Anwaltskontakt und Corona: Persönliche Termine nur ausnahmsweise

Rechtsuchende dürfen nur ausnahmsweise zum Anwalt. Einen Normenkontrollantrag zur gerichtlichen Überprüfung der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung (SARS-CoV-2-EindmaßnV) beschied das OVG Berlin-Brandenburg als unzulässig. Auch der Eilantrag eines Rechtsanwaltes vor dem VG Berlin wurde zurückgewiesen, da die Maßnahme keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die anwaltliche Berufsfreiheit darstellt.

Der antragstellende Anwalt rügte mit seinem Normenkontrollantrag die in Berlin erlassene "Regelung zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (SARS-CoV-2-EindmaßnV )".

Besuch beim Anwalt nur bei dringend erforderlichen Termin erlaubt 

Gemäß den Vorschriften  § 1 und § 11  und (seit 22. März) § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 n der SARS-CoV-2-EindmaßnV ist der persönliche Besuch beim Rechtsanwalt nur bei einem dringend erforderlichen Termin zulässig. In dem Normenkontrollantrag argumentierte der Rechtsanwalt, diese Regelungen  würden unverhältnismäßig in seine Berufsausübungsfreiheit eingreifen. Dadurch werde er an der Wahrnehmung seiner Funktion als Organ der Rechtspflege gehindert.

Einschränkungen der SARS-CoV-2-EindmaßnV auch für den Rechtsuchenden verfassungswidrig?

Dem Rechtssuchenden werde es durch die zudem erheblich erschwert, bei ihm Rechtsrat einzuholen. Außerdem müsse dieser im Rahmen einer etwaigen Polizeikontrolle die Gründe für den Besuch beim Rechtsanwalt offenlegen, was mit den rechtstaatlichen Geboten unvereinbar wäre.

OVG Berlin-Brandenburg: Normenkontrollverfahren des Rechtsanwalts war unzulässig

Der Antrag wurde vom OVG als unzulässig zurückgewiesen. Nach der Begründung des Gerichts könne im Rahmen eines Normenkontrollantrages nur solche Rechtsvorschriften unterhalb eines Landesgesetzes überprüft werden, wenn das Landesrecht dies bestimme (vgl. § 47 Abs.1 Nr. 2 VwGO). Da der Verordnungsgeber diese Überprüfung nicht vorgesehen habe, bleibe dem Senat eine Überprüfung verwehrt. Der Beschluss des OVG ist unanfechtbar.

Eilantrag vor dem VG Berlin scheitert ebenfalls

Zwischenzeitlich hatte der Antragsteller auch einen Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim VG Berlin gestellt. Dieser wurde nun ebenfalls zurückgewiesen (VG Berlin, Beschluss v. 2.4.2020, 14 L 31.20). Der Antrag sei zwar zulässig, da die Verordnung überprüfbar sein müsse, wenn der Normenkontrollantrag, wie vorliegend, unzulässig sei. Nach der Pressemitteilung drohten jedoch dem Rechtsanwalt keine schweren und unzumutbaren Nachteile.

Potentielle Mandanten müssten bei etwaigen Polizeikontrollen nur Ort und Zeit eines etwaigen Besprechungstermins glaubhaft machen, was „keine erhebliche Hürde für die Inanspruchnahme und Erbringung anwaltlicher Hilfe“ darstelle.

Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens erforderlich

Darüber hinaus verursachen die zeitlich befristeten Maßnahmen im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers allenfalls geringfügige Beeinträchtigungen. Diese seien aufgrund des von der Verordnung bezweckten Schutzes der überragend wichtigen Schutzgüter der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt und insbesondere nicht unverhältnismäßig.

Um eine Steigerung der Ansteckungsrate und eine Überlastung des Gesundheitssystems mit eventuell vielen Toden zu vermeiden, trage es dazu bei, wenn nur dringend erforderliche Termine beim Rechtsanwalt persönlich wahrgenommen werden. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

(OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 30.03.2020, 11 S 13/20).

Praxishinweis:

Das Nachbarland Brandenburg hat die bis zum 31.03.2020 geltende Nachweispflicht für die Erforderlichkeit und Dringlichkeit eines Rechtsanwaltstermins gestrichen. Auch nach der Berliner Rechtsanwaltskammer sei es unvereinbar, wenn ein Rechtssuchender gegenüber Polizei oder sonstigen staatlichen Stellen offenbaren oder gar glaubhaft machen müssten, warum sie einen dringenden Termin beim Rechtsanwalt wahrnehmen müssten.

