Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen. Beurteilungsspielraum des Betriebsrats für die Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden zu vermittelnde Kenntnisse noch zur Wahrnehmung des Restmandats nach § 21b BetrVG benötigt, kann trotz einer eventuell bevorstehenden Betriebsumwandlung nicht davon ausgegangen werden, dass das zu schulende Betriebsratsmitglied in seiner verbleibenden Amtszeit das in den streitgegenständlichen Schulungen vermittelte Wissen nicht mehr benötigt.

2. Der Betriebsrat ist bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Schulungsteilnahme im Rahmen seines Beurteilungsspielraums verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf. Er hat darauf bedacht zu sein, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken. Sein Beurteilungsspielraum bezieht sich aber auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung. Insofern muss er sich nicht für die kostengünstigste Schulungsveranstaltung entscheiden, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 01.11.2023; Aktenzeichen 7 BVGa 492/23)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss den Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 01.11.2023 - 7 BVGa 492/23 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass hinsichtlich des Tenors zu 1 der Schulungsort "A" ist,

hinsichtlich des Tenors zu 2 die Seminargebühren 1.669,00 EUR (in Worten: Eintausendsechshundertneunundsechzig und 0/100 Euro) und die Übernachtungskosten 99,07 EUR (in Worten: Neunundneunzig und 07/100 Euro) pro Übernachtung und 106,72 EUR (in Worten: Einhundertsechs und 72/100 Euro) für Vollpension betragen,

hinsichtlich des Tenors zu 3 der Schulungsort "B" ist,

hinsichtlich des Tenors zu 4 die Seminargebühren 1.787,00 EUR (in Worten: Eintausendsiebenhundertsiebenundachtzig und 0/100 Euro) betragen,

hinsichtlich des Tenor zu 5 der Schulungsort "C" ist und hinsichtlich des Tenors zu 6 die Seminargebühren 1.698,00 EUR (in Worten: Eintausendsechshundertachtundneunzig und 0/100 Euro) betragen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen zum Thema "Betriebsratsvorsitzende und Stellvertreter Teile 1-3"des Anbieters D in A vom 7. bis 10. November 2023, in B vom 20.-23. November 2023 und in C vom 18. bis 21. Dezember 2023. Wegen der Seminarausschreibungen wird auf Bl. 6-11 der Akte Bezug genommen.

Antragsteller sind der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende, der an den Schulungen teilnehmen möchte. Beteiligte zu 3 ist der Arbeitgeber, ein Konzernunternehmen der Unternehmensgruppe Stadtwerke E, das Dienstleistungen im Personennahverkehr mit Omnibussen erbringt und derzeit 80 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitgeber beabsichtigt, diesen Betrieb in einen anderen einzugliedern. Derzeit ist beim Landesarbeitsgericht ein Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle anhängig.

Der Arbeitgeber ist mit der Schulungsteilnahme nicht einverstanden, da das Betriebsratsmitglied zum einen bereits langjährig im Amt ist und an den Schulungen Betriebsverfassungsrecht Teile 1-3, Arbeits- und Gesundheitsschutz Teile 1-3 sowie Arbeitsrecht für Betriebsräte Teil 3 teilgenommen hat und insoweit über das erforderliche Wissen verfüge. Im Übrigen ende die Amtszeit des antragstellenden Betriebsrats ohnehin demnächst aufgrund der Eingliederung in einen anderen Betrieb. Schließlich biete ein anderer Veranstalter (F) eine vergleichbare Schulung in E an, sodass keine Reise- und Übernachtungskosten anfielen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 41-42 der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 42R bis 44 der Akte) Bezug genommen.

Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers am 2. November 2023 zugestellt, der mit einem am selben Tag eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet hat. Mit Schriftsatz vom 3. November 2023, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am selben Tag, hat sich der Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers vertiefend mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandergesetzt.

Der Arbeitgeber rügt, ein Verfügungsgrund liege nicht vor. Die Angelegenheit sei deshalb nicht dringlich, weil der Antragsteller als Betriebsratsvorsitzender seit 2018 im Amt ist und hinreichend Gelegenheit gehabt habe, entsprechende Schulungen zu absolvieren. Jedenfalls liege kein Verfügungsanspruch vor. Die Begründung des Arbeitsgerichts lasse nicht ansatzweise erkennen, dass die individuelle Situation hinsichtlich der Erfor...

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