Rz. 107
Ergänzend zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen kann der Erblasser einer oder mehreren Personen seines Vertrauens eine Nachlassvollmacht erteilen. Die Erteilung einer Vollmacht an den (potentiellen) Erben oder den Testamentsvollstrecker kann vor allem aus folgenden Gründen empfehlenswert sein:
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Der Bevollmächtigte kann unmittelbar nach dem Tod des Erblassers handeln, ohne die Erteilung eines Erbscheins, die Eröffnung der letztwilligen Verfügung oder die Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses abwarten zu müssen. |
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Der Bevollmächtigte ist auch zu unentgeltlichen und teilentgeltlichen Verfügungen befugt (s. demgegenüber §§ 2205 Satz 3, 2113 Abs. 2 BGB). |
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Gerade bei Unternehmen sind oftmals kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen, so dass die jederzeitige und umfassende Handlungsfähigkeit sichergestellt sein muss. |
Rz. 108
Die Vollmacht bedarf an sich keiner besonderen Form. Eine öffentliche Beglaubigung ist aber zumindest dann sinnvoll, wenn zum Nachlass Unternehmen bzw. Gesellschaftsbeteiligungen gehören (s.u.a. § 12 HGB).
Rz. 109
Im Wesentlichen ist zwischen zwei Arten von Nachlassvollmachten zu unterscheiden: zum einen den transmortalen Vollmachten, die bereits zu Lebzeiten des Erblassers wirksam werden und dann über dessen Tod hinaus fortdauern, und zum anderen den portmortalen Vollmachten, die überhaupt erst mit dem Tod des Erblassers wirksam werden. In der Praxis wird die Verwendung von transmortalen Vollmachten vielfach vorzugswürdig sein, da dann der Nachweis des Wirksamwerdens der Vollmacht und die damit möglicherweise verbundenen Komplikationen von vornherein vermieden werden. Gegebenenfalls kann der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten aber im Innenverhältnis anweisen, von der Vollmacht erst nach seinem Tod Gebrauch zu machen.
Rz. 110
Nachlassvollmachten können durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erteilt werden oder Bestandteil einer Verfügung von Todes wegen sein. Dabei kann der Erblasser die Vollmacht entweder in die Verfügung von Todes wegen aufnehmen oder die Erben lediglich im Wege der Auflage dazu verpflichten, einer bestimmten Person eine Vollmacht zu erteilen. Im Interesse einer schnellen und unkomplizierten Nachlassabwicklung sollte der Erblasser die Vollmacht allerdings nach Möglichkeit getrennt von seiner Verfügung von Todes wegen erteilen und dem Bevollmächtigten bereits zu Lebzeiten eine Ausfertigung der Vollmachtsurkunde aushändigen. Dafür spricht vor allem Folgendes:
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Die Vollmacht wird grundsätzlich erst mit Zugang beim Bevollmächtigten wirksam (§§ 167 Abs. 1 Fall 1, 130 Abs. 1 BGB). Ist die Vollmacht in einer Verfügung von Todes wegen enthalten, erfolgt der Zugang möglicherweise erst mit Testamentseröffnung. Die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung schränkt den Wert der Nachlassvollmacht u.U. nicht unerheblich ein. |
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Die Vollmacht muss im Rechtsverkehr in Urschrift oder Ausfertigung vorgelegt werden (§ 172 BGB). Das Nachlassgericht erteilt aber i.d.R. nur eine beglaubigte Abschrift der in den Nachlassakten befindlichen Verfügung von Todes wegen. Das Original verbleibt demgegenüber auf Dauer in den Nachlassakten, um die Erbfolge dauerhaft zu dokumentieren. Die Bezugnahme auf die beim Nachlassgericht befindliche Urkunde macht die Vorlage der Vollmachtsurkunde nicht entbehrlich. Der Bevollmächtigte kann daher seine Rechtsstellung in diesem Fall u.U. nicht ordnungsgemäß nachweisen. |
Rz. 111
Bei der Person des Bevollmächtigten sollte es sich stets um eine Vertrauensperson des Vollmachtgebers handeln. Im Übrigen sollten bei der Auswahl des Bevollmächtigten ähnliche Überlegungen maßgebend sein wie bei der Person des Testamentsvollstreckers (siehe dazu Rdn 66). Zur Vermeidung einer Kollision zwischen Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigtem kann die Bestellung ein und derselben Person sinnvoll sein. Andernfalls gilt es, ihre Befugnisse untereinander klar voneinander abzugrenzen. Dabei sollte insbesondere auch geregelt werden, ob der Testamentsvollstrecker zum Widerruf der Vollmacht berechtigt ist.
Muster 23.10: Nachlassvollmacht
Muster 23.10: Nachlassvollmacht
_________________________, im Folgenden der "Vollmachtgeber" genannt, erteilt hiermit _________________________, im Folgenden der "Bevollmächtigte" genannt, Generalvollmacht.
1. |
Umfang der Vollmacht
a) |
Vermögensrechtliche Angelegenheiten Der Bevollmächtigte ist berechtigt, den Vollmachtgeber in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten uneingeschränkt zu vertreten. |
b) |
Persönliche Angelegenheiten Der Bevollmächtigte ist ferner berechtigt, den Vollmachtgeber in allen persönlichen Angelegenhei ten zu vertreten, bei denen eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist. Insbesondere ist der Bevollmächtigte ermächtigt,
- in medizinische Maßnahmen aller Art einzuwilligen, wie z.B. auch in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff; dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber aufgru...
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