit der GbR ist trotz des im gewerblichen Bereich erzielten Verlusts im Wege der Abfärbung insgesamt als gewerbliche zu qualifizieren. Da die Geringfügigkeitsgrenze überschritten ist, bleibt es bei der seitwärts abfärbenden Wirkung.

Neue Rechtslage

Der Streitfall beurteilt sich nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 Alt. 1 EStG n.F. Mit der Neuregelung durch das WElektroMobFördG (v. 12.12.2019, BStBl I 2020 S. 17, Geltung ab 18.12.2019) wurde § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG um einen neuen Satz 2 ergänzt. Danach tritt die umqualifizierende Wirkung unabhängig davon ein, ob aus der Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ein Gewinn oder Verlust erzielt wird. Mit dieser Regelung ist der Gesetzgeber der bisher vom BFH vertretenen Rechtsauffassung entgegengetreten, nach der negative Einkünfte aus einer originär gewerblichen Tätigkeit nicht zur Umqualifizierung der vermögensverwaltenden Einkünfte einer GbR führen (BFH v. 12.4.2018, IV R 5/15, BStBl II 2020 S. 118, Rz. 34 f.).

Ausschließlich gewerbliche Einkünfte der GbR

Die Neuregelung enthält keine Ausnahmen von der Abfärbewirkung. Demnach übte die GbR als eine "andere Personengesellschaft" i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG zum einen eine vermögensverwaltende Tätigkeit und zum anderen mit dem Betrieb der PVA eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG aus. Da nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 EStG n.F. ausdrücklich auch originär gewerbliche Verluste einer Abfärbung auf die übrige Tätigkeit nicht entgegenstehen, hat die GbR insgesamt eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und damit insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt.

Bagatellgrenze

Die vom BFH für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften entwickelte Geringfügigkeitsgrenze ist auch bei Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG n.F. zu beachten. Demnach ist eine die umqualifizierende Wirkung nicht auslösende gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß gegeben, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 % der Gesamtnettoumsätze (relative Grenze) der Personengesellschaft und zugleich den Höchstbetrag von 24.500 EUR im Feststellungszeitraum (absolute Grenze) nicht übersteigen (BFH v. 27.8.2014, VIII R 16/11, BStBl II 2015 S. 996, Rz. 28). Die bisherige Geringfügigkeitsgrenze mit ihrer absoluten und relativen Umsatzgrenze ist sowohl bei Gewinnen als auch bei Verlusten zu beachten. Wird diese Bagatellgrenze überschritten, färben gewerbliche Gewinne und gewerbliche Verluste gleichermaßen ab.

Keine Einschränkung für vermögensverwaltende Personengesellschaften

Für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften gilt keine höhere Bagatellgrenze. Eine modifizierte Bagatellgrenze für gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften widerspräche dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, die Einkünfteermittlung zu vereinfachen. Unterschiedliche Bagatellgrenzen würden zu weiteren Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Es ist auch nicht möglich, die abfärbende Wirkung erst nach einem längeren (mehrjährigen) Beobachtungszeitraum (z.B. von drei Jahren) eintreten zu lassen. Das widerspräche ebenfalls dem Vereinfachungszweck.

Die Bagatellgrenze ist im Streitfall überschritten

Hiervon ausgehend bleibt es bei der seitwärts abfärbenden Wirkung. Die GbR hat aus der originär gewerblichen Tätigkeit Nettoumsätze von 8.472 EUR erzielt. Diese Umsätze machten 7,46 % der Gesamtnettoumsätze (113.484 EUR) aus. Sie blieben zwar unterhalb der absoluten Umsatzgrenze von 24.500 EUR, überschritten aber deutlich die relative Bagatellgrenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze.

Hinweis: Keine Vorlag an das BVerfG

Die Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Abfärberegelung für die Rechtslage 1988 (BVerfG v. 15.1.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120 S. 1) gilt unverändert auch für § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG n.F. Die BVerfG-Entscheidung betrifft zwar die umqualifizierende Wirkung einer gewerblichen Tätigkeit auf eine freiberuflich tätige Personengesellschaft. Das BVerfG hat jedoch in seine Überlegungen auch gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften einbezogen.

Ausgliederungsmodell

Die mit der Abfärbung verbundenen Nachteile stehen in einem vertretbaren Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Zielen (Erleichterung der Einkünfteermittlung, Sicherung der GewSt). Die zusätzliche Belastung wird durch die Möglichkeit abgemildert, der Abfärberegelung durch die Gründung einer zweiten personenidentischen Personengesellschaft auszuweichen (Ausgliederungsmodell). 

Keine unzulässige Rückwirkung

Die rückwirkende Geltung der Neuregelung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 EStG n.F.) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Gesetzgeber hat damit lediglich eine Rechtslage festgeschrieben, die vor dem BFH-Urteil v. 12.4.2018, IV R 5/15, BStBl II 2020 S. 118, der gefestigten Rechtsprechung und Praxis entsprochen hat. Die Rechtsprechungsänderung durch das vorgenannte Urteil war (als nicht bestätigte Einzelfallentscheidung) nicht geeignet, Vertrauen zu erzeugen, dass bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften Verluste im gewerblichen Bereich nicht abfärben.

BFH Urteil vom 30.06.2022 - IV R 42/19 (veröffentlicht am 27.10.2022)

Alle am 31.10.2022 veröffentlichten BFH-Entscheidungen

Schlagworte zum Thema:  Gewerbebetrieb, Verlust, Vermögensverwaltung