1 Leitsatz

In einem Teileigentum kann ein Hostel betrieben werden. Sieht die Gemeinschaftsordnung für die im Sondereigentum stehenden Räume eines Teileigentums vor, dass diese als "Laden, Büro, Praxis oder Gastronomiebetrieb" gebraucht/genutzt werden dürfen, ist nicht eindeutig, ob es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung verschiedener Gebrauchs-/Nutzungsmöglichkeiten handelt.

2 Normenkette

WEG § 1 Abs. 3, § 15 Abs. 1

3 Sachverhalt

Die Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung) enthält unter der Überschrift "Veräußerungs- und Nutzungsbeschränkung, Wertverbesserung" die Bestimmung, dass der jeweilige Eigentümer des Teileigentums 10 – Eigentümer ist B – sein Sondereigentum als "Laden, Büro, Praxis oder Gastronomiebetrieb" nutzen/gebrauchen darf. Der Mieter des B gebraucht die Räume als Hostel. Er vermietet 3 Einzelzimmer und einen großen Raum mit 6 sog. "Sleepboxen" an Touristen. Der Zugang zum Hostel erfolgt direkt von der Straße aus über den (ehemaligen) Ladeneingang. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klagt nach Vergemeinschaftung der entsprechenden Ansprüche der Wohnungseigentümer gegen B auf Unterlassung.

4 Entscheidung

Ohne Erfolg! Der Betrieb eines Hostels stelle keine unzulässige Wohnnutzung, sondern eine in einem Teileigentum zulässige Heimnutzung dar. Die Gemeinschaftsordnung stehe dem nicht entgegen. Der Formulierung "Laden, Büro, Praxis oder Gastronomiebetrieb" lasse sich nicht eindeutig entnehmen, ob damit der Gebrauchs-/Nutzungszweck auf diese Nutzungsarten beschränkt sei oder ob es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung verschiedener Nutzungsmöglichkeiten handele.

Hinweis

Die Räume eines Wohnungseigentums – das Sondereigentum – sind zum Wohnen bestimmt. Ihr ordnungsmäßiger Gebrauch richtet sich nach diesem Zweck; hierzu gehört in erster Linie der Gebrauch der Wohnung als Lebensmittelpunkt. Der Begriff "Wohnen" ist allerdings weit zu verstehen. Entscheidend ist, welcher Gebrauch im Sondereigentum selbst stattfindet.

Überblick:

  • Was die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden angeht, dient die Überlassung von Wohnungen von üblicher Größe und Beschaffenheit an diesen Personenkreis grundsätzlich Wohnzwecken. Dies gilt auch dann, wenn die Bewohner familiär nicht verbunden sind.
  • Der Gebrauch von Wohnräumen als Heim oder heimähnliche Einrichtung dient hingegen nicht Wohnzwecken. Eine solcher Gebrauch ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung erfolgt, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist, und in der eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt. Insoweit bedarf es einer Gesamtschau verschiedener Kriterien, die die Art der Einrichtung und die bauliche Gestaltung und Beschaffenheit der Räume einbezieht. Werden mehrere Räume mit gleicher Zielrichtung in eine solche Organisationsstruktur eingegliedert, kann deren Gebrauch nicht isoliert, sondern nur insgesamt beurteilt werden. Nach diesem Maßstab wird im Bereich der Altenpflege etwa das betreute Wohnen als Wohnen anzusehen sein, nicht aber ein Gebrauch durch stationäre Pflegeeinrichtungen.
  • Kein "Wohnen" ist der Gebrauch von Wohnräumen als Ingenieur-Planungsbüro ohne Publikumsverkehr, als Patentanwaltskanzlei oder als eine psychologische Einzelpraxis. Die Zulässigkeit dieses Gebrauchs kann sich allerdings der Sache nach aus einer typisierenden Betrachtungsweise ergeben. Auch für die Frage, ob die Nutzung als Büro zulässig ist, kommt es nach dieser Betrachtungsweise auf die Umstände an.
  • Unzulässig ist nach noch h. M. hingegen der Gebrauch von Wohnräumen für: eine Tagesmutter mit mehreren Kindern, als Arztpraxis mit erheblichem Patientenverkehr, als Laden, als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis oder die Ausübung der Prostitution.

In den Räumen eines echten Teileigentums – dem Sondereigentum – ist grundsätzlich jeder gewerbliche Gebrauch zulässig, der nicht gerade "wohnen" ist, soweit nichts anderes bestimmt wird. Etwas "anderes" kann sich allerdings der Sache nach auch aus einer typisierenden Betrachtungsweise ergeben, wenn es sich um ein Gebäude handelt, in dem es nicht nur Teileigentum gibt und wenn es nicht um unselbstständiges Teileigentum geht. Obwohl es kein "wohnen" ist, soll – etwa wegen negativer Auswirkungen auf den Verkehrswert – die Ausübung der Prostitution grundsätzlich unzulässig sein. Der Gebrauch der Räume eines Teileigentums als Gemeindezentrum oder als Kirche soll hingegen erlaubt sein.

Nebenräume eines Wohnungseigentums sind, ist nichts anderes vereinbart, "unselbstständiges" Teileigentum. Unselbstständiges Teileigentum darf "zu nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken" nicht gebraucht werden. Erlaubt ist hingegen, dort u. a. Dinge abzustellen oder Hobbies zu betreiben. Ferner darf unselbstständiges Teileigentum als Party- oder Werkraum, als Waschküche oder als Keller gebraucht werden.

5 Link zur Entscheidung

LG Berlin, Urteil v. 28.5.2019, 55 S 95/18 WEG

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