Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 84 III AktG

 

Normenkette

AktG § 84 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.04.2014; Aktenzeichen 3-5 O 8/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.4.2014 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied der Beklagten durch Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 6.11.2013 wird für unwirksam erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des für den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Abberufung des Klägers aus dem Vorstand der beklagten Aktiengesellschaft. Der Kläger hat erstinstanzlich die Feststellung der Nichtigkeit seiner Abberufung begehrt und einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend gemacht. Hilfsweise zu dem Feststellungsantrag hat er beantragt, die Abberufung für unwirksam zu erklären. Hinsichtlich des Sachverhaltes und der genauen Fassung der erstinstanzlichen Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Ergänzend wird für den jeweiligen Inhalt auf die Neufassung des Anstellungsvertrags des Klägers vom 12.8.2011, Anlage K2, die Satzung der Beklagten, Anlage B13, sowie das Schreiben des Klägers vom 8.10.2013, Anlage B6, Bezug genommen. Im Vermittlungsverfahren nach § 31 III, V MitbestG fasste der Ausschuss einstimmig den folgenden Beschluss:

"Der Vermittlungsausschuss stellt fest, dass die Beratungen endgültig ohne Ergebnis bleiben. Er enthält sich daher eines eigenen Kompromissvorschlags und beendet das Vermittlungsverfahren."

Das LG hat dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Klage hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags abgewiesen. Gegen ersteres richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des LG Frankfurt/M. vom 22.4.2014 - 3-05 O 8/14, abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.1. Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

2. In der Sache hat sie im Wesentlichen keinen Erfolg. Zwar ist der Hauptantrag des Klägers abzuweisen, doch ist auf den Hilfsantrag auszusprechen, dass die Abberufungserklärung für unwirksam erklärt wird. Dabei sind die Anträge des Klägers dahin auszulegen, dass mit "der Abberufung" nicht der Beschluss des Aufsichtsrates, sondern die im Namen des Aufsichtsrats durch seinen Vorsitzenden abgegebene Abberufungserklärung gemeint ist. Denn diese ist Gegenstand der Regelung des § 84 III AktG, wobei allerdings ein wirksamer Widerruf der Bestellung einen (wirksamen) Aufsichtsratsbeschluss voraussetzt (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.1962 - II ZR 131/61, juris Rz. 15 f. = BB 1962, 816 zu § 75 III AktG 1937; Mertens/Cahn in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2010, § 84 AktG Rz. 116), so dass die so verstandenen Anträge alle vom Kläger geltendgemachten Unwirksamkeitsgründe abdecken.

a) Die Klage ist abzuweisen, soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag die Feststellung der Nichtigkeit der Abberufungserklärung begehrt. Die Feststellungsklage setzt einen der Wirksamkeit entgegenstehenden formellen Mangel der Erklärung voraus, wie insbesondere das Fehlen eines entsprechenden (wirksamen) Aufsichtsratsbeschlusses (Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 84 Rz. 42) oder fehlende Vertretungsmacht des Erklärenden, wohingegen das zur Unwirksamkeit der Abberufungserklärung (nicht aber des Aufsichtsratsbeschlusses) führende Fehlen eines wichtigen Grundes im Wege der - im Streitfall hilfsweise erhobenen - Gestaltungsklage geltend zu machen ist (Spindler in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014 § 84 Rz. 125; Hüffer, a.a.O.).

aa) Bedenken gegen die Wirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses bestehen nicht. Insbesondere sind die Regeln des § 31 MitbestG eingehalten worden. § 31 V, IV MitbestG findet auch dann Anwendung, wenn die Abberufung im ersten Wahlgang zwar keine Mehrheit gefunden, aber auch nicht mehrheitlich abgelehnt wurde, also - wie im Streitfall - Stimmengleichheit bestand (Ulmer/Habersack in dies./Henssler, MitbestG, 2. Aufl. 2006, § 31 MitbestG Rz. 33; Riegger NJW 1988, 2991; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, § 7 Rz. 370). Zwar wird in der Literatur teilweise eine einfache Mehr...

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