Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelung der Verfahrensart vor den Gerichten für Arbeitssachen nach § 2 und § 2a ArbGG. Maßgebliche Bestimmung der Verfahrensart durch den Streitgegenstand. Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff. Urteilsverfahren für Entgeltanspruch eines Betriebsratsmitglieds

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfahrensart, in der ein Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen zu entscheiden ist, bestimmt sich nach § 2 und § 2a ArbGG. In den in § 2 ArbGG geregelten Arbeitssachen findet das Urteilsverfahren statt (§ 2 Abs. 5 ArbGG), während über die in § 2a ArbGG genannten Arbeitssachen im Beschlussverfahren zu befinden ist (§ 2a Abs. 2 ArbGG).

2. Maßgebend für die Bestimmung der zutreffenden Verfahrensart ist der Streitgegenstand. Vom Streitgegenstand werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess einschließlich des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt.

2. Geht es um die Frage, nach welcher Entgeltstufe der Antragsteller ohne Befreiung von der Arbeitsleistung wegen seines Betriebsratsamts zu vergüten wäre, strebt der Kläger jedenfalls eine höhere Vergütung an. Dies ist kein betriebsverfassungsrechtlicher, sondern ein individualvertraglicher Streitgegenstand, für den das Urteilsverfahren einschlägig ist.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, § 2a Abs. 1 Nr. 1; BetrVG § 78 S. 2; BGB § 611a Abs. 2, § 823 Abs. 2; BetrVG § 37 Abs. 2; ZPO § 308 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 06.06.2023; Aktenzeichen 2 BV 4/23)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Braunschweig vom 06.06.2023 - 2 BV 4/23 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die zutreffende Verfahrensart.

Der antragstellende Beteiligte zu 1 ist freigestelltes Betriebsratsmitglied des bei der Beteiligten zu 2 (im Folgenden auch Arbeitgeberin) gebildeten Betriebsrats. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Haustarifverträge der Arbeitgeberin Anwendung. Der Antragsteller erhielt zuletzt eine Vergütung nach der Entgeltstufe ES 17 in Höhe von 6.115,- € brutto. Mit Schreiben vom 30.01.2023 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass die Entgeltstufe aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen vom 10. Januar 2023 - 6 StR 133/22 - voraussichtlich nach unten korrigiert werden müsse. Die Arbeitgeberin vergütete den Antragsteller ab Februar 2023 nur noch unter Zugrundelegung der Entgeltstufe ES 14.

Der Antragsteller hat folgende Anträge angekündigt:

1. der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, den Beteiligten zu 1. dadurch iSd. § 78 S. 2 BetrVG zu benachteiligen, dass die Beteiligte zu 2.

a) den Beteiligten zu 1. nach Rückgruppierung seit dem 01.02.2023 nach ES 14 und nicht seit dem 01.12.2022 mindestens nach ES 18, hilfsweise hierzu weiterhin nach ES 17 vergütet,

b) zur Ermittlung des Lohnausfalls des Beteiligten zu 1. eine Vergleichsgruppe aus "Instandhaltern (Mechanik)" und nicht "Sachbearbeitern für Öffentlichkeitsarbeit (TB 551/551F)", hilfsweise hierzu vergleichbarer "Technischer Hilfskräfte", hilfsweise hierzu "Instandhaltern (Elektrik)" zu Grunde legt,

c) dem Beteiligten zu 1. keine Schichtvergütung zahlt, sowie

d) die hypothetische Dauermehrarbeit von 2 St./Woche sowie die unregelmäßige hypothetische Mehrarbeit des Beteiligten zu 1. nicht auf Basis der Vergleichsgruppe des Beteiligten zu 1., sondern pauschal über den Betrieb A-Stadt ermittelt und vergütet und

e) hierbei nicht die realen Abwesenheitszeiten (Urlaub und Krankheit) des Beteiligten zu 1., sondern die Abwesenheitszeiten aller Personen der Beschäftigtengruppe Leistungslohn (LL) kumulativ zu Grunde legt.

2. der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, den "Netto"-Differenzbetrag zwischen ES 17 und ES 14 in Höhe von 1.863,50 EUR rückwirkend für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 entsprechend der Rückgruppierung nach Ziff. 1 a) mit Vergütungsansprüchen des Beteiligten zu 1. aufzurechnen.

3. der Beteiligten zu 2. für jeden Monat der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtungen nach Ziff. 1 a) - e) sowie für jeden Monat der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung nach Ziff. 2 jeweils ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.

4. die Beteiligte zu 2. zum Ersatz des Schadens aus der Verletzung des § 78 S. 2 BetrVG zu verpflichten an den Beteiligten zu 1. für die Monate Februar 2023 sowie März 2023 jeweils 937,50 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2023 auf 937,50 EUR und seit dem 01.04.20...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge