Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehegatten-Testament mit Schlusserbenbestimmung und Änderungsvorbehalten - Bindungswirkung -

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem sich die Ehegatten eine Änderung der Schlusserbeneinsetzung ihres einzigen Kindes auch für den Fall vorbehalten hatten, dass es "mit unserem Sohn zu familiären Zuwiderhandlungen kommt".

2. Zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer auf einen solchen Widerrufsvorbehalt gestützten Änderungsberechtigung des letztverstorbenen Elternteils, wenn in der Neutestierung des überlebenden Ehegatten das Vorliegen von "familiären Zuwiderhandlungen" im Wesentlichen mit der mangelnden Kontaktpflege des Sohnes begründet wird.

3. Unabhängig davon, welche gemeinsamen Vorstellungen der Ehegatten über Art und Ausmaß eines nicht mehr tolerablen Störverhaltens ihres Sohnes zu einem solchen Widerrufsvorbehalt geführt haben, gehört die von den Eheleuten damit übereinstimmend verfolgte Zielsetzung zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Änderungsklausel mit der Folge, dass der überlebende Ehegatte hieran eben auch in Bezug auf die Beweggründe gebunden ist, von denen er sich bei der Ausübung seiner Änderungsbefugnis leiten lässt.

4. Es liegt offenkundig jenseits dieser übereinstimmenden Zielsetzung der Ehegatten, wenn der Erblasser nach dem Tod der Ehefrau eine derartige Änderungsklausel ausschließlich bzw. vorrangig dazu nutzen will, nunmehr zur hälftigen Miterbin (neben dem Sohn) seine langjährige Lebensgefährtin zu berufen, mit der er bereits wenige Jahre nach dem gemeinschaftlichen Testament eine außereheliche Beziehung eingegangen war, welche - voraussehbar - auch zu einem tiefgreifenden Konflikt zwischen dem Erblasser und seinem Sohn geführt hatte.

 

Normenkette

BGB § 2270 Abs. 1, § 2271 Abs. 2, § 2289

 

Verfahrensgang

AG Bamberg (Beschluss vom 19.07.2019; Aktenzeichen 57 VI 1885/18)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Bamberg vom 19.07.2019 aufgehoben.

II. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 vom 02.04.2019 wird zurückgewiesen.

III. Die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 1 vom 12.04.2019 auf Erteilung eines - ihn als Alleinerben ausweisenden - Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

Die weitere Ausführung der Erbscheinserteilung wird dem Nachlassgericht übertragen.

IV. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beteiligten zu 2 zur Last.

V. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

VI. Geschäftswert: bis zu 222.012,00 Euro.

 

Gründe

I. Der Erblasser war verheiratet mit der am 19.05.2013 vorverstorbenen Christiane L. (fortan auch nur: Ehefrau). Aus der Ehe war der Beteiligte zu 1 als einziges Kind hervorgegangen.

Mit gemeinschaftlichem Testament vom 18.08.1999 (künftig nur: Testament I) - nach über 50jähriger Ehezeit - hatten beide Eheleute den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben nach dem Tod des Letztversterbenden von ihnen berufen. Ergänzend zu dieser Schlusserbenanordnung enthält das Testament die folgenden Bestimmungen (Bl. 6 d.A.):

"Erben außerhalb der Familie kommen nicht in Frage und somit hat unser Sohn Roland vollen Anspruch auf das vorgenannte Erbgut.

Im Falle, daß die Eigentumswohnung verkauft werden muß und der Erlös für eine Heimunterkunft für uns benötigt wird, können wir eine Testamentsänderung jederzeit zu unseren Gunsten, auch ohne Einverständnis des Sohnes vollziehen und ändern.

Auch im Fall, dass es mit unserem Sohn zu familiären Zuwiderhandlungen kommen sollte, sind wir berechtigt das Testament zu annullieren."

Die Beteiligte zu 2 ist die Schwägerin der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers. Mit ihr hatte der Erblasser seit 2004 ein außereheliches Verhältnis (einschließlich gemeinsamer Urlaubsreisen) unterhalten, unter welchem die Ehefrau auch nach dem Eindruck der Tochter Heidemarie der Beteiligten zu 2 "bis zu ihrem Tod sehr gelitten hatte" (Bl. 61, 62). In diesem Konflikt zwischen seinen Eltern hatte der Beteiligte zu 1 von Anfang an auf der Seite seiner Mutter gestanden.

Mit notariellem Testament vom 07.01.2014 (Bl. 12 ff. d.A.) hatte der Erblasser die Beteiligten als Miterben je zur Hälfte eingesetzt.

Der Entwurf für dieses Testament (im folgenden: Testament II oder Einzeltestament) war (spätestens) schon im November 2013 von den jetzigen Bevollmächtigten der Beteiligten zu 2 in Auftrag gegeben und bereits am 23.12.2013 an den Erblasser übermittelt worden (vgl. Bl. 73, 73R der beigezogenen Nachlassakte 53 VI 1216/13 mit dem dortigen Vermerk über die Anhörung des Erblassers am 04.12.2013 sowie S. 2 des Testaments II = Bl. 12R).

Im Abschnitt "§ 1 Vorbemerkungen" der notariellen Urkunde vom 07.01.2014 wird zu den Beweggründen des Erblassers u.a. ausgeführt:

"Ich habe seit ca. 9 Jahren eine enge Freundschaft mit Frau K. (= Beteiligte zu 2)..., die mich jeden Tag besucht und sich um mich kümmert.

Mit meiner verstorbenen Ehefrau ...

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