Entscheidungsstichwort (Thema)

Postaufgabevermutung im Rahmen des § 122 Abs. 2 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Wie die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 AO kann auch das maschinelle Postaufgabedatum als tatsächlicher Absendetag nur durch ein substantiiertes Bestreiten in Zweifel gezogen werden.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Rechtmäßigkeit von Schätzungsbescheiden.

Unter dem 05.10.2004 (maschineller Postaufgabevermerk) erließ der Beklagte gegen die Klägerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) Schätzungsbescheide über Körperschaftsteuer, Gewerbemessbetrag und Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für 2002 sowie über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer und über den verbleibenden Verlustvortrag zur Gewerbesteuer auf den 31.12.2002. Hiergegen erhob die Klägerin am 11.11.2004 Einspruch. Auf den Hinweis des Beklagten mit Schreiben vom 15.11.2004, dass die Einspruchsfrist am 08.11.2004 abgelaufen und die Einsprüche vom 11.11.2004 somit verspätet seien, beantragte die Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Bescheide seien ihr erst am 15.10.2004 zugegangen und der Einspruch vom 11.11.2004 somit fristgerecht erhoben. Der Beklagte wies den Wiedereinsetzungsantrag mit Schreiben vom 20.12.2004 und die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 01.04.2005 zurück. Die Klägerin mache keine Wiedereinsetzungsgründe geltend; sie behaupte vielmehr, die Einspruchsfrist infolge der verspäteten Bekanntgabe der Bescheide am 15.10.2004 gewahrt zu haben. Die Klägerin habe aber keine Umstände vorgetragen, die einen Zugang der Bescheide vom 05.10.2004 erst am zehnten Tag nach der Postaufgabe als schlüssig erscheinen ließen. Allein die Behauptung, ein Verwaltungsakt sei später als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post zugegangen, reiche nicht aus, Zweifel an der gesetzlichen Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 AO zu begründen. Die Bescheide gälten daher als am 08.10.2004 bekannt gegeben, sodass die Rechtsbehelfsfrist am 08.11.2004 - und damit vor Erhebung des Einspruchs vom 11.11.2004 - abgelaufen sei.

Die Klägerin hat am 03.05.2005 Klage erhoben. Die Schätzungsbescheide seien nach Maßgabe der noch zu erstellenden Steuererklärungen und Jahresabschlüsse zu ändern.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 15.07.2005 wurde der Klägerin zur Bezeichnung des Klagebegehrens gemäß § 65 Abs. 2 Satz FGO eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 08.08.2005 gesetzt. Hierauf übersandte die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.08.2005 die mit der Klageschrift angekündigte Bilanz und die Steuererklärungen für 2002. Der Schriftsatz trägt den gerichtlichen Eingangsstempel vom 09.08.2005. Der Stempelaufdruck lautet: "Entnommen aus dem Gerichtsbriefkasten am 09. Aug. 2005 bei Dienstbeginn (in den Kasten gelangt nach 24 Uhr des vorhergehenden Werktags)"

Auf die Versäumnis der Ausschlussfrist und die Möglichkeit der Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen, erklärte die Klägerin, dass die Frist nicht versäumt worden sei. Der Schriftsatz sei vielmehr am 08.08.2005 um 23.45 Uhr in den Hausbriefkasten des Gerichts eingeworfen worden. Dies könne der Sohn des Bevollmächtigten der Klägerin bezeugen.

Mit Senatsbeschluss vom 27.10.2005 (VI 144/05) wies das Gericht einen Vollziehungsaussetzungsantrag (§ 69 Abs. 3 FGO) der Klägerin vom 15.07.2005 ab.

Auf den Gerichtsbescheid des Berichterstatters vom 04.11.2005 hat die Klägerin fristgemäß (§ 90a Abs. 2 FGO) mündliche Verhandlung beantragt.

Die Klägerin beantragt, die Bescheide für 2002 vom 05.10.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.04.2005 dahin zu ändern, dass hinsichtlich der Umsatzsteuer ein Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von 563,18 Euro festgesetzt und dass auf den 31.12.2002 ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von jeweils 3.645,39 Euro festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor: Die Einsprüche vom 11.11.2004 seien zu Recht als unzulässig verworfen worden. Ferner habe die Klägerin die gerichtliche Ausschlussfrist vom 15.07.2005 versäumt und könnten die - verspätet - eingereichten Steuererklärungen der Besteuerung wegen diverser Zweifelsfragen (noch) nicht zugrunde gelegt werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist das Gericht auf die Sitzungsniederschrift vom 18.01.2006 sowie auf den Inhalt der Steuerakte, nämlich - 1 Bd. Ersatzakte zur Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2002

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet durch den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 FGO).

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide vom 05.10.2004 sind bestandskräftig geworden. Zu Recht hat der Beklagte die Einsprüche vom 11.11.2004 als verspätet angesehen und Wiedereinsetzung nicht gewährt. Die Klage war deshalb ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989, X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177).

1. a. Ein Einspruch ist nur dann zulä...

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