Leitsatz (amtlich)

1. Ein Informationsschreiben, das den Versicherungsnehmer ohne inhaltliche Änderung der vereinbarten Versicherungsbedingungen allein über die neue Gesetzeslage informiert, ist keine Vertragsanpassung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 EGVVG.

2. Aufklärungsobliegenheiten (hier: gem. § 7 I (2) AKB 2005) dienen dem Zweck, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entschlüsse zu fassen. Fehlt das entsprechende Aufklärungsbedürfnis des Versicherers deshalb, weil er einen maßgeblichen Umstand bereits kennt (hier: weil er den vom Versicherungsnehmer im Schadensformular nicht angegebenen Steinschlagschaden selbst reguliert hat), so verletzen unzulängliche Angaben des Versicherungsnehmers über diesen Umstand keine schutzwürdigen Interessen des Versicherers und können deshalb die Sanktion der Leistungsfreiheit nicht rechtfertigen.

3. Gibt der Versicherungsnehmer den vom Versicherer im Schadensformular erfragten Kaufpreis des von ihm als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs unzutreffend mit 37.000 EUR statt 27.000 EUR an, so ist der Versuch einer arglistigen Täuschung jedenfalls dann nicht als bewiesen anzusehen, wenn der Kläger den Kaufpreis aus dem Gedächtnis hat rekonstruieren müssen, nachdem der Kaufvertrag, der sich zum Zeitpunkt des Diebstahls im Fahrzeug befunden hatte, ebenfalls gestohlen worden war, der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Zuge der Schadensregulierung den Versuch unternommen hat, den für die Regulierung maßgeblichen Fahrzeugwert zu seinen Gunsten zu beschönigen, diesen insbesondere bei Anzeigenerstattung gegenüber der Polizei zutreffend angegeben hat, und sonstige Anhaltspunkte, die einen Hinweis auf eine (versuchte) arglistige Täuschung geben könnten, fehlen.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 21.01.2011; Aktenzeichen 17 O 119/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.1.2011 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil des LG Essen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Teilkaskoversicherung im Zusammenhang mit einem behaupteten Diebstahl seines Fahrzeugs, einem VW T4 Multivan, vom 11.9.2009.

Dem Versicherungsverhältnis lagen bei Abschluss des Versicherungsvertrages die AKB 2005 zugrunde. Mit Rundschreiben aus September 2008 hat die Beklagte sämtliche Versicherungsnehmer über die zum 1.1.2009 in Kraft tretenden Änderungen des Versicherungsvertragsgesetzes informiert. Auf den Wortlaut des Formularschreibens "Anpassung Ihrer Versicherungsverträge an das neue Versicherungsvertragsgesetz - Ergänzung zu Ihren Versicherungspolicen" (Anlage B B 3 zum nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 1.12.2011, Bl. 224d. GA) nebst Anlage "Information zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes" (Anlage B B 4 zum nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 1.12.2011, Bl. 225d. GA) wird insoweit Bezug genommen.

Wegen des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des LG Essen verwiesen.

Das LG hat der Klage im Wesentlichen - unter Abzug lediglich der bedingungsgemäß vereinbarten Selbstbeteiligung von 150 EUR - stattgegeben und die Beklagte durch Urteil vom 21.1.2011 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 25.3.2011 verurteilt, an den Kläger 21.850 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 9.11.2009 zu zahlen sowie den Kläger von einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte P i.H.v. 1.023,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23.7.2010 freizustellen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass der Kläger durch die Bekundungen seiner Ehefrau das äußere Bild eines Diebstahls nachgewiesen habe. Die Zeugin sei glaubwürdig, ihre Angaben glaubhaft. Demgegenüber sei es der Beklagten nicht gelungen, konkrete Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aufgrund derer die Vortäuschung eines Diebstahls erheblich wahrscheinlich wäre. Aus dem zunächst nicht angegebenen Glasschaden, dem unstreitig zu hoch angegebenen Kaufpreis von 37.000 EUR und den Angaben des Klägers über das Sonderzubehör ergebe sich auch bei der notwendigen Gesamtbetrachtung keine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen nur vorgetäuschten Diebstahl.

Auch nach § 28 Abs. 2 S. 1 VVG in Verbindung mit E. 6.1. AKB sei die Beklagte nicht leistungsfrei geworden. Die Falschangabe hinsichtlich des früheren Kaufpreises und die Nichtangabe des Glasschadens seien lediglich grob fahrlässig geschehen und führten nicht zur Leistungsfreiheit, da sie sich auf die Feststellung des Versicherun...

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