Entscheidungsstichwort (Thema)

Parallelentscheidung zu LAG Köln 8 Sa 502/21 v. 09.06.2022

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Ermittlung der für die Verpflichtung zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige maßgeblichen Schwellenwerte gem. § 17 Abs. 1 KSchG ist nach Auflösung der betrieblichen Strukturen auf die letzte aktive Betriebsstätte abzustellen

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1-2, § 17 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1; RL 98/59/EG Art. 3 Abs. 1; BGB § 134

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 06.05.2021; Aktenzeichen 12 Ca 6036/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 06.05.2021 - 12 Ca 6036/20 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit ordentlicher, betriebsbedingter Kündigungen.

Der am .1985 geborene, ledige und keinem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 01.05.2011 bei der A B PLC & Co. Luftverkehrs KG (in Folgenden: Schuldnerin) als erster Offizier (Pilot) zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 6.016,84 Euro beschäftigt. Sein Einsatzort war zuletzt die Station der Schuldnerin in K .

Die Schuldnerin war eine Fluggesellschaft mit Sitz in B , die verschiedene Stationen an inländischen Flughäfen unterhielt, u.a. am Flughafen K /Bo . Insgesamt waren in den Bereichen Cockpit, Kabine und am Boden im August 2017 über 6.000 Personen bei der Schuldnerin beschäftigt. Die Leitung des Flugbetriebs in operativer Hinsicht oblag dem "Head of Flight Operations", der in B ansässig war. Die gesamte Steuerung des Flugbetriebs erfolgte zentral von B aus dem dortigen Operation Control Center. Für die einzelnen Stationen waren Regionalmanager tätig, denen sog. Areamanager beigeordnet waren.

Gem. § 117 Abs. 2 BetrVG war für das Cockpitpersonal durch Abschluss des "Tarifvertrags Personalvertretung (TV PV) für das Cockpitpersonal der A B PLC & Co. Luftverkehrs KG" eine Personalvertretung (im Folgenden: PV Cockpit) gebildet. Für das Kabinenpersonal wurde durch den "Tarifvertrag Personalvertretung (TV PV Kabine) für das Kabinenpersonal der A B PLC & Co. Luftverkehrs KG" eine Personalvertretung errichtet. Beide Gremien hatten ihren Sitz in B . Das Bodenpersonal wurde durch die regional zuständigen Betriebsräte (Boden Nord, West und Süd) und den Gesamtbetriebsrat vertreten.

Die Schuldnerin setzte im Flugbetrieb ausschließlich geleaste Flugzeuge ein. Seit Anfang des Jahres 2017 führte sie neben dem eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb auch Flüge im sogenannten "Wet-Lease", insbesondere für die E GmbH, durch. Hierbei stellte die Schuldnerin die von ihr selbst geleasten Flugzeuge der E GmbH als weiterer Leasingnehmerin nebst Besatzung, Wartung und Versicherung zur Verfügung, wobei die Personalplanung bei der Schuldnerin verblieb.

Am 15.08.2017 beschloss das Amtsgericht Charlottenburg (Az. 36a IN 4295/17) auf Antrag der Schuldnerin vom gleichen Tag die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen in vorläufiger Eigenverwaltung und bestellte am 16.08.2017 den Beklagten zum vorläufigen Sachwalter. Es wurde ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt. Hiernach leitete die Schuldnerin eine Investorensuche ein, die eine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Rahmen einer übertragenden Sanierung ermöglichen sollte. Nach Ablauf der Angebotsfrist am 15.09.2017 lag kein annahmefähiges Angebot vor. Daraufhin wurde beschlossen, weitere Verhandlungen mit der Lufthansa-Gruppe sowie der Fluggesellschaft e Europe Airline GmbH zu führen, die Interesse für einzelne Vermögenswerte der Schuldnerin bekundet hatten.

Am 12.10.2017 unterzeichnete der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin, der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin und der Beklagte für die Schuldnerin eine Erklärung, nach der der operative Flugverkehr im Namen und auf Rechnung der Schuldnerin zum 28.10.2017 eingestellt werden und die im Rahmen des Wet Lease gegenüber der E GmbH mit 13 Flugzeugen zu erbringenden Dienstleistungen bis maximal zum 31.01.2018 weiter erfolgen sollten. Am 24.10.2017 bestätigte der vorläufige Gläubigerausschuss die beabsichtigte Betriebseinstellung zum 31.01.2018 und wies die vorläufige Eigenverwaltung an, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Der letzte in Namen der Schuldnerin durchgeführte Flug landete am 27.10.2017 auf dem Flughafen B -T . Hiernach wurden nur noch Flugleistungen im Wet Lease erbracht.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.11.2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, Eigenverwaltung angeordnet und der Beklagte zum Sachwalter bestellt. Dieser zeigte noch am gleichen Tag gegenüber dem Insolvenzgericht eine drohende Masseunzulänglichkeit an.

Mit Schreiben vom 28.11.2017 kündigte die Schuldnerin - die zuvor am 24.11.2017 eine das Cockpitpersonal an allen Stationen betreffende Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit B Nord erstattet hatte - mit Zustimmung des Beklagten die ...

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