1. Die rechtlichen Ausführungen des OLG zum Eintritt der Verjährung und der nicht erfolgten Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist sind zutreffend. Es ist nun mal h.M., dass nur der Eingang des Pauschgebührantrages beim zuständigen OLG die Verjährungsfrist unterbricht (s. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, § 51 Rn 91 ff. m.w.N.). Den Schuh, das übersehen zu haben, muss der Verteidiger sich hier schon anziehen. Auch wenn es sich sonst zur Verfahrensbeschleunigung empfehlen kann, den Pauschgebührantrag nicht beim OLG, sondern beim "Tatgericht" zu stellen, muss man damit – wie dieser Fall schmerzlich zeigt – vorsichtig sein. Denn: Geholfen wird dem Pflichtverteidiger nicht bzw. man lässt keine Milde mit ihm und seinem (vermutlichen) "Irrläufer" walten.

2. Und dieser Punkt führt dann – zumindest bei mir zur Verärgerung –, und zwar sowohl über die Vertreterin der Staatskasse als auch über das OLG. Denn man fragt sich schon, ob man dem Pflichtverteidiger nicht hätte "helfen" können, auch wenn er seinen Antrag so spät und dann auch noch beim unzuständigen Gericht stellt. Und man hätte.

a) Denn zunächst stellt sich schon die Frage, warum die Vertreterin der Staatskasse überhaupt die Einrede der Verjährung erhoben hat. Ich verkenne nicht, dass das natürlich ihr gutes (?) Recht war, aber: Musste das hier sein? Denn der Antrag des Pflichtverteidigers war ja an sich fristwahrend eingegangen, wenn auch beim unzuständigen Gericht. Warum muss man dann, wenn der Antrag gut zwei Wochen später – endlich, dazu gleich mehr – beim zuständigen Gericht eingegangen ist, die Einrede der Verjährung erheben und so die Chance auf eine Pauschgebühr zunichtemachen. Und das alles in Kenntnis des Umstandes, dass das LG/die Justiz mehr als einen Monat gebraucht hat, um den Antrag zum zuständigen OLG zu befördern. Das kann man wahrscheinlich nur damit erklären, dass die Landeskassen in NRW offenbar so leer sind, dass deren "Hüter" jeden Strohhalm ergreifen (müssen), um sie nicht noch weiter zu entleeren. Fazit: Angesichts der nur geringen Fristüberschreitung hätte man hier auch schweigen können. Ein mahnender Hinweis an den Pflichtverteidiger hätte sicherlich dafür gesorgt, dass in Zukunft Anträge direkt beim OLG gestellt werden. Zumindest, wenn die Antragstellung kurz vor Verjährungseintritt erfolgt.

b) Und dann das OLG. Natürlich ist es richtig, was das OLG grds. zur unzulässigen Rechtsausübung ausführt. Aber: Ist es wirklich kein "grober Verstoß"? Der Antrag geht 17 Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2023 am 14.12.203 beim LG Bochum ein. Und was macht man dort? Man feiert offenbar vorab schon mal Weihnachten bzw. ist in Weihnachtsurlaub, jedenfalls hält man es nicht für nötig, mal in den Antrag zu schauen, der ja erkennbar nicht in die Zuständigkeit des LG fiel. Hätte man das getan, dann hätte man vielleicht erkannt, dass dieser Antrag schnell noch zum OLG gesandt werden musste, damit er dort noch vor dem 31.12.2023 einging. Es ist richtig, dass die Prüfung der Verjährungsfrist nicht in den Zuständigkeitsbereich des LG fällt. Aber man kann doch wohl von einem Schwurgericht – dort dürfte der Antrag in dem Verfahren mit dem Totschlagsvorwurf eingegangen sein – erwarten, dass es diese Fristen kennt, denn es wird im Zweifel häufiger mit Pauschgebührenfragen zu tun haben. Zwischen Eingang des Antrags und Ablauf der Verjährungsfrist lagen immerhin neun Arbeitstage. Also Zeit genug zu prüfen und den Antrag an das OLG zu senden. Beim LG Bochum dürfte man auch über ein Fax verfügen. Zur Not hätte man auch eine Postkutsche beauftragen können und der Antrag wäre im Zweifel immer noch rechtzeitig beim OLG eingegangen. Das alles interessiert das OLG aber nicht bzw. wird mit den Argumenten: Der Verteidiger hat auf den drohenden Fristablauf nicht hingewiesen und schließlich stand Weihnachten vor der Tür, weggewischt. Dazu ist anzumerken, dass der Hinweis des Verteidigers "Eilt" hier in der Tat fehlt, aber man kann sich ja auch die Frage stellen, ob er überhaupt darauf hinweisen musste/konnte, wenn es sich ggf. um eine falsche Adressierung seines Antrags gehandelt hat. Und "Weihnachten" bedeutet ja nun nicht, dass schon Tage vorher ein Stillstand der Rechtspflege eintritt. Beim LG Bochum offenbar aber schon und das OLG Hamm scheint damit kein Problem zu haben. Ärgerlich.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 4/2024, S. 163 - 164

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