Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen bürgerlich-rechtlicher und öffentlich-rechtlicher Streitigkeit. Verwaltungsrechtsweg für Zahlung des Bundesanteils der Corona-Sonderleistung nach § 26e KHG

 

Leitsatz (amtlich)

Für Rechtsstreitigkeiten zwischen zugelassenen Krankenhäusern und deren Arbeitnehmern über die auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26e Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gestützte Zahlung des Bundesanteils der Corona-Sonderleistung ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird. Nicht entscheidend ist, ob sich die klagende Partei auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nrn. 3a, 4a; KHG § 26e Abs. 2; SGG § 51 Abs. 1 Nrn. 2, 5, Abs. 2; VwGO § 40 Abs. 1 S. 1; SGB XI § 150a Abs. 1 S. 1; GVG § 17a

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 04.05.2023; Aktenzeichen 8 Ca 71/23)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 04.05.2023 (8 Ca 71/23) abgeändert, soweit der Rechtsstreit an das Sozialgericht Braunschweig verwiesen worden ist.

Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Braunschweig verwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin ist bei der beklagten Krankenhausbetreiberin seit 1999 als Fachkraft für Intensiv- und Anästhesiepflege teilzeitbeschäftigt. Im Jahr 2021 betrug ihr Beschäftigungsumfang 60% einer Vollzeitkraft.

Mit der vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage nimmt die Klägerin die Beklagte für das Jahr 2021 auf Zahlung einer Sonderleistung an Pflegefachkräfte gem. § 26e des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz-KHG) entsprechend ihres Beschäftigungsumfangs in Anspruch.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe Bundesmittel nach dieser Vorschrift beantragt und erhalten. Diese sei daher verpflichtet das Geld an sie weiterzuleiten. Wenn die Beklagte für sie keine Leistungen beantragt haben sollte, habe sie ihr einen Schaden zugefügt. Anderen Kollegen habe die Beklagte eine Zahlung geleistet. Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz betreffe den Kern des Arbeitsverhältnisses. Ansprüche auf Schadensersatz und Gleichbehandlung verfolge sie hilfsweise.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt und die Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Braunschweig beantragt.

Die Klägerin hat hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Braunschweig und äußerst hilfsweise an das Verwaltungsgericht Braunschweig beantragt.

Das Arbeitsgericht hat mit einem der Klägerin am 11.05.2023 zugestellten Beschluss vom 04.05.2023 den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Braunschweig verwiesen. Hiergegen richtet sich die am 25.05.2023 bei dem Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 22.06.2023 dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Beschwerde ist gemäß §§ 78 ArbGG, 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden und insgesamt zulässig. Sie ist - gemessen am Beschwerdeziel - unbegründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig ist, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Eröffnet ist allerdings nicht der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, sondern der Rechtsweg zu den Gerichten für Verwaltungssachen.

1.

Eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist nicht gegeben. Sie folgt insbesondere weder aus Nr. 3 a) noch aus Nr. 4 a) des § 2 Abs. 1 ArbGG, weil keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vorliegt.

a)

Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird. Nicht entscheidend ist, ob sich die klagende Partei auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (BAG 01.03.2022 - 9 AZB 25/21 -, Rn. 13, juris).

b)

Der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt und die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge werden im Streitfall durch Rechtssätze des öf...

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