Störungsfreie Freizeit bei mobil-flexibler Arbeit

Eine störungsfreie Freizeit setzt Erholungsprozesse in Gang und erhält das Arbeitsengagement. Sie zu schützen, ist eine Herausforderung bei mobil-flexibler Arbeit.

In der Pause posten Sie einen Beitrag auf Linkedin. Es ist Feierabend, Ihr Telefon klingelt und die Kollegin ist dran. Nachdem die Kinder im Bett sind, setzen Sie sich an Ihren Laptop, um eine Arbeitsaufgabe noch schnell abzuschließen. All das sind Arbeitstätigkeiten, die in der Freizeit stattfinden und Erholungsprozesse stören. Während Entgrenzung von Arbeit zunächst eher vor der Industrialisierung häufig anzutreffen war, ist sie seit der Möglichkeit zum mobilen Arbeiten wieder weit verbreitet. Der Trend wird sich aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und zunehmenden Flexibilisierung noch weiter fortsetzen (Kunz et al. 2023).

Fehlende räumliche Trennung wird im Homeoffice zum Problem

Es ist ein zweischneidiges Schwert: Zum einen ist es eine große Errungenschaft, dass viele Beschäftigte ihre Arbeitszeiten freier gestalten und Arbeit sowie private Verpflichtungen besser verbinden können. Dies kann zu besserer Life-Domain-Balance führen. Zugleich wird es für Beschäftigte jedoch eine zunehmende Herausforderung, Arbeits- und Erholungszeiten für sich selbst zu definieren und Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Doch nur so lässt sich eine störungsfreie Freizeit sichern.

Beim Arbeiten von zu Hause fällt die räumliche Trennung weg und verführt dazu, aus eigener Motivation heraus jederzeit wieder in die Arbeit einzusteigen. Schnell wird man implizit wie explizit dazu gedrängt, über die Arbeitszeit hinaus erreichbar zu sein - weil die Führungskraft dies erwartet, Kunden es erwarten, es zur Norm geworden ist, im Team stets erreichbar zu sein, oder die Menge an Arbeit in der regulären Arbeitszeit nicht zu schaffen ist.

Erholungsprozesse sind wichtig für Gesundheit und Leistung

Arbeit ist für viele von uns im besten Fall motivierend und sinnstiftend. Es kann durchaus als positiv empfunden werden, punktuell auch in der Freizeit zu arbeiten. Eine regelmäßige Entgrenzung von Arbeit hat jedoch eindeutig negative Folgen für Gesundheit und Motivation. So zeigt sich in vielen Studien (z.B. Lanaj et al. (2014), Dettmers et al. (2016)), dass bei einer häufigen und andauernden Entgrenzung das Abschalten von der Arbeit nicht mehr so gut möglich ist, die Schlafqualität leidet und am nächsten Morgen Erschöpfung eintritt. Nicht nur für die Gesundheit hat dies negative Folgen. Auch das Arbeitsengagement nimmt auf Dauer ab (siehe Kunz et al. 2023 für eine Übersicht). Eine störungsfreie Freizeit ist daher wichtig, damit Erholungsprozesse initiiert werden, die die Gesundheit erhalten und das Arbeitsengagement am nächsten Tag fördern.

Das deutsche Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) dient dazu, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu erhalten und zu fördern. Seit 2013 sind Unternehmen angehalten, neben der körperlichen Gesundheit auch die psychische Gesundheit in den Fokus zu nehmen. Um dies zu erreichen, müssen neben den Beschäftigten selbst der Arbeitgeber und die Führungskräfte aktiv werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können erlernen, Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen und für sich selbst eine gute Balance zu schaffen. Dies kann je nach Lebenssituation und Beruf sehr unterschiedlich aussehen.

