Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang und Höhe der Vergütung von Bereitschaftsdiensten eines Rettungssanitäters

 

Leitsatz (redaktionell)

Die in den AVR-Ost vorgesehene Faktorisierung der Bereitschaftszeiten ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das zum 01.01.2015 in Kraft getretene MiLoG unwirksam.

 

Normenkette

BGB §§ 611-612; ArbZG § 3; MiLoG § 1 Abs. 1; BGB § 612 Abs. 1, § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Entscheidung vom 01.12.2016; Aktenzeichen 3 Ca 349/16)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 1. Dezember 2016 - 3 Ca 349/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Vergütung geleisteter Bereitschaftsdienste, Abrechnungsansprüche sowie hilfsweise über Gutschriften auf dem Arbeitszeitkonto.

Der am .... 1972 geborene und verheiratete Kläger ist seit dem 12. Mai 2003 bei dem Beklagten, der u. a. im Landkreis Dahme-Spreewald den Rettungsdienst betreibt, als Rettungssanitäter beschäftigt. Arbeitsvertraglich sind die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche Deutschlands (AVR-Ost - Bund/Länder (B/L) Fassung mit Ausnahme des § 27 in ihrer jeweils gültigen Fassung zur Vertragsgrundlage gemacht. Daneben haben die Parteien in § 6 des Dienstvertrages vom 27. Juni 2003 die Berechtigung des Arbeitgebers zur Anordnung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft vereinbart. Für seine Tätigkeit erhält der Kläger ein verstetigtes Grundgehalt in Höhe von 2.497,90 Euro. Weiter werden ihm nachträglich Zuschläge für besondere Formen der Arbeitszeit gezahlt, sodass er ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen in Höhe von 3.000,- Euro erzielt.

Der Kläger erbringt seine Arbeitsleistung nach einem Dienstplan, die 24-Stunden-Dienste, 12-Stunden-Dienste und 8-Stunden-Dienste vorsehen. Im Rahmen der 24-Stunden-Dienste und der 12-Stunden-Dienste schließt sich an eine Regelarbeitszeit von acht Stunden ein Bereitschaftsdienst an. Der Kläger muss sich während des Bereitschaftsdienstes an einem vom Beklagten vorgegebenen Ort - regelmäßig die Rettungswache - aufhalten, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Die Zeiten des Bereitschaftsdienstes werden vom Beklagten - entsprechend der Anlage 8 der AVR - faktorisiert. Der Beklagte bewertet danach die Bereitschaftsdienste und erfasst bei einem 24-Stunden-Dienst 16 Stunden als geleistete und zu vergütende Arbeitszeit sowie bei einem 12-Stunden-Dienst 10 Stunden.

Damit war der Kläger nicht einverstanden und machte erfolglos die Bewertung der Bereitschaftszeiten als vollwertige Arbeitszeit geltend.

Mit seiner am 12. April 2016 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen und dem Beklagten am 19. April 2016 zugestellten Klage hat er für die aus seiner Sicht im Jahr 2015 geleistete Mehrarbeit durch Bereitschaftsdienst eine Vergütung als Überstunden nebst Zuschlägen, die Feststellung der Vergütungspflicht für Überstunden und korrigierte Lohnabrechnungen sowie hilfsweise eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto und die Feststellung zur Verpflichtung zur Zahlung von Zuschlägen verlangt.

Er hat gemeint, er habe - nach Maßgabe einer von ihm erstellten Übersicht (Bl. 3 d. A.) im Jahr 2015 durch die vom Beklagten angeordneten Bereitschaftsdienste insgesamt 178 Überstunden geleistet, die der Beklagte weder vergütet, noch seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben habe. Bei diesen Stunden handele es sich um Überstunden, denn er sei nur verpflichtet, 40 Stunden für die Beklagte tätig zu werden, jede darüber hinausgehende Stunde sei eine vergütungspflichtige bzw. freistellungsfähige Überstunde. Er begehrt in erster Linie deren Abgeltung nebst Zuschlägen und korrigierte Lohnabrechnungen. Die Nichtberücksichtigung dieser Stunden resultiere aus einer unzulässigen Fakturierung der Bereitschaftszeiten. Diese sei jedoch wie Vollarbeit zu vergüten. Denn Bereitschaftszeiten seien zu 100% als Arbeitszeiten zu bewerten und demgemäß auch so zu vergüten. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt, für 24-Stunden-Dienste nur 16 Stunden und für 12-Stunden-Dienste nur 10 Stunden zu vergüten. Eine Kürzung der Bereitschaftszeiten sei unzulässig; sie verstoße gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das Arbeitszeitgesetz und das Mindestlohngesetz. Für den Fall, dass er keine Bezahlung dieser Stunden verlangen könne, hat er von der Beklagten die Gutschrift von 178 Stunden auf dem Stunden-/Arbeitszeitkonto verlangt.

Der Beklagte ist dem entgegen getreten. Er habe die vom Kläger geleistete Arbeitszeit ordnungsgemäß abgerechnet und auch die Bereitschaftszeit zutreffend entsprechend den Regelungen der AVR-Ost bewertet. Bereitschaftszeiten seien nur anteilig zu berücksichtigen. Der Kläger verwechsele die verschiedenen Arbeitszeitbegriffe und vermenge Arbeitsschutz und Vergütungspflicht. Im Übrigen sei die Klage schon nicht schlüssig und die streitigen Ansprüche auch wegen nicht f...

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