Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Selbstbehalts eines Unterhaltspflichtigen während der Dauer einer Umschulungsmaßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Unterhaltspflichtigem, der eine von der Arbeitsver- waltung bewilligte Umschulungsmaßnahme absolviert, steht jedenfalls dann der notwendige Selbstbehalt eines Erwerbstätigen zu, wenn die Umschulung ihn nach dem mit ihr verbundenen Aufwand in wenigstens gleichem Maße zeitlich in Anspruch nimmt, wie wenn er vollschichtig erwerbstätig wäre.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Leipzig (Urteil vom 29.12.2005; Aktenzeichen 331 F 3963/04)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des AG - FamG - Leipzig vom 29.12.2005 - 331 F 3963/04 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Kläger schuldete der Beklagten Kindesunterhalt nach Maßgabe eines im Vorverfahren abgeschlossenen Prozessvergleichs vom 10.6.2004 (AG Leipzig - 333 F 2012/03) und hat mit der vorliegenden Abänderungsklage die Herabsetzung dieses Unterhalts auf Null mit Wirkung vom 1.12.2004 geltend gemacht; das FamG hat dem mit der angefochtenen Entscheidung teilweise entsprochen. Mit der beabsichtigten Berufung erstrebt die Beklagte die vollständige Klageabweisung, d.h. i.E. die Wiederherstellung des vormaligen Unterhaltstitels. Der hierfür gestellte Prozesskostenhilfeantrag ist zulässig, aber unbegründet, weil das ins Auge gefasste Rechtsmittel in der Sache ohne Erfolg bleiben müsste, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt (§ 114 ZPO).

1. Das FamG hat seiner Unterhaltsberechnung das vom Kläger im hier streitbefangenen Zeitraum erzielte Einkommen als Umschüler (monatlich netto 761,63 EUR, ab 1.5.2005 770,76 EUR) zugrunde gelegt und dieses um den notwendigen Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen vermindert, den es zusätzlich wegen der vom Kläger aus gemeinsamer Wirtschaftsführung mit seiner jetzigen Lebensgefährtin erzielten Kostenvorteile um monatlich 150 EUR auf dann 500 EUR, ab 1.7.2005 auf 560 EUR gekürzt hat.

Jedenfalls aus dem Blickwinkel der Beklagten begegnet diese Berechnung keinen Bedenken: Allenfalls ließe sich umgekehrt die Frage stellen, ob einem Umschüler tatsächlich nur der Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen zugute kommen soll (so allerdings das in anderer Besetzung ergangene Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Dresden v. 20.1.1999 - 20 UF 548/98, OLGReport Dresden 1999, 263 = FamRZ 1999, 1015; ebenso OLG Dresden FPR 2003, 481; dagegen mit Recht OLG Dresden, Beschl. v. 9.2.2001 - 22 UF 590/00; Beschl. v. 23.7.2004 - 22 UF 117/04). Denn die mit einer beruflichen Betätigung typischerweise verbundenen besonderen Aufwendungen, die auch nicht in jedem Fall als berufsbedingter Mehraufwand i.S.v. Ziff. 10.2 der Unterhaltsleitlinien quantifizierbar sein werden, treffen einen Umschüler häufig in gleicher Weise wie einen Beschäftigen in einem regulären Erwerbsverhältnis; das gilt jedenfalls dann, wenn die Umschulung, wie hier, nach den mit ihr verbundenen Unterrichts- und Ausbildungszeiten den Unterhaltspflichtigen in wenigstens gleichem Maße zeitlich in Anspruch nimmt, wie wenn er vollschichtig in Arbeit stände. Auch die mit dem höheren Selbstbehalt des Erwerbstätigen verbundene Anreizfunktion lässt sich aus Sicht des Senats bei einem Umschüler nicht von vornherein ausschließen; denn die Erwägung, denjenigen Unterhaltsverpflichteten (auch finanziell) besonders zu motivieren, der sich mit Erfolg um die Erzielung von Erwerbseinkommen bemüht, trifft auf den Umschüler sogar in besonderem Maße zu, weil es hier nicht nur um den Erhalt des während der Umschulung selbst erzielten Einkommens geht, sondern darüber hinaus um die mittel- und langfristige Verbesserung der Arbeitsmarktchancen des Umschülers, die wiederum gerade auch dem Unterhaltsberechtigten zugute käme (i.E. ebenso OLG Hamm v. 28.10.1998 - 5 UF 169/98, FamRZ 1999, 1015 [1016]; OLG Koblenz v. 28.11.2001 - 9 UF 291/01, FamRZ 2002, 1215 [1216]; Scholz in Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. 2004, § 2 Rz. 266; Schumacher in Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl. 2004, Rz. 3197; Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl. 2005, § 1603 Rz. 32).

2. Letztlich kann der Senat diese Frage jedoch offen lassen, weil der Kläger bisher keine Anschlussberufung eingelegt hat, eine weitere Herabsetzung der vom FamG errechneten Unterhaltsbeträge also derzeit nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist. Die beabsichtigte Berufung ist demgegenüber im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger bereits mit seiner Teilnahme an der Umschulungsmaßnahme seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit ggü. der Beklagten verletze; diese Überlegung überzeugt den Senat nicht.

Sie wäre u.U. tragfähig, wenn der Kläger zum Zwecke der Umschulung eine zuvor bekleidete besser entlohnte Stellung aufgegeben hätte; tatsächlich war er aber vor Antritt der Umschulung arbeitslos und hat sein Einkommen sogar mit der derzeit bezogenen Umschulung...

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