Der 1. Teil[6] bietet in sehr aggregierter Form und unter Bezug auf Vorarbeiten, insbesondere von Reinhard Zimmermann an anderer Stelle,[7] einen Überblick über die Konzepte des zwingenden Angehörigenschutzes im römischen Recht, den frühen und modernen Kodifikationen in Westeuropa wie in anderen Teilen der Welt und in Rechtsordnungen ohne Zivilrechtskodifikationen. Der Überblick zeigt, dass es neben den beiden Hauptausprägungen des zwingenden Angehörigenschutzes, nämlich der auf einen zwingenden Bruchteil beschränkten Erbenstellung der Angehörigen und dem Modell des zwingenden Zahlungsanspruchs, wie er sich im BGB findet, zumindest auch bedarfsabhängige Ansätze gab und gibt. Der Überblick endet mit der Frage, ob nicht auch ein bedarfsorientiertes Modell des zwingenden Angehörigenschutzes in Deutschland umgesetzt werden kann und sollte.[8]

Bevor der Vorschlag hierfür entwickelt wird, müssen die Autoren allerdings noch eine mögliche verfassungsrechtliche Hürde überwinden. So hat das BVerfG in einem Beschluss aus dem Jahr 2005[9] festgehalten, dass (jedenfalls) das Pflichtteilsrecht der Kinder von der Verfassung geschützt ist. Die Autoren des besprochenen Bands arbeiten heraus, dass es sich dabei lediglich um ein obiter dictum handelt, auf das sich die Bindungswirkung von Entscheidungen des BVerfG nicht bezieht.[10] Die Autoren setzen sich auch im Übrigen kritisch mit der inhaltlichen Begründung des BVerfG auseinander.[11] Die Diskussion mündet in der Feststellung, dass es an guten Gründen für eine feste Quotenteilhabe am Nachlass fehle und deren Erfordernis jedenfalls nicht in die Verfassung hineingelegt werden solle.[12]

Der 1. Teil endet mit einer Darlegung der Entwicklungslinien der grundsätzlichen passiven Unvererblichkeit der Unterhaltsansprüche im BGB und der Ausnahmen von diesem Grundsatz. Es wird dargelegt, inwieweit das BGB die passive Vererblichkeit von Unterhaltsansprüchen kannte und auch heute noch kennt (letzteres heute noch in § 1586b S. 1 BGB für den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten und in § 1615l BGB für den Unterhaltsanspruch der Mutter gegen den Vater aus Anlass der Geburt des gemeinsamen Kindes). Es wird auch herausgearbeitet, dass es sich bei Pflichtteil und Unterhaltsanspruch gegen den Erben um funktionale Äquivalente handelt, die auch nicht gut miteinander harmonieren.[13] Der Band verfolgt dann im Weiteren konsequent das Modell des passiv vererblichen Unterhaltsanspruchs.

[6] S. 3 ff., Rn 3 ff.
[7] Vgl. Zimmermann, Pflichtteil und Noterbenrecht in historisch-vergleichender Perspektive, RabelsZ 84 (2020), 465–547; ders., Protection against Being Passed Over or Disinherited in Roman Law, in: Reid, Kenneth G.C./De Waal, Marius J./Zimmermann, Reinhard (Hrsg.), Mandatory Family Protection, Oxford 2020, 1–19; ders., Zwingender Angehörigenschutz im Erbrecht – Entwicklungslinien jenseits der westeuropäischen Kodifikationen, RabelsZ 85 (2022), 1–75; ders., "So jemand die Seinen, sonderlich seine Hausgenossen, nicht versorget, …": Zum Schutz der Angehörigen bei Enterbung, AcP 222 (2022), 3–55.
[8] Vgl. S. 18, Rn 19.
[10] Vgl. S. 20, Rn 22.
[11] S. 20 ff., Rn 23 ff.
[12] Vgl. S. 24, Rn 26.
[13] Vgl. S. 29 ff, Rn 32.

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