Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch Erwerb eines Diesel-Kraftfahrzeuges mit einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware zur Regulierung der Stickoxidwerte, sog. Abschaltvorrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Käufer eines PKW mit Dieselmotor, der auf Grund einer darin verbauten Motorsteuerungssoftware für die unzulässige Regulierung der Stickoxidwerte (sog. Abschaltvorrichtung) mangelbehaftet ist, hat gegen den Hersteller des Fahrzeuges dann keinen Schadensersatzanspruch wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB), wenn er das Fahrzeug erst zu einem Zeitpunkt erworben hat, nachdem der Hersteller die Öffentlichkeit über das Vorhandensein der gesetzeswidrigen Abschaltvorrichtung unterrichtet und zugleich darüber informiert hat, welche Maßnahmen er in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt zur Behebung des Mangels vornehmen wird.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des verwerflichen Verhaltens als sittenwidrig ist der Eintritt des Schadens beim Käufer durch Abschluss des Kaufvertrages. Jedenfalls in Bezug auf Gebrauchtwagenkäufer ab Herbst 2015 ist dieser Schaden nicht mehr durch ein verwerfliches Verhalten der Beklagten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt worden, indem dieser der (zuvor getäuschten) Allgemeinheit bekannt gegeben hat, dass die betreffenden Dieselfahrzeuge nachgebessert werden müssen, weil sie nicht uneingeschränkt den Zulassungsbestimmunen entsprechen. Damit hat der Hersteller es jedem einzelnen potenziellen Gebrauchtwagenkäufer überlassen, selbst darüber zu entscheiden, ob er ungeachtet des "Abgasskandals" Vertrauen in dessen Dieselfahrzeuge hat oder ob er wegen möglicherweise offen gebliebener Fragen Abstand von dem Kauf ihrer Fahrzeuge nimmt.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; StGB § 263

 

Verfahrensgang

LG Stade (Entscheidung vom 06.12.2018; Aktenzeichen 4 O 189/17)

 

Tenor

I. Der Verhandlungstermin am 7. November 2019 wird aufgehoben.

II. Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen, dass bereits Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden war. Denn die Bestimmung eines Verhandlungstermins ist nicht als "Sperre" für Entscheidungen nach § 522 Abs. 1, 2 ZPO zu verstehen (vgl. Zöller, ZPO, 32. Auflage, zu § 522 Rdnr. 31 m.w.N.).

III. Dem Berufungskläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme oder zur Rücknahme der Berufung innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

IV. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis 18.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 17. Februar 2016 von einem BMW-Vertragshändler einen gebrauchten VW Golf Plus 2,0 TDI zu einem Kaufpreis in Höhe von 18.600,00 EUR (Anlage K1). Ausweislich des schriftlichen Kaufvertrages hatte das erstmals am 28. März 2013 zugelassene Fahrzeug einen Vorbesitzer. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor vom Typ EA 189 verbaut, der unter den sog. VW-Abgasskandal fällt.

Das von dem Kraftfahrt-Bundesamt am 20. Juni 2016 für Fahrzeuge vom Typ VW Plus 2,0 l TDI freigegebene Software-Update wurde an dem Fahrzeug des Klägers vorgenommen (Bl. 44, 59 GA).

Unter Hinweis auf den sog. VW-Abgasskandal forderte der Kläger die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 3. April 2017 auf, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs den aufgewandten Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zu zahlen (Anlage K4).

Da die Beklagte diesem Begehren nicht nachkam, hat der Kläger sie im Klagewege auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Von dem Kläger ist vorgebracht worden, dass er das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der Manipulationssoftware gewusst hätte; für ihn sei es maßgeblich auf ein umweltfreundliches Fahrzeug angekommen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. Dezember 2018 abgewiesen. Als Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zustehen würden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Er macht geltend, das aufgespielte Softwareupdate habe negative Folgen für das Fahrzeug; ihm könne deshalb nicht unterstellt werden, dass er über die Bedeutung des Abgasskandals im Bilde gewesen sei.

Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II. Der Senat beabsichtigt, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren. Denn die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben, und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dürfte nicht erforderlich sein.

Zudem hat die Berufung nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erscheint nicht ge...

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