Job-Ghosting: Was tun, wenn Bewerber den Kontakt abbrechen

Ghosting – plötzlich taucht ein Kommunikationspartner ab und ist nicht mehr erreichbar. Dieses Phänomen ist auch in Bewerbungsprozessen keine Seltenheit mehr und stellt Arbeitgeber vor neue Herausforderungen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie man diesem Problem vorbeugen kann.

Der Fachkräftemangel hat den Wettbewerb um die Talente weiter verschärft. Für hoch qualifizierte Wechselwillige und sogar für Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen gibt es mehr Alternativen denn je. Ganz selbstverständlich laufen bei Jobsuchenden daher mehrere Bewerbungsprozesse parallel. Das führt auch dazu, dass sich viele Recruiterinnen und Recruiter zunehmend mit dem Problem des Job-Ghostings konfrontiert sehen: Eine Kandidatin oder ein Kandidat antwortet nicht mehr, verschwindet quasi von der Bildfläche.

Job-Ghosting: Diese Faktoren führen zum Kontaktabbruch

Neben der höheren Konkurrenz um Top-Talente haben weitere Faktoren den Trend zum Job-Ghosting begünstigt, etwa die Corona-Pandemie und das von ihr beförderte mobile Arbeiten. So sind Vorstellungstermine per Videocall unpersönlicher und wirken unverbindlicher als ein persönliches Treffen. Der Versuch, Prozesse durch Teilautomatisierung zu beschleunigen, kann diese vom Gegenüber erlebte Unverbindlichkeit noch steigern. Dazu kommt: Wer ein allgemein gehaltenes Antwortschreiben erhält, ist weniger motiviert, den Kontakt zum Arbeitgeber aufrechtzuerhalten, als wenn von Anfang an ein Mensch als persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung steht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Personalabteilungen mit dem Problem des Job-Ghostings umgehen können: Wie lässt sich diesem Effekt vorbeugen und welche Strategien haben sich in der Praxis bewährt?

Erfolgsfaktoren im Bewerbungsverfahren: Schnelligkeit und Nähe

Vor allem zwei Faktoren sind heute bei Bewerbungsverfahren entscheidend: Schnelligkeit und Nähe. Grundsätzlich läuft die Zeit gegen die Recruiterinnen und Recruiter. Eines der anderen Unternehmen, bei dem sich jemand bewirbt, kann das entscheidende Quäntchen schneller sein. Oder der jetzige Arbeitgeber macht ein besseres Angebot, um seine Mitarbeiterin oder seinen Mitarbeiter zu halten. In jedem Fall reduzieren lange Bearbeitungszeiten die Einstellungswahrscheinlichkeit geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten. Daher gilt: Je schneller eine Bewerbung zu einer Anstellung führt, umso besser.

Um die Einstellungszeit so kurz wie möglich zu halten, erhält bei uns jede Kandidatin und jeder Kandidat innerhalb von 24 Stunden eine persönliche Rückmeldung auf die Bewerbung. Ein erstes Gespräch zur Vorqualifizierung findet spätestens fünf Tage nach Bewerbungseingang statt. Dieses Gespräch bietet für beide Seiten Mehrwert, denn es werden nicht nur die Rahmenbedingungen wie Verfügbarkeit, fachliche Expertise und Gehaltsvorstellungen, besprochen, sondern es geht auch darum, ob es zwischenmenschlich passt. Auch im Anschluss sorgen wir für kurze Rückmeldefristen und setzen wenige Tage später ein Folgegespräch mit den zuständigen Hiring-Managern auf. Unter optimalen Bedingungen vergeht so vom ersten Kennenlernen bis zum Vertragsangebot nicht mehr als eine Woche, wenn alle beteiligten Personen in dieser Zeitspanne verfügbar sind.

Die Hürden im Bewerbungsprozess senken

Des Weiteren gibt es Möglichkeiten, die Hürden in Bewerbungsprozessen zu senken. Das fängt schon bei der Bewerbung selbst an, denn die klassische Vorgehensweise mit einem Motivationsschreiben ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Bewerbungen mit wenigen Klicks aus Plattformen wie Linkedin oder Stepstone verschicken zu können, ist heute eine etablierte Vorgehensweise.

Wie immer bei digitalen Tools stellt sich auch im Recruiting die Frage, an welcher Stelle diese sinnvoll eingesetzt sind und an welchen Stellen sie eher kontraproduktiv wirken. Eine technische Lösung kann keinen persönlichen Kontakt ersetzen, jedoch lassen sich damit durchaus Effizienz und Servicequalität steigern.

