Entscheidungsstichwort (Thema)

Inbox-Werbung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Rechtsmissbräuchlichkeit i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG, wenn die Kenntnis der Klägerin von dem Wettbewerbsverstoß auf privat erlangtem Wissen des Klägervertreters beruht und der Klägervertreter sodann Eigeninitiative bei der Erlangung der Mandate entfaltete.

Die streitgegenständlichen Werbeanzeigen im Posteingang eines kostenlosen E-Mail-Postfachs der Deutschen Telekom ("T-Online.de Mail Ad") stellen unter Berücksichtigung der Vorgaben der Datenschutzrichtlinie keine Werbung unter Verwendung elektronischer Post gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Sie sind auch keine unzumutbare Belästigung im Sinne der Generalklausel des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG.

 

Normenkette

TMG § 6 Abs. 1 Nr. 1; UWG §§ 3a, 5a Abs. 6, §§ 7, 8 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 3 HK O 4495/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.01.2022; Aktenzeichen I ZR 25/19)

BGH (Beschluss vom 30.01.2020; Aktenzeichen I ZR 25/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22.03.2018, Az. 3 HK O 4495/17, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils und des Berufungsurteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. I. Die Parteien, die Mitbewerber auf dem Strommarkt sind, streiten über einen Anspruch auf Unterlassung von Werbeanzeigen in dem kostenlosen E-Mail-Postfach "................. .de" des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Die Klägerin wendet sich dabei dagegen, dass die Werbung der Beklagten direkt in der Liste der eingehenden E-Mails integriert ist.

Die Beklagte nutzt E-Mail-Accounts der Plattform T-Online.de für Werbung für ihre Stromlieferungsangebote, indem sie die Streithelferin, die Fa. I...................GmbH, mit der Schaltung von Werbebannern in Mailboxen von T-Online-Nutzern beauftragte. Entsprechend erschien im privaten Postfach des Klägervertreters bei T-Online.de im "Posteingang" am 12.12.2016, 13.01.2017 und 15.01.2017 eine Werbeanzeige der Beklagten entsprechend der Anlagen K 1, K 2 und K 3. Die Anzeige konnte durch Anklicken des "x" weggeklickt werden; durch Klicken auf das Anzeigefeld und den in der Anzeige hinterlegten Hyperlink konnte die detaillierte Werbung der Beklagten auf der Zielseite aufgerufen werden.

Der Klägervertreter mahnte die Beklagte am 20.12.2016 wegen der Werbung am 12.12.2016 im Namen eines anderen Mitbewerbers (Anlage B 5) und im Namen der Klägerin und anderer Stadtwerke und Stromlieferer mit Schreiben vom 23.06.2017 ab (Anlage K 8).

Im Verfahren 13 O 181/17 vor dem Landgericht Weiden verfolgt der Klägervertreter die hier streitgegenständlichen Ansprüche gegenüber einem anderen Beklagten im eigenen Namen (Anlage STV12). Dieses Verfahren ist beim Senat unter dem Aktenzeichen 3 U 609/18 anhängig.

II. Am 22.03.2018 erließ das Landgericht Nürnberg-Fürth das nachfolgende Endurteil:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer an ihrem Geschäftsführer zu vollziehenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Werbung über das email-account "T-Online.de" zu betreiben im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Strom an Letztverbraucher, wenn dies so geschieht wie folgt

[Es folgt die Einblendung von Anlage K 3]

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.531,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-punkten über dem Basiszinssatz ab 15.08.2017 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des streitgegenständlichen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs durch die Klägerin gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 UWG zu verneinen sei. Auch wenn die Kenntnis der Klägerin von dem streitgegenständlichen Wettbewerbsverstoß auf privat im Zusammenhang mit der Nutzung des eigenen T-Online-E-Mail-Accounts erlangtem Wissen des Klägervertreters beruhe und der Klägervertreter Eigeninitiative bei den beiden Abmahnungen der Beklagten entfaltet habe, diene die Rechtsverfolgung nicht dem Interesse des Klägervertreters an der Erzielung von Einnahmen aus Abmahntätigkeit, da die anderen Unternehmen, die auf seinem T-Online-Postfach Werbung schalten, nicht mit Abmahnungen überzogen worden seien. Es würden auch keine rechtsmissbräuchlichen Mehrfachabmahnungen durch den Klägervertreter aus eigener Initiative vorliegen, da der Klägervertreter ohne eigenes Zutun mit der Werbung in seinem Post...

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