Alexander C. Blankenstein
Ist dem die übrigen Wohnungseigentümer bzw. der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertretenden Rechtsanwalt das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts zugestellt worden, beginnt mit dem Zeitpunkt der Zustellung die einmonatige Frist des § 517 ZPO zur Einlegung der Berufung, soweit der klagende Wohnungseigentümer (teilweise) erfolgreich war. Entsprechendes gilt dann, wenn ein Rechtsanwalt nicht beauftragt war und das Verfahren vom Verwalter geführt und entsprechend ihm das Urteil zugestellt wurde. Als sog. "Notfrist" ist die Frist zur Einlegung der Berufung vom zuständigen Landgericht nicht verlängerbar. Um eine Willensbildung der unterlegenen übrigen beklagten Wohnungseigentümer in Altverfahren darüber herbeiführen zu können, ob ein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt werden soll oder nicht, ist ein Monat denkbar kurz. Entsprechendes gilt freilich in den Verfahren, die ab dem 1.12.2020 bei Gericht anhängig wurden.
Altverfahren
Das eigentliche Dilemma in diesem Zusammenhang stellt mit Blick auf Altverfahren die ungeklärte Frage dar, welche Entscheidungskompetenzen insoweit dem Verwalter und den übrigen beklagten Wohnungseigentümern zukommen. Umstritten ist jedenfalls, ob dem Verwalter die Entscheidungsbefugnis zukommt, über das Einlegen eines Rechtsmittels – also insbesondere der Berufung – zu entscheiden, soweit ihn die Wohnungseigentümer nicht ausdrücklich anders anweisen. Ob eine entsprechende Beschlusskompetenz besteht, ist insoweit ebenfalls umstritten.
Ausgehend davon, dass es sich bei der Berufung um einen Teil des Erkenntnisverfahrens handelt, würde man zur fehlenden Befugnis des Verwalters nur dann kommen, wenn man das Berufungsverfahren der übrigen beklagten Wohnungseigentümer als Aktivverfahren ansehen würde. Das aber wäre systemfremd. Auch wenn jedenfalls vieles dafür spricht, dass der Verwalter bereits gesetzlich legitimiert ist, für die übrigen beklagten Wohnungseigentümer Berufung einzulegen, kann er dies – soweit ihm nicht der gegenteilige Wille der Wohnungseigentümer bekannt ist – zumindest fristwahrend auf Grundlage der Bestimmung des § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG a. F. zur Abwendung eines Rechtsnachteils von den Wohnungseigentümern. Zu berücksichtigen ist maßgeblich auch, dass die mittlerweile herrschende Meinung in der Rechtsprechung der Auffassung ist, dass der Verwalter durchaus befugt ist, für die beklagten Wohnungseigentümer einer Anfechtungsklage Berufung einzulegen.
Vorgehen des Verwalters
Um mögliche Restrisiken möglichst gänzlich zu minimieren, sollte der Verwalter nach Zustellung des Urteils dieses möglichst unverzüglich den einzelnen beklagten Wohnungseigentümern übersenden – wenn möglich per E-Mail. Er sollte die Wohnungseigentümer im Begleittext bitten, binnen 2 Wochen verbindlich zu erklären, ob sie Berufung einlegen wollen oder nicht. Ist es ihm möglich, innerhalb der Berufungsfrist eine Versammlung der beklagten übrigen Wohnungseigentümer als "Beklagtengemeinschaft" – bestenfalls unter Anwesenheit des Rechtsanwalts – durchzuführen, kann dort geklärt werden, ob und für welche Wohnungseigentümer Berufung eingelegt werden soll. Sicherlich schadet auch nicht eine Eigentümerversammlung, an der auch der klagende Wohnungseigentümer teilnimmt. Dieser wäre dann im Rahmen des Abstimmungsvorgangs entsprechend § 25 Abs. 5 WEG a. F. vom Stimmrecht ausgeschlossen.
Da auch nach der strengen Auffassung, die einen Beschluss als Legitimation des Verwalters zur Durchführung des Berufungsverfahrens für erforderlich hält, ein solcher jedenfalls dann entbehrlich sein soll, wenn die Wohnungseigentümer Einzelvollmachten mit Blick auf den sie vertretenden Rechtsanwalt erteilen, die dann zur Gerichtsakte gereicht werden, sollten "berufungswillige" Wohnungseigentümer in der Versammlung auch noch gesondert Vollmachten erteilen. Bereits mit dem Ladungsschreiben sollte der Verwalter insoweit Vollmachtformulare des Rechtsanwalts versenden und an der Teilnahme verhinderte Eigentümer bitten, diese unterzeichnet zurückzureichen, so sie eine Berufung befürworten.
Hinweis: Verfahren ab dem 1.12.2020
Für alle Verfahren, die seit dem 1.12.2020 anhängig wurden gilt, dass unproblematisch Beschlusskompetenz über das Schicksal der Einlegung einer Berufung besteht. Der klagende Wohnungseigentümer wäre nach § 25 Abs. 4 WEG vom Stimmrecht ausgeschlossen. Unproblematisch wäre aber der Verwalter über die Bestimmung des § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG auch ohne entsprechende Beschlussfassung zur Einlegung der Berufung für die unterlegene Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt, da innerhalb der Monatsfrist zur Einlegung der Berufung eine Wohnungseigentümerversammlung angesichts allein der auf 3 Wochen verlängerten Einberufungsfrist kaum durchführbar wäre.