Zur Klärung erster Bewerberfragen wäre es denkbar, einen Chatbot einzusetzen – vorausgesetzt, der weitere Ablauf wechselt dann schnellstmöglich auf die persönliche Ebene. Hierbei können auch interne Tracking-Mechanismen helfen. Bei Ferchau verfolgen wir darum den gesamten Verlauf vom Eingang der Bewerbung bis hin zum Vertragsangebot. Durch diese engmaschige Kontrolle verbessern wir unsere Prozesse stetig und schaffen eine bessere Candidate Experience.

Die eigenen Prozesse weiterentwickeln

Gerade im Umgang mit Young Professionals gilt es, die Kommunikationskanäle zu flexibilisieren. Zwar ergeben sich zum Beispiel bei der Nutzung von Messengern Fragen aus den Vorgaben der DSGVO. Aber kurze Rückfragen oder auch nur Terminerinnerungen per SMS, Whatsapp oder Telegram sind näher dran an der Lebenswirklichkeit und den Kommunikationsgewohnheiten jüngerer Kandidatinnen und Kandidaten als die vergleichsweise förmlichen E-Mails.

Offenheit, Ehrlichkeit und Authentizität sind wichtig in der Kommunikation und es gilt, den Prozess so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten. Vor allem Terminerinnerungen haben sich in diesem Zusammenhang bewährt, um zu vermeiden, dass eine Kandidatin oder ein Kandidat eine Verabredung vergisst und dann aus Scham darüber den weiteren Kontakt abbricht. Aber auch innerhalb der Verfahrensschritte lässt sich mehr Verbindlichkeit abbilden. Die Mitteilung: "Wir melden uns nächste Woche bei Ihnen" ist vergleichsweise unverbindlich. Besser ist "Sie hören am Montagnachmittag von uns."

Enger Austausch mit der Fachabteilung kann Job-Ghosting vermeiden

Auf der Sachebene im Unternehmen ist es zudem sinnvoll, einen engen Austausch zwischen der Personalabteilung und der Fachabteilung sicherzustellen. Darum sind unsere Recruiterinnen und Recruiter regelmäßig bei den Hiring-Managern vor Ort in den Niederlassungen und bekommen so ein besseres Bild von den jeweiligen Teams. Das ist für alle Beteiligten in Bewerbungsprozess von Vorteil, denn so wird das Recruiting bei Fragen der Bewerberinnen und Bewerber aussagefähiger und kann besser einschätzen, wer in das jeweilige Team passt. Durch die besseren Kontakte zum Team vor Ort können wir gegenüber den Kandidatinnen und Kandidaten Verlässlichkeit signalisieren und beispielsweise eine unkomplizierte Terminfindung für Folgegespräche im Austausch mit den Hiring-Managern ermöglichen.

Job-Ghosting: Aus Misserfolgen und Fehlern lernen

Alle Maßnahmen zur Beschleunigung und Verbesserung der Auswahlprozesse und zur Schaffung von mehr Nähe und Verbindlichkeit werden jedoch nicht verhindern können, dass sich High Potentials plötzlich aus dem aktuellen Prozess herausziehen. Solche Personen zurückzugewinnen, ist erfahrungsgemäß oft aussichtslos. Auch wenn im Prozess alles glattläuft, kommt es in den vergangenen Jahren immer häufiger vor, dass auch ein unterschriftsreifer Arbeitsvertrag nicht angenommen wird.

Um unser eigenes Verhalten optimieren zu können, interessieren uns die Hintergründe, warum das Angebot nicht gepasst hat und der Prozess abgebrochen wurde: Lag es am beschriebenen Aufgabenprofil der angebotenen Stelle, der Gesprächsatmosphäre oder doch an den Rahmenbedingungen? Hierbei hilft das kritische Feedback der Kandidatinnen und Kandidaten, um eventuelle Veränderungen identifizieren und die Bedingungen zielgerichtet optimieren zu können.

Job-Ghosting lässt sich nur begegnen, indem von Anfang an offen, respektvoll und vor allem verbindlich gegenüber den Kandidatinnen und Kandidaten agiert wird. Das schafft Vertrauen und Nähe und führt zu der Haltung, die wir auch gerne „Commitment“ nennen. Wenn uns das gelingt, dann wird uns eine Bewerberin oder ein Bewerber in der Regel auch mitteilen, wenn unser Angebot nicht passt und die Verhandlung an dieser Stelle beendet wird.


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