Rz. 2

Für das erbrechtliche Mandat bildet das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen einen Grundpfeiler der anwaltlichen Berufspflichten im Verhältnis zum Mandanten. In der alltäglichen Praxis ist es vielen Rechtsanwälten gerade bei der Vertretung von erbrechtlichen Mandanten nicht bewusst, dass eine Interessenkollision vorliegt, welche den Rechtsanwalt dazu zwingt, die Annahme des Mandats abzulehnen bzw. das angenommene Mandat insgesamt sofort niederzulegen.

 

Rz. 3

Gemäß § 43a Abs. 4 S. 1 BRAO darf der Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Als Generalklausel soll § 43a Abs. 4 BRAO dem Entstehen von Interessenkonflikten in der Person des Rechtsanwalts vorbeugen.[1] Mit der Reform der Berufsordnung, die zum 1.8.2022 in Kraft getreten ist, wurden die Vorschriften zur Vertretung widerstreitender Interessen erweitert.[2] Gemäß § 43a Abs. 4 S. 2 BRAO wird das Tätigkeitsverbot wegen Interessenkollision auf alle sozietätsangehörigen Rechtsanwälte erstreckt. Dies gilt für die Sozietät ebenfalls, § 59 BRAO. Das Tätigkeitsverbot erfasst jede Form gemeinschaftlicher Berufsausübung (ausgeschlossen die reine Bürogemeinschaft), wobei es auch in der Scheinsozietät und für angestellte anwaltliche Mitarbeiter gilt.[3]

 

Rz. 4

Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gewährleistet die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung und stellt das Vertrauensverhältnis zum Mandanten sicher.[4] Diese Kriterien stehen nicht zur Disposition der Mandanten. Der Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass die berufsrechtlichen Grundpflichten des § 43a BRAO berücksichtigt werden, damit die angestrebte Chancen- und Waffengleichheit der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat gewahrt wird und die Rechtspflege funktionsfähig bleibt.[5]

 

Rz. 5

Für eine Interessenkollision müssen gem. § 43a Abs. 4 S. 1 BRAO tatbestandlich drei Voraussetzungen vorliegen:

1. dieselbe Rechtssache,
2. ein Interessengegensatz und
3. eine Vertretung.
[1] Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, S. 296 Rn 813 f.
[2] Diller, AnwBl 2021, 470 ff. m.w.N.
[3] Diller, AnwBl 2021, 470, 471.
[4] BT-Drucks 12/4993, 27; Kleine-Cosack, § 43a BRAO Rn 139.
[5] BVerfGE 108, 150 = NJW 2003, 2520, 2521; BGH NJW 2008, 1307.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge