Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachverständigenablehnung wegen Täuschungsvorwurf

 

Normenkette

ZPO § 406

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 28.01.2009; Aktenzeichen 16 O 224/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 28.1.2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Prof. Dr. med. N. W. wird für begründet erklärt.

Das Ablehnungsgesuch gegen Dr. me d.A. S. wird für unbegründet erklärt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, einer Versicherungsgesellschaft, Zahlung einer Leistung aus einem Unfallversicherungsvertrag. Die Parteien streiten über den Grad der bei dem Kläger aufgrund eines Verkehrsunfalls eingetretenen Invalidität.

Das LG Koblenz (Einzelrichter) hat durch vorterminlichen Beweisbeschluss eine orthopädische Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. W., T., angeordnet. Der Sachverständige hat unter Hinzuziehung des Oberarztes Dr. S., der einen Entwurf gefertigt hat, ein schriftliches Gutachten erstattet und mit Schreiben vom 8.7.2008 zu weiteren Fragen des Klägers Stellung genommen. Das Schreiben ist den Parteivertretern zur Stellungnahme zugeleitet worden. Mit Schriftsatz vom 14.11.2008, der innerhalb der (verlängerten) Stellungnahmefrist bei Gericht eingegangen ist, hat der Kläger den Sachverständigen Prof. Dr. W. sowie den Oberarzt Dr. S. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Sachverständige hat zu dem Befangenheitsantrag Stellung genommen. Durch Beschluss vom 28.1.2009 hat das LG Koblenz die Ablehnungsgesuche zurückgewiesen. Der Beschluss ist dem Klägervertreter am 6.2.2009 zugestellt worden. Mit der sofortigen Beschwerde, die am 20.2.2009 bei dem LG eingegangen ist, verfolgt der Kläger seine Ablehnungsanträge weiter. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nach § 406 Abs. 5, Alt. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat hinsichtlich des gegen den Sachverständigen Prof. Dr. W. gerichteten Ablehnungsgesuchs auch in der Sache Erfolg. Das Ablehnungsgesuch gegen den Oberarzt Dr. S. ist hingegen unzulässig, so dass die sofortige Beschwerde insoweit zurückzuweisen ist.

1. a) Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit (§ 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO) ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände begründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, Beschl. v. 11.6.2008 - X ZR 124/06, GRUR-RR 2008, 365 m.w.N.). Soweit es um seine Pflicht zur Objektivität und Neutralität ggü. den Verfahrensbeteiligten geht, muss sich der Sachverständige grundsätzlich an denselben Maßstäben messen lassen, die für den Richter gelten; ebenso wie der Richter muss der Sachverständige als sein Helfer alles vermeiden, was ein auch nur subjektives Misstrauen einer Partei in seine Unabhängigkeit rechtfertigen könnte (OLG Hamm, Beschl. v. 11.5.2006 - 32 W 30/05; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.8.2008 - 9 W 39/08).

Die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen kann durch beleidigende, herabsetzende oder unsachliche Äußerungen gegenüber einer Partei begründet sein (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.1981 - IVa ZR 108/80, NJW 1981, 2009, 2010; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.; Zimmermann in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 406 Rz. 5; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 406 Rz. 39 ff. m.w.N.). Eine vernünftig denkende Partei kann auch dann Anlass zur Besorgnis haben, der Sachverständige - ebenso wie der Richter - sei ihr gegenüber nicht unvoreingenommen, wenn er die Partei ohne hinreichenden Anlass oder hinreichende Begründung einer Täuschungshandlung oder einer Straftat bezichtigt (jeweils betreffend Richter: OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 1084; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rz. 22b m.w.N.; Musielak/Heinrich, ZPO, 6. Aufl., § 42 Rz. 13 m.w.N.).

b) So liegt es hier. Der Sachverständige Prof. Dr. W. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8.7.2008 u.a. ausgeführt:

"Damit stellt sich uns die Frage, weshalb der Kläger zur gutachterlichen Untersuchung in der Praxis Dr. K. [dem von der beklagten Versicherung beauftragten Gutachter] eine Achselkrücke mitgeführt hat, welche offensichtlich deutliche Gebrauchsspuren aufgewiesen hat. Für den Fall, dass er diese nicht regelmäßig benutzt oder auch nur ausnahmsweise benutzt, wäre dies als Äußerun...

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