Norm: SARS-CoV-2-EindämmungsmaßnahmenVO 

§ 14 Kontaktbeschränkungen im Stadtgebiet von Berlin

(1) Im Stadtgebiet von Berlin gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verfassung von Berlin vom 23. November 1995 (GVBl. S. 779), die zuletzt durch Gesetz vom 22. März 2016 (GVBl. S. 114) geändert worden ist, befindliche Personen haben sich, vorbehaltlich anderweitiger Regelungen dieser Verordnung, ständig in ihrer Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft aufzuhalten. Dies gilt auch für wohnungslose Menschen, soweit sie kommunal oder ordnungsrechtlich untergebracht sind.

(2) Das Vorliegen von Gründen, die das Verlassen der Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft nach den Bestimmungen dieser Verordnung erlauben, ist gegenüber der Polizei und den zuständigen Ordnungsbehörden glaubhaft zu machen. Bei jeglichem Aufenthalt außerhalb der Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft ist – soweit möglich – ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen, sofern sie nicht Ehe- oder Lebenspartnerinnen oder -partner sind oder dem eigenen Haushalt angehören, einzuhalten.

(3) Gründe im Sinne des Absatzes 2 sind insbesondere:

a) die Ausübung beruflicher, mandatsbezogener oder ehrenamtlicher Tätigkeiten, auch an wechselnden Einsatzstellen,
b) die Inanspruchnahme medizinischer und veterinärmedizinischer Versorgungsleistungen (z. B. Arztbesuch, medizinische Behandlungen; Blutspenden) sowie der Besuch bei Angehörigen helfender Berufe, soweit dies medizinisch dringend erforderlich ist (z. B. Psycho- und Physiotherapeuten),
c) Besorgungen des persönlichen Bedarfs in Verkaufsstellen und Inanspruchnahme von Dienstleistungen mit Ausnahme derjenigen, die nach § 2 bis § 4 untersagt sind,
d) der Besuch bei Ehepartnerinnen und Ehepartnern oder Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern und die Wahrnehmung des Sorgerechts oder Umgangsrechts im jeweiligen privaten Bereich,
e) der Besuch bei alten oder kranken Menschen oder bei Menschen mit Einschränkungen außerhalb von Einrichtungen; innerhalb von Einrichtungen nur nach Maßgabe von § 6,
f) die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen,
g) die Begleitung Sterbender sowie Beerdigungen im engsten Familien- oder Freundeskreis,
h) das Verlassen und Wiederbetreten des Stadtgebiets von Berlin, sofern es auf direktem Weg von beziehungsweise zu der Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft erfolgt,
i) Sport und Bewegung an der frischen Luft, alleine, mit Angehörigen des eigenen Haushalts oder mit einer anderen Person, ohne jede sonstige Gruppenbildung,
j) Handlungen zur Versorgung und Betreuung von Tieren,
k) die Bewirtschaftung von gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Flächen,
l) der Besuch von Veranstaltungen oder Versammlungen, die nach Maßgabe von § 1 erlaubt oder genehmigt sind,
m) die Teilnahme an Prüfungen,
n) die Wahrnehmung dringend erforderlicher Termine bei Behörden, Gerichten, Rechtsantragsstellen, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und Notarinnen und Notaren,
o) die Befolgung behördlicher, staatsanwaltschaftlicher oder polizeilicher Vorladungen,
p) die individuelle stille Einkehr in Kirchen, Moscheen, Synagogen und Häusern anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften.

(4) Bei Aktivitäten nach Absatz 3 i sind Erholungspausen auf fest installierten Sitzgelegenheiten bei Wahrung des Mindestabstands nach Absatz 2 zulässig, auf Wiesen und Freiflächen bei Wahrung eines Mindestabstands von 5 m. Grillen und das Anbieten offener Speisen sind nicht zulässig. Zur Vermeidung von Überfüllungen können Zugangsbeschränkungen für Parks und Grünanlagen festgelegt werden.


Schlagworte zum Thema:  Rechtsanwalt, Berufsfreiheit, Coronavirus