Leitsatz

  1. Grundsätzlich berechtigter Individualanspruch eines Eigentümers auf Beseitigung von Mobilfunkantennen auf einem Hochhaus in einer Mehrhausanlage
  2. Nichtiger Beschluss einer Eigentümer-Teilgemeinschaft
  3. Einschränkende Auslegung einer Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung zu Entscheidungskompetenzen bestimmter gebäudebezogener Eigentümergruppen
  4. Strenge Voraussetzungen an eine Anspruchsverwirkung (insoweit Zurückverweisung)
  5. Grundsätzlich Beteiligung aller Eigentümer am Verfahren
 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 22 Abs. 1, 45 Abs. 2 WEG; § 1004 Abs. 1 BGB

 

Kommentar

  1. Durch die Errichtung einer Mobilfunkanlage auf dem Dach eines Hochhauses in einer Mehrhausanlage mit vier Mobilfunkantennen werden i. d. R. alle Eigentümer in ihren Rechten betroffen. Der Errichtung und baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums müssen hier mangels eindeutiger Vereinbarungen in Änderung des Gesetzes auch alle Eigentümer zustimmen.

    Die einen Beseitigungsantrag einer Eigentümerin zurückweisenden Entscheidungen des AG und LG wurden damit korrigiert; nach Auffassung des Senats hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Nachprüfung in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht stand.

    Die Antragstellerin kann ihren aus § 1004 Abs. 1 BGB begründeten Anspruch wegen Beeinträchtigung des allen Wohnungseigentümern zustehenden Gemeinschaftseigentums allein geltend machen (h. M.).

  2. Der Eigentümerbeschluss der Eigentümergruppe "Hochhaus" über die Genehmigung zur Errichtung der Mobilfunkanlage ist nichtig, da die Versammlung dieser Eigentümer-Teilgemeinschaft die ihr zustehende Regelungskompetenz zu Lasten Dritter überschritten hat. Der Beschluss verstößt hier gegen § 15 Abs. 3 WEG, da auch die restlichen Eigentümer in der Anlage betroffen sind, sodass die Maßnahme grds. auch ihrer Zustimmung bedarf (vgl. §§ 22 Abs. 1 und 14 Abs. 1 WEG).

    Bei einer solchen Mobilfunkanlage sind die Bewohner der Nachbarhäuser einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt, die gesundheitsgefährdend sein kann, auch wenn sie die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschreitet. Jedenfalls wegen einer allgemein verbreiteten Befürchtung hat die Errichtung einer solchen Anlage auch Auswirkungen auf den Miet- bzw. Verkaufswert aller betroffenen Wohnungen in dieser Gemeinschaft, ohne dass es auf die Berechtigung dieser Befürchtung ankäme. Selbst wenn der BGH bei Einhaltung der Grenzwerte nach der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) bei einer solchen Mobilfunkanlage nachbarrechtliche Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüche verneinte (BGH v. 13.2.2004, V ZR 217/03, BGHReport 2004, 831, 833), ist diese Rechtsprechung auf die Verhältnisse innerhalb einer Wohnungseigentumsanlage jedoch nicht übertragbar. Unterlassungsansprüche der Eigentümer sind wegen ihrer engeren Verbundenheit untereinander weitergehend, als die sich aus dem reinen Nachbarrecht ergebenden Ansprüche. Das gemeinschaftliche Eigentum führt dazu, dass Veränderungen daran grds. nur im Einverständnis aller davon Betroffenen vorgenommen werden können, was insbesondere für bauliche Veränderungen gilt, mit denen die Errichtung der Anlage in aller Regel verbunden sein wird. Als weitere Nachteile im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG können hier etwa die Strahlenbelastung und die damit verbundenen Befürchtungen und Wertminderungen angesehen werden (vgl. OLG Hamm v. 3.1.2002, 15 W 287/01, NJW 2002, 1730 und OLG Karlsruhe, NZM 2006, 746).

  3. Vorliegend ist auch nicht nach den Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung die Zustimmung der übrigen Eigentümer entbehrlich, da dort nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen keine Vereinbarung in ausdrücklicher Form vorgesehen ist, durch die die gesetzliche Regelung abbedungen wäre (was in den Gründen näher erläutert wird). Gerade bauliche Veränderungen sollten hier nicht durch einfachen Mehrheitsbeschluss zugelassen sein. Es fehlt insoweit an dem Erfordernis einer eindeutigen Regelung für Gesetzesänderungen. Weitere "Trennungsvereinbarungen" betreffen auch nur das Stimmrecht innerhalb der bestehenden Gruppenkompetenz und stellen ebenfalls keine wirksame Änderung der §§ 22 Abs. 1 und 14 Abs. 1 WEG dar.

    Ein entgegenstehender Genehmigungsbeschluss nur der Eigentümergruppe des Hochhauses ist nichtig, soweit darin eine Änderung des Mitbestimmungsrechts der Wohnungseigentümer und damit eine Änderung der Gemeinschaftsordnung beabsichtigt ist. Es gab vorliegend auch keine vereinbarte sog. Öffnungsklausel (somit nichtige Beschlussfassung mangels Beschlusskompetenz der Eigentümer, vgl. BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, BGHZ 145, 158).

  4. Zwar können in einer Mehrhausanlage getrennte Versammlungen der Eigentümer einzelner Häuser durchgeführt werden, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die ausschließliche Eigentümergruppen betreffen und durch die die Interessen anderer Eigentümer nicht berührt werden. Insoweit besteht auch ein Gruppenstimmrecht. Die vorliegende Mobilfunkanlage betrifft jedoch alle Eigentümer, sodass nicht ein Teil der Eigentümer über eine solche Angelegenhe...

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