Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit einer Kündigung bei fehlender Anhörung des Betriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gem. § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung zu hören. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

2. Von einer wirksamen Beteiligung des Betriebsrats ist nicht auszugehen, wenn zum Zeitpunkt der Anhörung der Sachverhalt noch nicht feststand, sondern die Modalitäten der Kündigung auch von dem Verhalten anderer Arbeitnehmer abhingen.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 10.09.2013; Aktenzeichen 1 Ca 2441/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 10.09.2013 - Az. 1 Ca #####/#### - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2012 nicht aufgelöst worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten, ordentlichen Kündigung.

Der am 13.09.1970 geborene, ledige und keinem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger, war seit dem 04.09.2000 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Maschinenbediener beschäftigt.

Grundlage der Beschäftigung war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 11.08.2000 mit der T (Rechtsvorgängerin). Sein letztes monatliches Bruttoentgelt betrug 2.456,00 €bei einer vollzeitigen Arbeitszeit.

Die Beklagte gehört dem F-Konzern an und beschäftigt mehr als 1000 Arbeitnehmer. Sie unterhält mindestens zwei Betriebe, nämlich zum einen den streitgegenständlichen Betrieb, der sich in die Teilbetriebe T und T unterteilt. Für diesen Betrieb ist ein einheitlicher Betriebsrat gewählt worden. Hier waren in der Regel ca. 900 Arbeitnehmer beschäftigt, hinzu kommen ca. 100 Leiharbeitnehmer. Daneben unterhält die Beklagte in einer Entfernung von ca. 7 Kilometern einen weiteren Betrieb mit den Abteilungen D2C und FD5. Dieser Betrieb verfügt über eine eigene Betriebsleitung mit einem eigenen Betriebsrat.

Die Beklagte produziert in ihrem Betriebsteil T CDs und DVDs, im Betriebsteil U und Verpackungen.

Ob sich aufgrund der wachsenden Online-Angebote für Musik- und Filme die Nachfrage nach Datenträgern wie CDs und DVDs negativ bei der Beklagten entwickelte. Ist unter den Parteien streitig.

Jedenfalls errechnete die Beklagte für die Jahre 2011 bis 2013 aufgrund ihrer Prognosen einen Überhang von insgesamt 192 Arbeitsplätzen

Ob anschließend in ein sogenanntes "a-Board", das sich aus Vertretern der Gesellschafter der Beklagten zusammensetzt, am 12.04.2011 ein Beschluss der Beklagten zur Reduktion von 139 Arbeitsplätzen bis Ende 2012 eingebracht wurde und das "a-board" einen solchen Beschluss genehmigte, ist gleichfalls unter den Parteien streitig. Schriftliche Unterlagen hierüber liegen unstreitig nicht vor. Ebenso ist streitig, ob in der Folgezeit mit dem Betriebsrat ein Freiwilligenprogramm zum Ausscheiden von Arbeitnehmern abgestimmt wurde, das Anfang Juni 2011 beginnen sollte. Ob infolge dessen Aufhebungsverträge mit Arbeitnehmern geschlossen wurden, ist ebenfalls streitig.

Jedenfalls ist in der bei der Beklagten existierenden Mitarbeiterzeitung vom 07.12.2011 ausgeführt, der Betriebsratsvorsitzende habe in einer Betriebsversammlung vom 07.12.2011 erklärt, Ausgangspunkt der Gespräche mit der Beklagten sei der Abbau von 138 Stellen gewesen, u.a durch freiwilliges Ausscheiden habe die Zahl aber auf ein Drittel reduziert werden können.

Im Frühjahr 2012 nahm die Beklagte eine Überprüfung ihrer Prognose aus dem Jahr 2011 vor. Nach ihrer Berechnung kam die Beklagte zu einem Personalüberhang in Höhe von 38 Ganztageskräften (GTK). Die Beklagte trat mit dem Betriebsrat in Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans ein. Im Rahmen dieser Verhandlungen ließ der Betriebsrat die von der Beklagten vorgelegten Zahlen durch einen Wirtschaftsprüfer überprüfen. Dieser bestätigte in seinem Bericht vom 29.08.2012 die Plausibilität und Richtigkeit der vorgelegten Daten und Informationen. Welche Daten diesem dabei vorlagen, ist wiederum unter den Parteien streitig

Unter dem 09.08.2012 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat des streitgegenständlichen Betriebes einen Interessenausgleich, in dem es u.a. wie folgt heißt:

"3. Auswirkungen für die Mitarbeiter

3.1. Das Unternehmen hat bereits Maßnahmen eingeleitet, die die derzeitige Beschäftigung auf Mitarbeiter in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis (Stamm-Mitarbeiter) konzentriert, diese Maßnahmen werden ab dem Abschluss dieses Interessenausgleichs fortgeführt.

- die Arbeitsverhältnisse mit befristet beschäftigten Mitarbeitern werden bei Befristungsablauf vorbehaltlich Ziffer 3.2 nicht verlängert und laufen daher aus,

- die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern wird vorbehaltlich Ziffer 3.2 beendet, bei der Beendigung der Entleihverhältnisse sind die vertraglichen...

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