Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessene Abfindung der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Bestimmung der angemessenen Abfindung für die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre.

2. Der Börsenwert der Aktie ist Untergrenze der angemessenen Barabfindung. Dieser ist nach dem Durchschnittskurs innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der beabsichtigten Strukturmaßnahme zu bestimmen. Der Referenzzeitraum ist nicht vorzuverlegen im Hinblick auf die Bekanntmachung von zeitlich früheren Maßnahmen - hier Anteilserwerb durch die Hauptaktionärin -, die den späteren Squeeze-Out vorbereitet haben.

3. Zu der Voraussetzung eines "längeren Zeitraums" für eine Hochrechnung des Börsenkurses auf den Tag der Hauptversammlung, an welchem die Strukturmaßnahme beschlossen wird.

4. Eine Verzinsung des Börsenwerts bis zum Bewertungsstichtag hat nicht zu erfolgen.

 

Normenkette

AktG §§ 327a, 327b; UmwG § 62

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Beschluss vom 08.05.2023; Aktenzeichen 24 AktE 2/13 (2))

 

Tenor

1. Die Beschwerden der Antragsteller zu 2, 3, 14, 40-42, 5-8, 9, 28 und 29, 53 und 54, 57 und 58, 63, 64 und 65 gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 08.05.2023, Az. 24 AktE 2/13 (2), werden zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten und die Kosten des gemeinsamen Vertreters trägt die Beschwerdegegnerin. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die angemessene Barabfindung nach § 327a AktG wegen der Übertragung von Anteilen auf die Hauptaktionärin.

Die Antragsteller waren Aktionäre der M. Holding AG mit Sitz in Mannheim. Die M. Holding AG (i.F.: MAG) war die börsennotierte Muttergesellschaft der M. -Gruppe, eines auf Marktnischen und -segmente spezialisierten Versicherungskonzernes. Die MAG betrieb neben ihrer Funktion als konzernleitende Holding in geringem Umfang ein eigenes Rückversicherungsgeschäft. Das operative Versicherungsgeschäft wurde von den Konzerntöchtern M. Versicherung AG (i.F.: MVG), M. Krankenversicherung AG (i.F.: MKV) und ma Lebensversicherung AG (i.F.: maLV), jeweils mit Sitz in Mannheim, betrieben.

Die Antragsgegnerin ist die vormalige d. i. versicherung aktiengesellschaft (i.F.: div) mit Sitz in Dortmund. Sie ist im Handelsregister des Amtsgerichts Dortmund unter HRB ... eingetragen. Nach der Einschmelzung der MAG firmiert die Antragsgegnerin zunächst als M. Holding Aktiengesellschaft, Dortmund (i.F.: MAG neu). Die Antragsgegnerin ist über die Con. Holding Aktiengesellschaft, Dortmund (i.F.: Con.) eine mittelbare Tochtergesellschaft der Con. Krankenversicherung a.G. Im Jahr 2015 wurde sie mit der Con. Holding Aktiengesellschaft verschmolzen und führt seither diese Firma.

Das Grundkapital der MAG betrug 63.080.000 EUR und war in ebenso viele auf den Namen lautende Stückaktien aufgeteilt. Die Aktien waren unter der ISIN ... (WKN ...) zum Handel im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet. Sie wurden darüber hinaus im Freiverkehr an den Wertpapierbörsen Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart gehandelt.

Die österreichische Versicherungsgruppe U. war seit dem Jahr 2004 Mehrheitsaktionärin der MAG und baute ihre Beteiligung kontinuierlich aus. Im Jahr 2011 hielt die U. 57.883.230 Aktien an der MAG (91,68 %).

Am 24.11.2011 teilte die U. per Ad-Hoc-Mitteilung den beabsichtigten Verkauf der Beteiligung an der MAG an die Con.-Gruppe mit.

Mit Kaufvertrag vom 16.04.2012 erwarb die Antragsgegnerin von der U. deren Anteile an der MAG. Der Kaufpreis für die 57.833.230 MAG-Aktien betrug nach der - von einigen Antragstellern bestrittenen - Behauptung der Antragsgegnerin (AS I 86) 205.583.000 EUR (= 3,555 EUR/Aktie). Die U. übernahm gegenüber Gesellschaften der MAG-Gruppe weitere Verpflichtungen, als Gegenleistung zahlte die Con., die Muttergesellschaft der div, einen Betrag von 1.000.000 EUR an die U. Weitere Einzelheiten des Kaufvertrages unterliegen der Geheimhaltung.

Am 29.06.2012 erfolgte die dingliche Übertragung der von der U. gehaltenen Aktien an die Antragsgegnerin.

Am 07.08.2012 veröffentlichte die Antragsgegnerin eine Angebotsunterlage für ein Pflichtangebot an die Aktionäre der MAG. Im Rahmen des Pflichtangebots erwarb die Antragsgegnerin weitere 991.089 Aktien der MAG. Am 24.10.2012 hielt die Antragsgegnerin 58.824.319 Aktien (93,25 %).

Mit Schreiben vom 16.07.2012 informierte die Antragsgegnerin (damals firmierend als div) den Vorstand der MAG über ihre Verschmelzungsabsicht und die Absicht, einen Beschluss der Hauptversammlung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung herbeizuführen. Mit ad-hoc-Mitteilung vom 17.07.2012 wurde die Absicht der Konzernverschmelzung der MAG auf die div und eines Ausschlusses der Minderheitsaktionäre der MAG im Zusammenhang mit der Verschmelzung (umwandlungsrechtlicher Squeeze-Out) bekannt gegeben.

Die Antragsgegnerin hat die ange...

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