Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Darlegung der Wiedereinsetzungsgründe in der Antragsschrift (hier: Versäumung der Berufungsfrist, weil eine Büroangestellte es unterlassen hat, die fertig gestellte Berufungsschrift abzusenden).

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 236 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-20 O 332/04)

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der beklagten Bank die Rückabwicklung eines Darlehensgeschäfts, das er zur Finanzierung einer Eigentumswohnung eingegangen ist.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil vom 6.4.2004, das dem Klägervertreter am 21.4.2006 zugestellt worden ist, hat der Kläger durch Schriftsatz vom 24.5.2006, bei Gericht per Fax am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt. Gleichzeitig hat er gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat der Klägervertreter unter Hinwies auf eine entsprechende eidesstattliche Versicherung seiner Büroangestellten A. vom 24.5.2006 (Bl. 260 d.A.) vorgetragen, die Berufungseinlegung sei am 19.5.2006 fertig gestellt worden. Er habe seiner Büroangestellte die Anweisung gegeben, die Einlegung zur Post zu geben. Diese habe jedoch vergessen, die Einlegung abzusenden. Das Versehen sei erst am 24.5.2005 festgestellt worden.

II. Die Berufung des Klägers ist gem. § 522 I 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO bis zum 22.5.2006 (Montag) eingelegt wurde, sondern erst am 24.5.2006.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil aus seinen Darlegungen in der Antragsschrift nicht darauf geschlossen werden kann, dass er bzw. sein Prozessvertreter, dessen Verschulden sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert waren.

Die Wiedereinsetzungsgründe müssen gem. § 236 Abs. 2 ZPO im Antrag bezeichnet werden. Dabei müssen diese Angaben hinreichend substantiiert sein. Welche Angaben geboten sind, ergibt sich aus der konkreten Sachlage. Es dürfen jedoch keine Fragen offen bleiben, weil jede Unklarheit und Unaufgeklärtheit, die ein Verschulden möglich erscheinen lässt, zu Lasten der säumigen Partei zu werten ist (Münchener Kommentar-Feiber ZPO, 2. Aufl., § 236 Rz. 13). Bleiben die Umstände, die zur Fristversäumung geführt haben, unaufgeklärt, so ist die Wiedereinsetzung dann ausgeschlossen, wenn ein verschuldeter Umstand möglich erscheint (BGH VersR 1982, 1167; BAG NJW 1990, 2707). So ist es auch vorliegend.

Fristversäumnisse, die - wie hier - darauf beruhen, dass Schriftsätze in der Rechtsanwaltskanzlei rechtzeitig angefertigt, aber nicht oder in mangelhaftem Zustand hinausgegeben wurden, sind grundsätzlich schuldhaft. Der Anwalt hat durch organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, dass für den Postversand vorgesehene Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden (Zöller/Greger ZPO, 25. Aufl., § 233 Rz. 23 Stichwort "Ausgangskontrolle").

Warum es die Büroangestellte A. unterlassen haben soll, die fertig gestellte Berufungseinlegung zur Post aufzugeben, bleibt unklar. Zwar hindert das Verschulden des Büropersonals eines Rechtsanwalts die Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Rechtsanwalt den Fehler seines Personals nicht durch eigene Auswahl-, Organisations-, Belehrungs- oder Überwachungsfehler ermöglicht hat und auch nicht sonst erkennen oder verhindern konnte (Münchener Kommentar-Feiber, a.a.O., § 233 Rn 25).

Im Hinblick auf die umfangreiche Rechtsprechung zu den diesbezüglichen Anforderungen an den Rechtsanwalt (vgl. den Überblick bei Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rz. 23) wäre es erforderlich gewesen, dass der Prozessbevollmächtigte insb. darlegt, welche allgemeinen und speziellen Weisungen er seinem Büropersonal im Hinblick auf die Behandlung von Fristensachen gegeben hat, welche Vorkehrungen er getroffen hat, um mögliche Fehlerrisiken auszuschließen, und inwieweit die Büroangestellte A. aufgrund ihrer Ausbildung, Berufserfahrung und Zuverlässigkeit überhaupt in der Lage war, die an sie delegierte Aufgabe zu erfüllen. Gleichwohl hat der Klägervertreter weder vorgetragen, wie in seiner Kanzlei üblicherweise mit unterzeichneten Schriftsätzen verfahren wird, noch welche Vorkehrungen er dafür getroffen hat, dass fristgebundene Post die Kanzlei auch tatsächlich rechtzeitig verlässt. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der eidesstattlichen Versicherung der zuständigen Bürokraft. Danach ist nicht ausgeschlossen, dass ein eigenes Versehen des Klägervertreters an dem Fristversäumnis mitgewirkt hat.

Darüber hinaus lässt sich die Angabe des Klägervertreters, die Berufungsschrift sei bereits am 19.5.2006 gefertigt worden, nicht mit den tatsächlichen Umständen in Einklang bringen. Die dem Senat vorliegende Berufungsschrift jedenfalls, die zunächst per Fax und anschließend mit normaler Post eingereicht wurde, trägt das Datum des 24.5....

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