Entscheidungsstichwort (Thema)

Agile Softwareentwicklung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein aus einer Zwei-Personen-GmbH ausgeschiedener Mitgesellschafter verstößt gegen seine nachwirkende mitgliedschaftliche Treuepflicht, wenn er die Projektleitung für eine Softwareentwicklung in agiler Arbeitsweise, welche er für eine Kundin der GmbH innehatte, in seinem neuen beruflichen Wirkungskreis ohne Zustimmung der Gesellschaft fortsetzt.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 29.07.2021; Aktenzeichen 11 O 537/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. Juli 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.513,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 10. Juli 2018 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil des Senats ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen Nutzung von Firmendaten für eigene gewerbliche Zwecke nach dem Ende seiner Tätigkeit für die Klägerin.

Die Klägerin ist ein Software-Unternehmen.

Der Beklagte war einerseits Mitgesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 49 %.

Er arbeitete andererseits im Unternehmen auf der Grundlage eines sog. "Arbeitsvertrages" als "Senior Consultant" im Bereich der Projektleitung, insbesondere für Projekte der kundenspezifischen Softwareentwicklung (vgl. § 2 Nr. 1 AV), welches der Senat in zwei parallelen Rechtsstreitigkeiten rechtlich als Dienstverhältnis qualifiziert hat. Im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses unterlag er spezifischen Verschwiegenheitspflichten (vgl. § 9 AV). Für Ansprüche aus diesem Vertrag galt eine sog. Verfallklausel (vgl. § 11 AV). Das Dienstverhältnis wurde durch den Aufhebungsvertrag vom 18./21.01.2016 zum 31.01.2016 beendet; der Aufhebungsvertrag enthielt in § 3 eine nachlaufende, inhaltlich an § 9 AV anknüpfende Verschwiegenheitspflicht.

Schließlich wirkte der Beklagte ohne einen gesonderten Anstellungsvertrag auch im Rahmen der Geschäftsführung mit - er war alleinvertretungsberechtigter Prokurist, aber seine Stellung in der Gesellschaft ist, wie der Senat in einer parallelen Rechtssache ausgeführt hat, nicht diejenige eines sog. faktischen Geschäftsführers. Insoweit unterzeichnete er jeweils am 04.11.2012 zwei Erklärungen über die Bedingungen der Nutzung des E-Mail-Accounts der Klägerin und der Nutzung des Zugriffs auf interne Daten und Systeme der Klägerin (vgl. Anlage K 7).

Während seines Dienstverhältnisses bei der Klägerin war der Beklagte u.a. auch Projektleiter für eine Softwareentwicklung für die Fa. C. GmbH (künftig: Kundin). Hierüber hatten die Klägerin und die Kundin im Sommer 2015 einen (undatierten) Werkvertrag für eine agile Entwicklung von Software nach Kundenanforderungen (Anlage K 2) geschlossen. Für die Vertragsabwicklung richtete der Beklagte unter Nutzung eines Abonnements ("subscription") der Klägerin u.a. für die Kundin einen Account in einer cloudbasierten Anwendung ("A.") ein, in welchem die Arbeitsergebnisse hinterlegt wurden.

Jedenfalls nach dem Ausscheiden des Beklagten bei der Klägerin am 31.01.2016 wurde die bereits am 26.11.2015 von der Lebensgefährtin des Beklagten, St. W., gegründete D. UG (haftungsbeschränkt) (künftig: D. UG) für die Kundin tätig. Der Beklagte führte für die D. UG die bei der Klägerin begonnene Softwareentwicklung fort und nutzte hierfür den Account der Kundin bei der vorgenannten cloudbasierten Anwendung. Die D. UG erteilte der Kundin am 18.05.2016 eine Rechnung für ihre Leistungen in Höhe der ursprünglich zwischen der Klägerin und der Kundin vereinbarten Pauschalvergütung, welche die Kundin beglich. Der Beklagte war nach eigenen Angaben zunächst Angestellter der D. UG und wurde im Jahre 2018 im Rahmen der Umwandlung in eine GmbH Mitgesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 50 %.

Wie der Kontakt zwischen der Kundin und der D. UG zustande kam, ist zwischen den Prozessparteien streitig. Die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte ihren geschäftlichen Kontakt zur Kundin "an sich gerissen" bzw. von der Klägerin an die D. UG "umgeleitet" habe. Der Beklagte hat dies bestritten und dagegen behauptet, dass die Kundin von sich aus die D. UG kontaktiert und mit der Fortführung der Entwicklungsleistungen beauftragt habe.

Spätestens durch eine Information des Betreibers der cloudbasierten Anwendung vom 07.06.2016 erhielt die Klägerin Kenntnis von diesem Vorgang. Sie wandte sich mit Schreiben vom 20.07.2016 und vom 12.08.2016 an die Kundin mit der Bitte um ordnungsgemäße Beendigung des Vertragsverhältnisses - durch Ausspruch einer Kündigung - und um Klärung, dass etwaige Gewährleistungsansprüche ausschließlich gegen die D. UG gerichtet würden. Dies bestätigte die Kundin mit E-Mail vom 19.08.2016.

Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schriftsatz vom 29.06.2018 (vgl. Anlage K 9) ...

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