Hilfreiche Tools für Arbeitgeber und Arbeitnehmende

Unterstützt werden sie dabei beispielsweise durch Trainingsprogramme zum Umgang mit mobil-flexibler Arbeit (wie z.B. das FlexAbility Training, Althammer et al. 2023). Dieses wissenschaftlich evaluierte, frei zugängliche Training finden Sie hier. Neben der individuellen Kompetenz sich abzugrenzen, braucht es im Team klare Absprachen zur Erreichbarkeit und Führungskräfte, die eine störungsfreie Freizeit aktiv schützen und fördern.

Allgemein gilt: Gute Arbeitsbedingungen und ein motivierendes Arbeitsumfeld fördern die Gesundheit und Motivation von Beschäftigten, reduzieren Krankheitstage und erhöhen die Arbeitsleistung (Kunz et al., 2023). Daher sollten Unternehmen wissen, wie es insgesamt um die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten steht – beispielsweise durch psychische Gefährdungsbeurteilungen - und bei der Förderung guter Arbeitsbedingungen auch eine störungsfreie Freizeit ermöglichen.

Mental risk assessment (MERIAS) ist ein Instrument zur psychischen Gefährdungsanalyse, das mit kurzen Skalen die Arbeitsbedingungen und das soziale Umfeld bei der Arbeit misst. Ein besonderes Augenmerk liegt auf neuen Formen der Arbeit (mobil-flexibles Arbeiten) und sozialen Faktoren (wie Kommunikation und Konflikten). Einfache und positive Formulierungen stellen sicher, dass MERIAS für alle Zielgruppen einsetzbar ist. Ziel von MERIAS ist es, Organisationen fundiert zurückzumelden, an welchen Stellen sie ansetzen müssen, um Beschäftigte gesund zu halten und für die Arbeit zu motivieren.


Über die Autorin und die Autoren

Annekatrin Hoppe ist Professorin für Occupational Health Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie forscht und lehrt zu den Themen gesunde Gestaltung von Arbeit, neue Arbeitswelten, gesundheitsbezogene Interventionen und kulturelle Diversität bei der Arbeit. https://www.psychology.hu-berlin.de/de/1695813/1684285

Sascha Kilburg ist Diplompsychologe, Coach, Mediator und Ausbilder. Mit Kilburg Consulting für Unternehmen, Behörden und NGOs tätig. In Hochschule und Wirtschaft lehrt er zu Themen Gesundheit, Konflikt, Kommunikation, Beratung und Führung. Als Fachautor und Blogger schreibt er zu diesen Themen in Fachorganen und im Blog „Strittig und Streitbar“. www.kilburg.eu

Jens Nachtwei ist Professor für Business Psychology an der Hochschule für angewandtes Management, Geschäftsführender Institutsdirektor des IQP sowie Gastprofessor für Engineering Psychology  an der HU Berlin.


Literatur:

Althammer, S. E., Wöhrmann, A. M., & Michel, A. (2023). Das FlexAbility-Selbstlern-Training: orts- und zeitflexible Arbeit gesund gestalten. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. baua: Praxis.

Dettmers, J., Bamberg, E., & Seffzek, K. (2016). Characteristics of extended availability for work: The role of demands and resources. International Journal of Stress Management, 23(3), 276.

Kunz, L. K., Ducki, A., & Hoppe, A. (2023). Gesunde Arbeit durch eine gesunde Gestaltung von Entgrenzung. In B. Badura, A. Ducki, J. Baumgardt, M. Meyer, & H. Schröder (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2023: Zeitenwende - Arbeit gesund gestalten (S. 347–358). Springer.

Kunz, L. K., Ducki, A., & Hoppe, A. (2024). What if I like it? Daily appraisal of technology-assisted supplemental work events and. Frontiers in Organizational Psychology, 2, 1304446.

Lanaj, K., Johnson, R. E., & Barnes, C. M. (2014). Beginning the workday yet already depleted? Consequences of late-night smartphone use and sleep. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 124(1), 11-23.


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Schlagworte zum Thema:  Work Life Balance, Mobiles Arbeiten, Gesundheit