Entscheidungsstichwort (Thema)

Blitzer-App. Zur Ahndbarkeit der Nutzung einer vom Fahrer nicht selbst aktivierten "Blitzer-App"

 

Leitsatz (amtlich)

Ein durch § 23c Abs. 1 Satz 3 StVO verbotenes Verwenden der zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten Funktion eines technischen Geräts, das auch zu anderen Nutzungszwecken verwendet werden kann, liegt auch dann vor, wenn ein anderer Fahrzeuginsasse mit Billigung des Fahrzeugführers auf seinem Mobiltelfon eine App geöffnet hat. mit der vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gewarnt wird.

 

Normenkette

StVO § 23c Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Entscheidung vom 07.10.2022; Aktenzeichen 15a Owi 570 Js 13458/22)

 

Tenor

  1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 07.10.2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Betroffene des vorsätzlichen Verwendens der Funktion eines auch zu anderen Nutzungszwecken verwendeten technischen Geräts zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen schuldig ist.
  2. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
 

Gründe

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 7.10.2022 wurde der Betroffene wegen vorsätzlichen Mit-SichFührens eines betriebsbereiten technischen Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen, zu der Geldbuße von 100 € verurteilt. Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene am 31.1.2022 im Stadtgebiet von A. einen PKW mit teilweise deutlich überhöhter Geschwindigkeit und unterließ mehrfach den gebotenen Einsatz des Fahrtrichtungsanzeigers. Dabei wusste er, dass auf dem in der Mittelkonsole abgelegten Mobiltelefon seiner Beifahrerin die App "Blitzer.de" geöffnet war. Die Überzeugung zur vom Betroffenen bestrittenen subjektiven Tatseite hat das Amtsgericht auf eine Bekundung des den Betroffenen kontrollierenden Polizeibeamten gestützt, wonach der Betroffene nach dem Anhalten bewusst das Mobiltelefon zur Seite geschoben habe, und dies außerdem in Beziehung zu dem vorherigen Fahrverhalten des Betroffenen gesetzt.

Mit dem form- und fristgerecht eingelegten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird geltend gemacht, dass ein Verstoß gegen die Norm nur bei einem vom Fahrzeugführer selbst wissentlich aktivierten Gerät vorliege, das sich in seinem unmittelbaren Zugriff befindet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit Antragsschrift vom 11.1.2023 beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Der originär zuständige Einzelrichter hat mit Beschluss vom 7.2.2023 die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil der Fall mangels dazu bislang ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung Gelegenheit bietet, die über den Einzelfall hinaus bedeutsame Frage zu klären, ob ein durch § 23 Abs. 1c Satz 2 StVO verbotenes Verwenden der zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten Funktionen eines technischen Gerätes, das auch zu anderen Nutzungszwecken verwendet werden kann, auch dann vorliegt, wenn ein anderer Fahrzeuginsasse mit Billigung des Fahrzeugführers auf seinem Mobiltelefon eine App geöffnet hat, mit der vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gewarnt wird.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung (§§ 79 Abs. 6 OWiG), im Übrigen ist sie unbegründet (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).

1. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§§ 46 OWiG, 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Betroffenen zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die rechtsbeschwerderechtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt oder sich die Schlussfolgerungen des Tatrichters so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (st. Rspr. des BGH, vgl. etwa BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 64; NStZ-RR 2019, 317).

Daran gemessen bilden insbesondere die zur Begründung der Annahme vorsätzlichen Handelns des Betroffenen angeführten Umstände eine hinreichende tatsächliche Grundlage für den daraus von der Tatrichterin gezogenen Schluss.

2. Die getroffenen Feststellungen tragen allerdings nicht eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1 c Satz 1 und 2 StVO.

In der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist dazu zutreffend ausgeführt:

"Bei dem vom Betroffenen verwendete...

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